… 12 unweihnachtliche Weihnachts-Geschichten.
Mittwoch, 06. Dezember 2017 – Nikolausi-Tag 😉.
Ja, ja ich gebe es ja schon zu. Hier hat der älteste aller Tricks bei mir hervorragend funktioniert. Das Cover ist’s eindeutig Schuld, das mich dieses Büchlein förmlich angesprungen hat und NEIN, die Geschichten sind nicht “errodisch”. Dem Weihnachts-Trubel mit Humor begegnen, das klingt doch auch nicht nach der schlechtesten Idee, oder?
Für mich zumindest, die ich doch jedes Jahr live “auf Arbeit” erleben darf, was der “Geschenke-Such und der Was-koch-ich-bloß-Stress” mit uns Menschlein so machen kann. Da wird geschimpft, gekeift und gedrängelt. Geschubst, überholt und gequengelt. Es werden mehr Pakete zur Post zurück geschleppt, als der Bote einst brachte.
Der “gute Geist” der Weihnacht, der Zauber – wo ist er bloß hin? Wo liegt bei all der Eile denn eigentlich der Sinn? Wie befreiend es ist, wenn man die Hektik nur kurz auf Seite mal schiebt, gemeinsam laut lacht. Ein gutes Wort für den Verkäufer, die Kassiererin, den Postboten übrig hat. Oft lächelt es dann tatsächlich zu uns zurück – ist das nicht das eigentliche Glück?
Harald Martenstein ist einer der Lieblings-Autoren von Jürgen von der Lippe, in seinen Sendungen hat er stets regelmäßig und meist selbst Tränen lachend von ihm vorgelesen. Ironisch, humorvoll, teils bissig immer zeitkritisch, schreibt Martenstein, gebürtig in Mainz, seit Jahren Kolumnen u.a. für die Zeit und den Tagesspiegel. Er polarisiert, teils unterstellt man ihm das Genre Männerliteratur zu stark zu bedienen, als “Mario Barth” für die Zeit-Leser hat man ihn schon betitelt. Da muss man sich doch einen eigenen Eindruck verschaffen, oder? Warum nicht mit diesem Büchlein hier.
Die Illustrationen (auch das Cover) stammen von Rudi Hurzlmeier.
Also, auf geht’s, hier kommen ein paar ausgewählte Text-Schnippsel, als Appetithappen:
Freuet Euch, Bernhard kommt bald!
- Der Weihnachtsmörder Teil 2:
Eine Reihe von Mordfällen hält eine Sonderkommission der Polizei in Atem. Immer schlägt der Täter an Weihnachten zu, kostet die Beamten den Feierabend und die Opfer das Leben:
Textzitat S. 109. Ästhetisch habe ich mir nichts vorzuwerfen. ich habe immer versucht, kreativ zu sein und auf der Höhe der Zeit. Ich bin auch nicht grausam. Gegen diesen Vorwurf wehre ich mich. Bei mir geht es für die Opfer immer ganz schnell. Wenn die eines natürlichen Todes gestorben wären, Krebs, Schlaganfall, dann hätten sie deutlich mehr Stress gehabt. Gut, ich habe ihnen ein paar Jahre gestohlen, aber Schmerz und Leid habe ich ihnen, unterm Strich, eher erspart. Ich finde, bei einem sogenannten Mord muss man eine Tatsache immer berücksichtigen: Die Leute sterben irgendwann sowieso. Ich tue also nichts, was unnatürlich oder widernatürlich wäre. Die Opfer erleiden keinen Nachteil, den sie, ohne mich, nicht ebenfalls erlitten hätten. Ich bin hundertprozentig bio …
- Das Weihnachtsbaumwunder
Wer kennt das nicht, der Baum den man ausgesucht hatte sieht in der Wohnung irgendwie nicht mehr ganz so gut aus. Mit der Größe hatte man sich verschätzt, vom Umfang her wird es eng in der Fernsehecke und war der Stamm eigentlich vorgestern auch schon so schief?
Textzitat, S. 68. Aber in dem Moment, in dem der Baum die Wohnungsgrenze überquert, ist er nicht mehr irgendein Baum, ein Baum, den man objektiv betrachtet, nein, es ist der Baum, den der Holger ausgesucht hat und der wieder einmal nicht der richtige Baum ist …
- Das Fest, etwas später
Weihnachtsabende im Kreis der Familie, endlich. Dieses eine Mal im Jahr wenigstens kommen alle zusammen. Alle Marotten und Eigenheiten haben sie im Gepäck, ungebremst prallen Weltsichten aufeinander, waren die Schwiegereltern eigenlich immer schon so schrullig?
Textzitat, S. 101. Gudrun starrte ihn an. Dann riss sie ihm die Zigarre aus dem Mund. Sie hatte rote Flecken im Gesicht. “Papa”, schrie Gudrun, “das kannst du echt nicht machen”. Rainers Vater mochte es nicht, wenn man ihn “Papa” nannte. Aber er schwieg, um des lieben Friedens willen. Rainers Mutter dagegen sagte:”Wie wäre es, wenn du deinen Schwiegervater mit seinem Namen anreden würdest? Oder hast du den vergessen?”. Gudrun sagte: “Siehst du denn nicht, dass er versucht, einen von den Grissini zu rauchen? Rainer, tu doch was!” …
Nein, keine Sorge – dies ist im Grunde seines Herzens kein Anti-Weihnachtsbuch. Martenstein beleuchtet auf seine Weise, was bedeutet Familie heute? Den Begriffen Liebe und Frieden spürt er ebenfalls nach. Er beleuchtet weihnachtliche Job-Modelle, wie den Weihnachtsmann-Stripper, der sich auf Betriebsfeiern durchschlägt. Überträgt “Die heilige Familie” mal in die Gegenwart und versteht “Das Neue Testament” einfach mal juristisch. Ohne Sarkasmus geht es bei Martenstein nicht, stimmt – dafür sind seine Geschichten herrlich pointenreich, kurzweilig und unterhaltsam. Nachdenklich kann er auch, hintersinnig und überraschend – diese Geschichten passen für alle, die Weihnachten einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten wollen.
In diesem Sinne – habt einen schönen Nikolaustag und immer locker durch die Hose atmen 😉!
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