Die Gärten der Literaten (Jackie Bennett)

Si hortum in bibliotheca habes, deerit nihil. <Wenn Du einen Garten hast und dazu eine Bibliothek, fehlt es dir an nichts>, schrieb der Philosoph Marcus Tullius Cicero einst in einem Brief. Die deutsche Übersetzung dieses Satzes hinkt ein klein wenig, aber ich habe sie trotzdem ins Herz geschlossen. Was hatte Cicero seinerzeit konkret zu diesem Satz veranlasst? Gab es einen Anlass? Mit dem Tod seiner Tochter Tullia, lese ich in einem Artikel, die nach der Geburt ihres zweiten Kindes starb, erfasste ihn eine tiefe Trauer und gleichzeitig wuchs eine Idee in ihm. Eine, die für die damalige Zeit mehr als ungewöhnlich war. Er wollte nicht wie üblich in einer Nekropole seiner Tochter gedenken, sondern er plante die Anlage eines Garten nebst Tempel um sich dort an sie zu erinnern. Nicht nur Cicero sondern auch viele namhafte Literaten fühlten sich mit ihren Gärten verbunden oder verbrachten schreibend viel Zeit in ihnen. Habt ihr Lust auf einen Spaziergang? Dann kommt, ich lade Euch ein, nehme ein paar Innenansichten vorweg, damit ihr wisst wohin die Reise geht, die herrlichen Fotos im Buch sind überwiegend von Richard Hanson

Die Gärten der Literaten von Jackie Bennett 

In alphabetischer Reihenfolge, sortiert nach Nachname der Autor:innen, öffnen sich in dieser Augenweide von einem Bildband aus dem Gerstenberg Verlag für uns Leser:innen nach dem Aufschlagen reihum die Gartentore.

Wie wunderbar, auf diese Weise Mäuschen spielen zu dürfen und sich beim Stöbern zwischen Blüten und Beeten eine innere Besuchswunschliste anzulegen. Schaut mal weiter:

Es geht gleich zu Beginn beim Buchstaben A, wie Alcott, in die Ferne. Unser erster Halt ist in Massachusetts, hier betreten wir den Garten von Orchard House. Am “Obstgartenhaus” besuchen wir das ehemalige Zuhause von Louisa May Alcott, der Autorin von <Little Women>, ein Roman der autobiographische Züge trägt. Vierzig Apfelbäume trugen hier mit zum Unterhalt der Familie bei, ihr Blütenmeer im Frühjahr sehe ich förmlich vor mir, höre das Summen der Bienen, Nektar liegt in der Luft. An einem halbmondförmigen Schreibtisch, den der Vater ihr geschenkt hatte, am vielleicht offenen Fenster, begann Louisa May Alcott hier ihr Schreiben.

Jane Austens Figuren kennen wir agiernd, wandelnd oder werkelnd in Gärten. Ein Roman von ihr ohne ein Garten ist undenkbar, das Anwesen auf dem die Autorin viele Jahre in einem Cottage, dem Chawton House lebte ist malerisch, es könnte in jedem Fall Kulisse ihrer Romane sein, mit denen Austen zeitlebens so gut wie nichts hatte verdienen können. Ist das zu glauben?

Jenseits von Afrika, in Rungstedlund, auf dem Gut ihrer Eltern, verbrachte die gesundheitlich ruinierte Tania Blixen ihre zweite Lebenshälfte. Wer kennt ihr Schicksal nicht und wenn es nur durch die Verfilmung mit Meryl Streeb, Robert Redford und Klaus Maria Brandauer ist. Mit Mitte Vierzig kehrte sie krank als geschiedene Baronin aus Afrika zurück. Ihre Farm in der Nähe von Mombasa hatte sie nicht halten können, Kaffee wollte dort nicht wachsen, so bewahrte sie am Ende den elterlichen Garten am Öresund, legte selbst Hand an, soweit ihr dies möglich war, wurde dort zu Füßen einer mächtigen Buche beigesetzt. Diesen Platz hatte sie sich bereits zu Lebzeiten ausgesucht und bis heute sollen hier ihre Lieblingsblumen blühen. Was für ein schöner Gedanke!

Nachdem ich im ummauerten Garten von Frances Hodgson Burnett, der Autorin von <Der kleine Lord>, in Great Maytham Halle nur zu gerne eine Weile im Schatten gesessen bin, geht meine Tour de Jardin weiter und beim Buchstaben C angekommen, biege ich ab am River Dart nach Greenway zum Refugium von Agatha Christie. Das in gleich drei ihrer Kriminalromane vorkommt. Wer könnte das nicht verstehen, diese Kamelien und die gewaltige Magnolie beim Haus, die Rhododendren, hier will ich auch her und bleiben bis zuletzt. Denn am Abend, wenn alle Besucher fort sind, soll man sie hier noch spüren können …

Ein Garten ist immer geprägt von Vergänglichkeit, er lässt sich nicht konservieren und ist wenn als lebendiges Denkmal geeignet, das seiner Art wegen dem beständigen Wandel unterworfen ist. Es braucht viele fleißige Hände um ihn zu erhalten, den Geist zu bewahren in dem er angelegt worden ist. Den zahlreichen namenlosen Gärtnern und Gärtnerinnen, die dies für uns auch mit den hier vorgestellten Gärten tun, sie bewahren, die der Verwilderung die Stirn bieten, manchmal auch bewußt nicht, hat Jackie Bennett ihren Bildband gewidmet. 

Der Fotograf, mit dem Bennet zusammengearbeitet hat ist Richard Hanson. Er hat bereits zahlreiche Gärten bekannter Garten-Autoren fotografiert, arbeitet für Magazine und Verlage sowie für den National Trust. Häufig sind es auch seine Bilder die wir sehen, wenn von der berühmten der RHS Chelsea Flower Show oder dem Internationalen Gartenfestival in Chaumont-sur-Loire berichtet wird.

Jackie Bennett, lebt in Norfolk, die ehemalie Filmautorin und Produzentin hat Gartenarchitektur und Landschaftsgeschichte studiert und bereits einige Gartenbücher veröffentlicht für die sie mehrfach ausgezeichnet worden ist. Auf der Seite ihres deutschen Verlages, dem Gerstenberg Verlag, ich bedanke mich an dieser Stelle sehr herzlich für dieses Besprechungsexemplar, lese ich von Shakespeares Gärten, Die Gärten der Künstler und Gärten der Inseln. Da werde ich mir wohl eine Sammlung anlegen müssen!

Ihr anekdotisches Erzählen, ihre akribischen Recherchen, die lehrreichen Einwürfe biografischer Details aus den Leben der Dichter:innen und Autor:innen, die Auswahl der vorgestellten Gärten ist so unfassbar gelungen, dass das Durchblättern dieses gewichtigen Coffeetablebooks riesig Freude macht und wie ein kleiner, die Seele streichelnder Urlaub ist. 

Ich habe nicht mitgezählt, aber die Anzahl der vorgestellten Literaten nebst Gärten ist verblüffend und reicht räumlich von Europa bis über den großen Teich. An Ernest Hemmingway beispielsweise hätte ich beim Thema Garten zuletzt gedacht. Wie Frau sich doch irren kann. Mit Hermann Hesse hingegen verbinde ich sofort das leidenschaftliche Gärtnern. Sein Haus mit Garten in Gaiendorf am Ufer des Bodensees habe ich immer noch nicht besucht. Ab auf den Zettel! Über Johann Wolfgang von Goethe wusste ich nicht, das er gemeinsam mit Herzog Carl August in Weimar einen Park und einen Garten gestaltet hat, der auf der UNESCO Weltkulturerbeliste steht. Apropos Liste, das ist wieder ein Garten für meine Reise-Wunschliste.

Die vielleicht unglaublichsten Fotos habe ich im Kapitel über den Lyriker, Kunstsammler und Designer Edward James gefunden, der 1947 auf einer 37 Hektar großen Kaffeeplantage, rund 440 Kilometer nördlich von Mexiko-Stadt, mitten im Dschungel begann einen Ort zu erschaffen, wo er mit der Natur, seinen Orchideen und der Lyrik allein sein wollte. Über zwanzig Jahre hegte er die Anlage, bis – unglaublich aber wahr, im Winter 1962 ein drei Tage lang währender Schneefall alles erfrieren ließ. Aber James gab nicht auf, erschuff mit einem Heer von Steinmetzen und Maurern ein neues Reich. Nebelverhangen wurden so Säulen aus Beton lebendig. Unfassbar, ein Traumziel!

Rudyard Kipling, Henry James, Jack London, Thomas Mann, George Sand, Walter Scott (was für ein Herrenhaus!), Leo Tolstoi, Virginia Woolf und viele andere mehr habe ich so besucht. Mir viel mitgenommen, gestaunt über Lebensumstände von denen ich nichts wusste, über Schicksalhaftes und Schönes. Überhaupt ist es das Schöne und die Muße des Augenblicks, die in diesem Buch eingefangen wurden. Ein Schmuckstück mit dem man sich selbst beschenken kann oder eine liebe Gartenfreundin, einen Gartenfreund. Niemand, auch der nicht, der sich wie ich viel in Gärten herumtreibt, kann hier nichts neues entdecken und die Verquickung mit den Helden unserer Bücherwelt ist schlicht grandios. 

Wir dürfen verwunschene Gärten betrachten, wilde, exotische und gepflegte Gärten. Wiederentdeckte und sehr geliebte Gärten, in denen geschrieben, gedacht, gelacht und vielleicht auch gewütet und geweint worden ist. In denen Helden und Heldinnen geboren wurden, die wir kennen, lieben oder vielleicht auch hassen.

Diese Gärten sind Oasen des Lichts und des Schattens, in denen sich die Schriftsteller:innen wohl gefühlt haben, denen wir all die Geschichten verdanken, die wir so verehren.

Kommt, nehmt noch einmal Platz an der Seite von William Faulkner, der am liebsten im Garten unter einem Baum saß um zu schreiben, bevor ihr zuletzt einkehrt bei Émile Édouard Charles Antoine Zola in Médan im Département Yvelines in der Region Île-de-France.

Die letzten Seiten sind umgeblättert, Sehnsucht und Reiselust lassen mich die ganze Zeit über schon zappeln. Ich schlage das Buch zu und wieder auf. Halte Ausschau nach einem Platz, wo ich es einsortieren, gut sehen und immer wieder zur Hand nehmen kann. Finde eine kleine Staffelei aus Holz, die mein Vater, der mir einen halben grünen Daumen vererbt, für mich gezimmert hat. Denke an ihn. So passt es perfekt. Papa, dieses Buch hätte dir auch gefallen! 

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