Die Geschichte des Wassers (Maja Lunde)

Sonntag, 08.07.2018

Wasser rein und klar, der Treibstoff allen Lebens. Dort wo es reichlich vorhanden ist, gedeihen Mensch, Tiere und Pflanzen. Wo es fehlt herrschen Dürren, Hunger und Not. Obwohl wir all dies wissen, gehen wir nicht gerade sorgsam mit dieser so wertvollen Ressource um. Unsere Meere sind zugemüllt mit dem Plastik unserer Wohlstandsgesellschaften, Böden sind überdüngt, Stickstoff und Schwermetalle gelangen in unser Trinkwasser. Reste von Medikamenten verlassen trotz zahlreicher Filter und eingesetzter Mikroorganismen unsere Klärwerke und landen wieder in unserer Nahrungskette. Coli Bakterien und andere mikroskopisch kleine Killer im Wasser lösen Epidemien aus.

In diesem Sommer wurden bereits viele Ortslagen in Deutschland durch Starkregen und bei Gewitterstürmen regelrecht geflutet. Schlammlawinen und dicke Hagelschichten bedeckten ganze Dörfer. Angesichts solcher Naturgewalten beginnen wir wieder über den Klimawandel zu diskutieren, der den einen wahre Wassermassen und den anderen Knochen-Trockenheit beschert. Letzte Woche sah ich mich selbst auf dem Heimweg plötzlich inmitten einer Gewitterfront, ich musste rechts ran fahren, weil sich die Gullideckel vor mir hoben, das Wasser sich wirbelnd um meine Reifen schloß und daumendicke Hagelkörner mir die Sicht nahmen.

Unser blauer Planet ächzt und wir leben lieber mit den Fingern in den Ohren? Während Politiker streiten um das ewige “wer recht hat” und wir weiter machen wie gewohnt und schlimmer, tickt die Klima-Uhr …

Maja Lunde hat mit ihrem Roman “Die Geschichte der Bienen” bereits mahnend den Finger erhoben und aufgezeigt, was es bedeuten würde, wenn bestäubende Insekten von der Bildfläche verschwinden. Vielen hat sie damit aus der Seele gesprochen, wo sich doch in der Natur genau dieser Effekt schon jetzt mehr als deutlich ablesen läßt. Auch in unserem Garten sind die kleinen geflügelten Besucher schon lange nicht mehr so zahlreich wie noch vor Jahren. Welche Sicht hat Lunde auf unseren kostbarsten Rohstoff? Hören wir mal rein in,

Die Geschichte des Wassers

“Nichts hielt das Wasser auf, man konnte es den Berg hinab zum Fjord verfolgen; vom Schnee, der aus den Wolken fiel, und sich auf die Gipfel legte, bis zum Dampf, der aus dem Meer aufstieg und wieder zu Wolken wurde. Jeden Winter wuchs der Gletscher, er sammelte den Schnee, jeden Winter wuchs er, wie es sein sollte und jeden Sommer schmolz er, leckte, gab Tropfen frei, die zu Bächen wurden und ihren Weg nach unten fanden, von der Schwerkraft angezogen, und die Bäche sammelten sich, wurden zu Wasserfällen und Flüssen.” (Textzitat)
2041. Zu Flüchtlingen waren sie geworden. Fünf Jahre Dürre, eine unbarmherzige Sonne, die alles Wasser in den Ländern im Süden verdampft hat und sich jetzt an ihnen, den übrig gebliebenen Menschlein abarbeitete. Wenn er seine kleine Tochter betrachtete und daran dachte, wie wohlgenährt sie einst gewesen war, machte es ihm sein Herz schwer. Seine Frau hatte recht, sie mussten weg gehen. Die Flucht hatte sie jetzt getrennt, Ana seine Frau mit Baby Auguste von ihm David, und Lou ihrer siebenjährigen Tochter. In diesem Lager weit nördlich, hoffte er Ana wiederzufinden, hier hatten sie sich treffen wollen, sollten sie sich unterwegs verlieren.

Die Länder im Norden, wie zweigeteilt war die Welt. Stürmen, schwerem Regen und Wassermassen war er ausgesetzt. Der Süden hingegen erinnerte mehr und mehr an einen Wüstenplaneten. Aufgrund der anhaltenden Hitze standen die südlichen Länder permanent in Flammen. Alles verzehrende Feuer knistern in der Trockenheit. Die Menschen verlieren an das Feuer Hab und Gut, Freunde und Verwandte. Die Meere überwärmt, ausgestorben und leer gefischt. Das kostbare aus ihnen gewonnene Salz bedeutete plötzlich den Tod. Es war nicht mehr länger, der Garant für Arbeitsplätze, das weiße Gold von einst um das Kriege geführt wurden. Das Wasser des Meeres war das einzige das ihnen noch geblieben war, und es war nicht trinkbar. So verzweifelt, so durstig waren sie, dass sie selbst einen Lappen getränkt mit rostigem Wasser aus- und mit ihm tödliche Keime einsaugten …

Wochenlang nicht duschen, nicht waschen, das Wasser streng rationiert. Starrend vor Schmutz und Schweiß, die ersten Krankheitserreger nisteten sich auf der Haut ein. Kleidung waschen zu können, war Luxus pur.

2017. Der Fjord lag ruhig, glitzernd und blau im Tal. Die steilen Berghänge links und rechts spiegelten sich in ihm. Signe wollte nach all den Jahren noch einmal zu ihm aufsteigen, dort angekommen wurden ihr die Augen feucht. Über dem Eis ihres Gletscher machten sich Hubschrauber zu schaffen, mit schwerem Gerät schnitt man es ab und heraus. Es wurde abgetragen um es teuer zu verkaufen, die Drinks reicher Scheichs kühlte es heute statt den Wasserfall zu seinen Füßen zu speisen. Sie würde das so nicht geschehen lassen, wer wenn nicht sie konnte und musste jetzt handeln? In einer Nacht und Nebelaktion bricht sie bei dem skurpellosen Kapitän ein um ihm das abgebaute Eis zu stehlen. Auf ihrer kopflosen Flucht gerät sie mit ihrem kleinen Segelboot, “Der Blau” in einen Sturm, und das Wasser ist plötzlich überall. Zischend, plätschernd, tröpfelnd und drängend. Als der Wind sich endlich legt und sie sich schon in Sicherheit wähnt, sieht sie sich mit der Wassersäule eines Wals , mit seinem riesigen Körper konfrontiert, der auf ihr kleines schwimmendes Refugium zusteuert. Ohnmächtig hält sie die Luft an, als Spielball zwischen ihm und den Wellen …

Lunde schreibt über Flüchtlingsschicksale, verratene Ideale, eine verkaufte Natur. Die Stiche, die das Zurücklassen, das im Stich lassen, zufügen spüren wir dabei wie am eigenen Leib. Der Ingenieur und die Umweltaktivistin, eine Beziehung die auf tönernen Füßen steht. Innere Amokläufe, die nicht aufzuhalten sind. Beinahe Schiffskollisionen im Nebel, wärmende Erinnerungen und die Rückkehr daran in schweren Zeiten. Wahre Endzeitszenarien beschwört sie vor unserem geistigen Auge herauf. Das Trinkwasser verschmutzt, bitter wie Gift.

Unsere Haut ist unser größtes Organ, sie besteht zu 25% aus Wasser und sie bedarf der Pflege, sonst hat es ernste Konsequenzen für den gesamten Organismus. Sie ist unser Schutzschild, unsere Barriere, ohne Wasser ist sie bedroht, existenziell.

Wie selbstverständlich wir doch diesen kostbaren Rohstoff hinnehmen, wie sorglos, ja verschwenderisch wir mit ihm umgehen. Für uns in Europa ist es Normalität, dass die Ressource Wasser, kostbar, klar und lebensspendend ausreichend und jederzeit zur Verfügung steht. Nicht überall auf unserem Planeten ist das heute schon so. Staudammprojekte in aller Welt, so z.B. am Yangze in China, verändern Landschaften und das Klima nachhaltig. Gezähmt und aufgestaut, zur Energiegewinnung und zum Wachsstum von Megacities werden mächtige Flüsse in ein enges Korsett gezwängt, kanalisiert. Brechen sie dann aus, wenn das Wetter umschlägt, mündet das in einer Katastrophe halten wir kurz ein, diskutieren und machen dann genauso weiter. Welchen ökologischen Fußabdruck hinterlassen wir auf unserem Planeten. Können wir tatsächlich so leben, als müsse das, was die Erde uns bietet nur noch für uns reichen?

Maja Lunde wird auch schon mal des moralisierens bezichtigt. Bei ihrem ersten Roman “Die Geschichte der Bienen” war das bereits der Fall. Ich halte es für wichtig, dass man auch in der Belletristik den Zeigefinger erhebt und nachdenklich macht. Wie wenn nicht so, soll man Misstände ansprechen? Und das kann sie mit ihren kleinen Schicksalsberichten, den eher leisen Tönen, den Zwischentönen. Die spektakulären Wendungen, atemlose Spannung und Paukenschläge sind nicht ihr Thema, wer das erwartet wird wohl eher enttäuscht sein. Ihren Figuren fehlt es jedoch nie an Konsequenz und inhaltlich hat immer die Natur Vorfahrt. Sie zeichnet den Menschen im Spannungsfeld zwischen dem Ringen nach technischem Fortschritt, Wohlstand und der Ausbeutung von Natur und Umwelt. Das mit ruhiger Hand und nachdenklich. Für die einen sind ihre Romane langweilig, für die anderen wunderbar, das zeigt mir einmal mehr, was man aus ihren Geschichten für sich herauslesen kann.

Diesmal habe ich den Klappentext gar nicht gelesen, sondern habe vertrauensvoll einen Kopfsprung in ihren neuen Roman gemacht. Zwei Geschichten sind es diesmal, eine startet 2017 in Norwegen (klar das mir das gefällt, wer meinem Blog schon etwas länger folgt, kennt meine Reise-Logbücher Nordland), die andere 2041 in Südfrankreich, die sie geschickt mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner “Wasser” verbindet.

Gehört und gelesen, bin ich immer wieder zum Hörbuch zurückgekehrt, so wunderbar leidenschaftlich, ja kämpferisch liest Christiane Pearce-Blumhoff. Leicht kratzig, erfahren und immer glaubwürdig, verleiht sie der fast siebzigjährigen Umweltaktivistin und Journalistin Signe eine Stimme. Bisweilen hat sie mich an eine meiner Lieblingssprecherinnen erinnert, Hannelore Hoger.

Leicht resigniert bis verzweifelt und eher mit besonnenem Charakter kommt dagegen der männliche Part des David daher, der nicht minder glaubwürdig von Shenja Lacher eingelesen ist. Die Vaterrolle nimmt man ihm sofort ab. Die beiden ergänzen sich bestens und gestalten so ein tolles Hörerlebnis.

“Wasser hat keine Farbe, es ist die Welt ringsherum, die ihm die Farbe verleiht, die Spiegelung des Himmels, der Umgebung, Wasser ist nie einfach nur Wasser. Wasser nimmt alles auf und wirbelt um alles herum, mit dem es in Berührung kommt. Wasser spiegelt die Welt.” (Textzitat)

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