So schöne Lügen (Tara Isabella Burton)

*Rezensionsexemplar*

Sonntag, 02.06.2019

Ein talentierter Mr. Ripley im digitalen Zeitalter? So steht es im Klappentext zu lesen und schon war für mich klar, an dieser Geschichte würde ich nicht vorbei kommen können. „Der talentierte Mr. Ripley“ ist mein Lieblingskrimi von Patricia Highsmith. Unvergessen ist für mich auch die Verfilmung mit Matt Damon und Jude Law von 1999, (Himmel, ist das wirklich schon wieder zehn! Jahre her …), oder auch der Klassiker von 1960 „Nur die Sonne war Zeuge“ mit Alain Delon.

Bei Mr. Ripley heißt es: Underdog trifft auf Jetsetter, hängt sich an ihn wie ein falsches Etikett. Lügt, betrügt und mogelt so geschickt, dass einem der Atem stockt, die Worte fehlen. Zumeist ist man unterwegs in mondänen Badeorten, zwischen den Reichen, Schönen und ganz schön Reichen …

Tara Burton lädt uns in ihrem aktuellen Roman nach New York ein, zu Partynächten, Glamour und Zeitvertreib. Und ich nehme ihre Einladung dankend an und linse begeistert durch das kleinste Schlüsselloch, um hinter die verborgensten Geheimnisse zu kommen:

So schöne Lügen (Tara Isabella Burton)

„In so einem Kleid, könnte man seiner großen Liebe begegnen“. (Textzitat)

Original aus den Zwanziger Jahren war es, musste es sein. Ein Traum von einem Kleid, das Lavinia angeblich auf der Straße gefunden hatte, wo es wohl nach einer Haushaltsauflösung gelandet war. Wie geschaffen war es als Outfit für eine Nacht als „Bohemian Party-Girl“.

Erst das Styling, dann ein Selfie. Bauch rein, Brust raus, den Kopf leicht geneigt. Ja, ganz genauso. Einmal aussehen wie ein Stummfilmstar, eine Rolle spielen, in eine andere Gestalt schlüpfen. Sich so fühlen als gehöre man in ein anderes Jahrhundert.

Es war die Silvesternacht, und die nur zehn Tage alte Bekanntschaft zwischen der neunundzwanzigjährigen Louise und der dreiundzwanzigjährigen Lavinia führte die beiden jungen Frauen zu einer Feier, die dem Verhängnis die Tür aufstieß  …

Träume wie Seifenblasen, zart schimmernd, die in den Himmel aufsteigen in dieser Neujahrs-Nacht. Ich bin bei den beiden und hebe mein Glas, auf das sie nicht zerplatzen mögen …

Tara Isabella Burton, hat in Oxford in Theologie promoviert und arbeitet als Journalistin und Korrespondentin in New York. 

Sie erzählt uns von einem jungen Leben im Rausch. Von einem Leben, das sich anfühlt wie ein Spaziergang am roten Teppich entlang. Als blättere man durch eine Illustrierte, mit sehnsüchtigem Blick auf diese Jetset Welt. So beginnt alles, leichtfüssig und sorglos. 

Man erträgt gelassen Freundinnen, denen ihr Therapeut neurotische Verzweiflung attestiert. Stürzt sich lasziv in die Nacht, taucht zwischen  Nippel-Propellern, Burlesque Tänzerinnen und reichlich Champagner benommen wieder auf. In den Facebook Kommentaren und Whats App Chats tanzen inzwischen die Emojis mit den Wörtern.

Man balanciert zwischen Posts und Tinder-Verabredungen, zwischen social und real life. Zwischen Blicken die töten können. Crowdsurfing wird zum Lieblingssport, weil man so gerne um Mitternacht auf Händen getragen wird. Glücksgefühle und Katerstimmung wechseln sich immer schneller ab.

Wie viel vom eigenen Leben gehört einem noch, wenn man alles im Netz teilt? Begehrlich auf Anerkennung wartet, sich daran ausrichtet? Was beschwört man herauf, wenn man sich als ach so wunderbar und wohlhabend zeigt?

Was steckt hinter dieser “Feiermeierei”? Ein Sabbatjahr in Saus und Braus, Erholung vom Studieren braucht Lavinia, erklärt Koks und Alkohol zu Grundnahrungsmitteln. Hat Gefallen daran, sich andere gefügig zu machen. Genießt die Abhängigkeit, in die sie Louise bringt, die sie allabendlich wie eine Anziehpuppe zurecht macht.

Oberflächlichkeit, Langeweile oder eine riesige Inhaltsleere, was treibt dieses Mädel um mit seinem Sex in the City – Getue? Mittel zum Zweck, oder doch das Angebot einer Freundschaft? Als Louise schließlich bei Lavinia einzieht, den Job als “neue beste Freundin” annimmt und ihn soooo gut macht, weist die Autorin schon sehr deutlich daraufhin wo diese Reise hinführen wird.

Das “wie”, das “warum” und das “wie weiter jetzt”, bleiben dann die Fragen, mit denen sie sich und mich in den folgenden Kapiteln beschäftigt. Das ist von der Grundidee her nix neues Das Tempo zieht sie erst im Teil zwei an.Langsam malt sie zunächst ihre Figuren aus, die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen Liebe und Begehren, verwischend.

Ihre Lavinia hätte ich am liebsten zwischendurch mal abgewatscht, sie ist ja ach soooo großartig und wunderschön.

Louise hingegen … Ja Louise, als das Stehen begann, begannen auch meine Zweifel. Vom Reichtum verführt, oder machte hier die Gelegenheit die Diebin? Wer von beiden für den anderen die Droge ist, entscheidet selbst.

Eine Leiche – Ein Mann, zwischen zwei Frauen, der sich längst entschieden hat, oder nicht? 

Ausreden und ein Gespinst aus Lügen, wer sich darin verstrickt, dem wird es zum Verhängnis.

Führung oder Verführung? Täuschung und Enttäuschung. Zufall oder Schicksal? Nächte wie diese bleiben für immer …

Nachtschwarz und golden schimmernd, empfängt uns das Hörbuch-Cover und klappt man es auf, fällt der Blick auf ein schwarz-weiß Foto des nächtlichen New York. Eine wunderschöne Aufnahme, stimmungs- und verheißungsvoll wie eine unausgesprochene Aufforderung. „Ja, schau nur. Schau genauer hin, hier findet das Leben statt“! Und die Sprecherin, scheint ebenfalls in diesem Settung Hause zu sein. Sie führt uns mit traumwandlerischer Sicherheit, durch diese Welt aus Neid, Missgunst und fiebriger Erregung, diese Party-Girls liegen ihr. 

Mir irgendwie nicht so ganz, ich bin unentschieden mit Burton auseinander gegangen. Der letzte entscheidende Funke wollte nicht überspringen, auf eine Stufe mit Mr. Ripley mag ich ihren Roman nicht stellen, sie hat damit nichts zu tun, sie hat alles gegeben:

Britta Steffenhagen geboren 1976 in Berlin, ist als Schauspielerin, mit dem Schwerpunkt Theater, als Synchronsprecherin und Moderatorin tätig. Mir ist sie noch aus der Hörbuchversion von Girl on the train im Ohr und in bester Erinnerung. Die ungekürzten 9 Stunden und 38 Minuten von Burtons Hörbuch-Fassung meistert sie ebenfalls bravourös.    

Ihre Stimme perlend wie die Luftblasen in den Champagnergläsern, voller Überschwang und Lebendigkeit. Am point of no return angekommen, entscheiden wir uns mit ihr. Sie kiekst vor Freude, sie weint und wimmert, sie flucht und wettert. So flehentlich kann sie bitten, ihr schlägt man nichts ab. Ihre vor Staunen geweiteten Augen beim Vorlesen kann man vor mir sehen und dann, dann sperrt man die die Ohren ganz weit auf … 

 

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