Die Spiele (Stephan Schmidt)

Das Reich der Mitte. Weltwirtschaftsmacht. Restriktiv. Rätselhaft. In Vielem bis heute. Über 14.000 km Küste, Grasland, Wüste, Berge, Megacities. Die Verbotene Stadt, eine Armee aus Terrakotta Soldaten bewacht einen toten Kaiser. Sie sollen ihn beschützen, in seinem Leben nach dem Tod. Peking, eine beliebte Ente und die Chinesische Mauer. Sie kann man sogar vom Mond aus sehen. Shanghai, spektakuläre Wolkenkratzer – globales Finanzzentrum und Dreh- und Angelpunkt des aktuellen Romans von Stephan Schmidt alias Stephan Thome, Kriminalfall inklusive – ich war gespannt:

Die Spiele von Stephan Schmidt

September 2021, Shanghai. Das internationale Olympische Komitee tagt, es geht um die Vergabe der Sommerspiele 2032. 

Diesen Mann hatte man nicht zum Feind haben wollen. Als er, Thomas Gärtner, mehr oder weniger erfolgreicher Journalist auf Recherchemission, den jetzigen mosambikanischen IOC-Funktionär Charles Murandi in den Neunziger Jahren in Afrika kennengelernt hatte, war das sein erster Eindruck gewesen. Ob er in der Folge so etwas wie sein Freund geworden war? Er wusste es nicht zu sagen. Vertraut, das waren sie sich wohl schon. Jetzt jedenfalls war Murandi tot und er saß in Shanghai in einem Verhörraum fest. Mit einem Blackout. Drei Tage hatte er verloren und dem Polizisten gegenüber eben angegeben erst gestern gelandet, in sein Hotel gefahren und dort eingeschlafen zu sein. Sein Visum. Gefälscht. Sein Chef. Ahnungslos. Er war ohne Rückendeckung seiner Zeitung hier und offenbar der Letzte gewesen, der sich im Hotelzimmer Murandis aufgehalten und ihn lebend gesehen hatte. Soviel verrieten zumindest die Sicherheitskameras eines Luxushotels, das sich Gärtner eigentlich nicht leisten konnte …

K.O.-Tropfen, Geheime Dokumente. Brisante. Um sie soll es gegangen sein zwischen Gärtner und Murandi. Die Konsulatsmitarbeiterin Lena Hechfellner glaubt zu wissen um welche Informationen es im Austausch zwischen den beiden gegangen ist und gerät Ratz Fatz ebenfalls ins Fadenkreuz der chinesischen Behörden.

Über Shanghai und diesem Szenario schwebt ein A380 der Deutschen Bundesregierung. An Bord, die Bundeskanzlerin und ihr Stab. Die Information, das ein deutscher Journalist verhaftet worden ist, erreicht sie noch in der Luft. Alle Störantennen gehen auf Empfang. Womit war für diesen China-Besuch zu rechnen?

Stephan Schmidt, geboren 1972 in Biedenkopf/Hessen, tourte als Student ein Jahr durch China, Taiwan und Japan, promovierte in Philosophie, arbeitet und lebt heute mit seiner Frau in Taipeh. Bereits fünf Romane hat er veröffentlicht, mit dreien davon stand er auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises unter seinem Pseudonym Stephan Thome. Sehr gerne gelesen habe ich seinen Gott der Barbaren und zuletzt Pflaumenregen (ich verlinke im Beitrag unten hinter den Covern meine Besprechnungen und/oder weiterführende Links dazu), die beide ebenfalls in Asien, in China & Taiwan spielen. Die Printfassung von Die Spiele im Dumont Verlages ist noch druckfrisch und zeitgleich mit der Hörbuch-Fassung am 15.2.24 erschienen.

Die Bewerbung Afrikas für die “Spiele der Hoffnung”, wie sie hier sagen, bildet den Absprungpunkt für diese Geschichte. Drei afrikanische Staaten, darunter Mosambik, sind im Rennen bei der Vergabe dieser olympischen Spiele. Ein deutscher Journalist, der ohne Visum unterwegs ist und sich nicht als solcher zu erkennen gegeben hat, will unbedingt und genau hier, in China, den mosambikanischen IOC-Funktionär treffen. Als dulde diese Zusammenkunft keinerlei Aufschub.

Die deutsche Bundesregierung, findet keinen Grund sich für eben diesen Journalisten einzusetzen, als er verhaftet wird. Die Presse, sein Arbeitgeber inklusive, wittert indes DIE Story. Sascha Daniels vom Spiegel nimmt dafür die Fährte auf. Bändelt mit der Diplomatin Lena Lechfellner an, seiner Quelle, die Gärtner, der in ein Internierungslager verlegt wurde mehr als gut zu kennen scheint. Stephan Schmidt holt aus und erzählt uns wo Lena und der inhaftierte Gärtner sich kennengelernt haben, nimmt uns mit nach Mosambik.

Als Leser:in wird man hin und her geschubst zwischen doch sehr vielen Rückblenden. Mal sind sie kürzer rund um den Tatzeitraum herum aufgereiht, mal führen sie weit zurück in die Vergangenheit. Ein Staatsbetrug an mosambikanischen Fremdarbeitern in den letzten Tagen der DDR wird thematisiert, Fremdarbeiter wurden entliehen und um ihren Lohn betrogen, Korruption blüht. Schuldige duckten sich gekonnt weg. Die Investitionen Chinas in Afrika, Restriktionen die im Kleingedruckten von Verträgen auftauchen, Chinas ehemalige Ein-Kind-Politik, Verfolgung, Überwachung, Strafen und Willkür, der Umgang Chinas mit nicht Systemkonformem, Staatsgeheimnisse in Händen ausländischer Jorunalisten, immer mehr Themen werden parallel verhandelt.

Irgendwie wollte mir dabei nicht gefallen wie unprofessionell die beiden Journalisten Gärtner und Daniels agieren und ihre Buhlschaft um die attraktive Konsulatsangestellte Lena ist schon arg platt geraten. Sex and Crime mag sich ja vielleicht gut verkaufen, hier wirkten die expliziten Szenen auf mich sterotyp und so scherenschnittartig gezeichnet, dass mir zwischen all den Männerfantasien auch die Figuren fremdblieben. Allen voran Frau Lechfellner. Was ich von einem Stephan Schmidt alias Thome ganz anders kenne, steht er doch sonst für mehr Tiefe und Facettenreichtum bei seinem Personal. Auch bleiben diesem die exotisch gewählten Schauplätze seltsam blass, wähnte ich mich in seinem Pflaumenregen noch auf einer Fernreise.

Deutlich wird, wie es sich anfühlen muss als Ausländer, wenn auch als Diplomat:in oder Journalist:in in China zu leben und auch die vielleicht nicht wirklich vorhandene Ermittlungsfreiheit Einzelner innerhalb der chinesischen Polizei fand ich glaubwürdig. Ich komme nicht umhin, diesen Kriminalroman mit dem zuletzt von mir zuletzt gehörten Spionagethriller von Andreas Pflüger zu vergleichen. Leider muss ich sagen, da kann Schmidt nicht mithalten. Er schafft es nicht einen stabilen Spannungsbogen aufzubauen, inhaltlich und selbst sprachlich hat für mich Pflüger mit seinem actionbetonten, aber exzellent recherchierten Plot die Nase vorn. Warum bloß lässt Schmidt einen Protagonisten hinter gefühlt jedem zweiten Satz hier “fick die Schwiegermutter” sagen? Soll das cool sein? Ist es für mich nicht und ich finde, selbst Kraftausdrücke lassen sich besser einsetzen. Schade. Das hätte was werden können mit mir und diesem als literarisch gedachten Shanghai/Mosambik-Krimi, denn die Kern-Idee ist gut, die Verbindungen die Schmidt final aufdeckt ebenfalls, die aufgezeigte Übergriffigkeit eines Staatsapparates der seine Interessen zu schützen sucht und der dabei den Wert eines Menschenlebens nicht bemisst sind nachvollziehbar eingebaut.

Letztlich ist ein Roman immer auch Geschmacksache, in diesem Fall hat Die Spiele meinen nicht getroffen. Häufig ertappte ich mich dabei, wie meine Gedanken abschweiften. Immer wieder musste mich Torben Kessler dann zurückholen, was er mühelos schafft. In meiner Entscheidung die Geschichte zu hören und nicht zu lesen fühle ich mich daher bestätigt. Schmidts politische Krimispiele dauern in der ungekürzten Hörbuchfassung rund zwölf dreiviertel Stunden und ich bedanke mich an dieser Stelle beim Team von DAV Der Audio Verlag für das Besprechungsexemplar. 

Torben Kessler, deutscher Schauspieler, geboren 1975 in Bielefeld, Vollprofi und im Hörbuch gut gebucht, ist für mich kein Unbekannter. Von ihm habe ich mir bereits u.a. Das Museum der Welt und Unter der Drachenwand vorlesen lassen und seine Art des Vortrages jeweils sehr gern gemocht. Mit den teils derben Bemerkungen von Schmidts Helden geht Torben Kessler hier genauso professionell um wie mit dem Rest des insgesamt dialoglastigen Textes, der durch die Rückblenden beim Hören Konzentration erfordert. Kessler holt aus der Geschichte raus was geht, versucht Höhen und Tiefen hinein zu geben, überbrückt Längen in einem Krimiplot, den ich als gewissenhaft ausgearbeitet, aber als nicht packend empfunden habe und ich glaube, hätte Torben Kessler ihn nicht für mich gelesen, dann wäre ich nicht bis zum Ende drangeblieben. Das Ende für sich genommen hat dann wieder was. Damit ein Dankeschön an Torben Kessler!

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