Ein Mann der Kunst (Kristof Magnusson)

Sprechen Bilder zu Euch? Also zu mir schon. Oder eben nicht. Das ist das was ich an bildender Kunst so mag und auch an gegenständlicher, skulpturaler. Man kann sich so schön an ihr reiben. Gedanken an ihr entzünden, sich die Köpfe heiß diskutieren. Sich so herrlich uneinig sein. Manchmal rührt sich da was bei mir. In der Tiefe. Manchmal lässt sie mich auch kalt. Je nach Stimmung sind mir die Alten Meister lieber als die Moderne und ein anderes Mal ist es genau umgekehrt. Da stoße ich mich am liebsten an Kanten und Formen, an schreienden Knallfarben, an Abstraktion. Nicht das ich viel Ahnung hätte, manches lese ich mir an. Meistens aber bin ich nur ein ganz normaler Betrachter. So wie ich auch eine ganz normale Wald- und Wiesenleserin bin und keine Literaturkritikerin. Ich darf einfach Gefallen an etwas finden, oder eben auch nicht …

Ein Mann der Kunst von Kristof Magnusson

Ein Museumsanbau für den sogar Regierungsgelder bewilligt werden könnten? Na, das lässt sich doch hören und die Herzen der kunstbegeisterten Förderkreis-Mitglieder einer kleinen aber feinen Sammlung höher schlagen. Wenn da nur nicht diese Idee wäre, die gleichzeitig auch zur Bedingung wird, mit diesem Neubau in Deutschland ein Novum einzurichten, die hier gezeigte Ausstellung soll einem einzigen Künstler gewidmet werden. Wer das sein soll, das weiß man schon, aber der Gute ist nicht unumstritten und streitbar und wehrhaft ist er auch. Wie ihn gewinnen? Der in Frage kommende Künstler, lebt zurückgezogen auf einer Burg im Rheingau. Ist bekannt dafür seit Jahren keine Besucher zu empfangen. Er schafft was er schafft im Verborgenen und schießt auch schon mal eine Drohne ab, wenn er meint sie würde sein Gelände überwachen. Ihn als schwierig beschreiben, das könnte man, aber es steht zu befürchten, das auch das eine Untertreibung ist.

So kam es, wie es kommen musste und das der Förderverein des Museums Wendevogel von Frankfurt am Main aus gen Rheingau reiste. Denn der Einsiedler von Burg Ernsteck hatte tatsächlich zugestimmt sie einzulassen, auch in sein Atelier. Wo Kunstwerke lagerten, die bislang nicht einmal sein Galerist, ein enger Freund, gesehen haben soll. Na ja, irgendwie, also so gut wie, hatte er zugestimmt …

Also zu dieser Förderverein-Reise wäre ich auch gerne aufgebrochen. Eine Burg erobern, die für die Öffentlichkeit sonst tabu ist? Aber immer! Aber gerne! Aber bitte doch! Wann geht’s los? Jetzt geht’s los, aber so richtig und wenn ich ehrlich bin, habe ich es schon geahnt als diese bunte Truppe da in den Bus eingestiegen ist.

Erst zuckeln sie noch Goethe zitierend gemächlich und einträchtig ihrem Begegnungsabenteuer mit diesem Ausnahmekünstler entgegen. Dann aber ziehen alsbald schon dunkle Streitwolken auf. Denn die erste Begegnung mit Malerfürsten und Burgherren und die Tatsache das von einem Besuch in seinem Atelier nie die Rede gewesen sei, erhitzt die Gemüter gewaltig. Er ist aber schon auch sehr unleidlich der Herr Künstler aber muss es denn ausgerechnet Ingeborg sein, Mutter des Ich-Erzählers und Psychologin, die ihr Idol vor allen brüskiert? Was ist denn bloß in sie gefahren? Das hätte sie doch jetzt professioneller nehmen müssen! Diese Ingeborg, also die mochte ich jetzt wirklich. “Das erste Opfer seiner Kunst ist man selbst”. Sagt sie und ich finde, sie hat es einfach drauf!

Die Kunst ist genauso kaputt wie die Gesellschaft. Alles habe damit angefangen, als alle nur noch und dauernd mit gesenktem Kopf auf ihre Telefone zu starrten. So schimpft der Maler lauthals, da waren sie noch gar nicht richtig angekommen. Weswegen er sich auch nicht als Künstler sondern als Handwerker verstehe. Aha. Früher war man noch sozial, heute ist man social media. Man mache zwar ein Foto finde aber nicht mehr die Zeit es sich auch richtig anzusehen. Wo habe da ernsthafte Kunst noch ihren Platz? Wenn man aus der Isolation auftaucht kann man dann überhaupt noch mit anderen angemessen umgehen? Also der Herr hier hat es scheinbar verlernt.

Kristof Magnusson, geboren 1976 in Hamburg, ausgebildeter Kirchenmusiker, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, veröffentlicht Romane und Theaterstücke, arbeitet als Übersetzer aus dem Isländischen und wo bitte hat er sich so lange vor mir versteckt? Sein Diskurs, seine Dialoge haben mir so richtig Spaß gemacht. Davon will ich mehr!

In Ein Mann der Kunst verteilt er reichlich Seitenhiebe, auf den Kunstbetrieb, auf Förderer und Sponsoren, das tut er so pointiert, das es eine wahre Wonne ist. Diese bunte Truppe da aus Extrem-Pädagogen, berenteten Geistlichen, Industriemagnaten nebst Bernhardiner ist der Knaller. Nicht nur einmal, besonders wenn die kollektive Empörung zunahm, fühlte ich mich an Loriot erinnert, der brillianten Wortwechsel wegen. Kennt Ihr noch die Herren im Bad? Ich sag nur: Herr Müller-Lüdenscheid, Dr. Klöbner … Köstlich!

Schöne Sprachbilder findet Magnusson auch. Vor der Welt da draußen einfach mal die Zugbrücke hochziehen. Sich in eine selbstgewählte Eremitage begeben. Spaziergänge unter sengender Sonne. Steile Weinberge. Da kann man zu Einsichten kommen, die einem sonst verwehrt bleiben. Der Schieferboden flirrt vor mir in der Hitze aber mein Blick ist klar. So wie der unserer Hauptfigur hier, die mehr und mehr an Durchblick gewinnt.

Im Auto sitzen und Bundesliga im Radio hören. Zwischen den Torschüssen ein Abgleich zweier Weltsichten. Zwei Männer unter sich. Wenn man seinem Idol life begegnet verliert es dann an Glanz oder gewinnt es an Tiefe, erhält es einen neuen aufpolierten Schimmer? 

Ich stelle fest, dass ich nichts weiß. Gegen diese kunstverständigen Fördervereinsmitglieder und andere Berufene wandele ich wirklich durch das Tal der Ahnungslosen. Also was Kunst anbelangt und das was man in sie hinein interpretieren oder aus ihr herauslesen kann. Ich gehe da immer ganz anders vor, lasse Bauch und Herz sprechen, weniger den Kopf. Nichts desto trotz, oder vielleicht genau deshalb hat mir Magnussons Blick auf diesen Zirkus so gut gefallen. Ein bisschen Karikatur, eine Prise Satire, so habe ich seinen Roman verstanden, auch wenn es nicht so beabsichtigt gewesen sein mag. Respektive ist. Aber jetzt halte ich es mal so wie mit der Kunst. Darf nicht jeder beim Lesen das empfinden was er mag? Doch. Das will ich meinen.

Uneingeschränkt teile ich Magnussons Blick auf den Vater Rhein in seinem Bett und auf die Rheinromantik. Ich liebe diesen Fluss, die Unterschiedlichkeit der Landschaften die er durchschneidet. Wenn ich auf ihm unterwegs sein darf, habe ich immer das Gefühl zu neuen Ufern aufbrechen zu dürfen. Er weitet mir den Blick … Verzeihung, ich schweife ab. Aber auch dafür, dass er meine Gedanken auf eine Reise geschickt hat, dafür mochte ich diesen Roman.

Womit ich wieder beim Punkt wäre. Was mir auch so richtig Laune gemacht hat war das Schimpfen. Ja, genau. Dieser Maler, groß, weiß gekleidet, die Brille gelb (dieser Mann IST eine Erscheinung!), wettert eigentlich auf alles in der Welt. Ein rechter Schwarzmaler, ein passionierter Kulturpessimist ist er und die Figur gewinnt durch ihn noch an Kontur, er ist der Herr im Hörbuch-Ring und in dieser für mich ausgezeichneten Hörbuch-Fassung:

Devid Striesow, geboren 1975 in Rostock, deutscher Film-und Theaterschauspielerunterhält mich hier 6 Stunden und 15 Minuten lang auf ganz hohem Niveau. Den humorvollen Grundton der Geschichte weiß er hervorragend in Szene zu setzen. Ich habe schon einiges von ihm gehört, und freue mich immer auf neues, denn er ist stets mit Leidenschaft bei der Sache.

Also diesen Streit im Bus unter den Museumsleutchen, über die Förderung an sich und darüber, ob sich ein Künstler beim Erstkontakt mit seinen Fans so verhalten darf, diesen Streit managt Striesow so, ich werf’ mich gleich weg. Die Bälle fliegen hin und her wie Geschosse, oder sollte ich besser sagen wie Giftpfeile? Also sucht da mal lieber Deckung! Unversehrt und unbeschadet habe ich dieses Intermezzo gerade überstanden, da steht auch schon das nächste Problem ins Haus.

Mal schnippisch, mal höhnisch, mal mega ironisch die Palette seiner Sprachkunst ist so farbenfroh wie ein Gemälde von Andy Warhol und als Fussball-Radio-Moderator ist er nicht mehr zu toppen. Dann wird er auch schon gleich wieder nachdenklich, das ist aber auch ein Hör-Drehbuch, Menschenskind. Dieser Auf-und Abschwung der Magnussonschen Gefühlswelt die liegt ihm, keine Frage. Also ich bin sehr froh, dass ich mich für die Hörfassung dieses Textes entschieden habe. 

Also, wer die Wahl hat … entscheidet Euch, für das Lesen oder das Hören. Aber entscheidet Euch bitte für diese Geschichte, denn hier kann man mittendrin statt nur dabei sein, und das ich bis ins Guggenheim Museum nach New York komme, das übertraf sogar meine Erwartungen. Bravo dem Duo Magnusson/Striesow!

Mein Dank geht an den Verlag Antje Kunstmann für dieses Rezensionsexemplar.

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