Augenzeugenberichte aus dem 17. Jahrhundert, aus den Relations, wie sich eine lange Reihe von Berichten nennt, die in dieser Zeit die Jesuiten an ihre Oberen in Frankreich geschrieben hatten, bilden die Grundlage für die Geschichte, die ich heute mitgebracht habe. Sie, die Jesuiten, waren nach Nordamerika gekommen, nicht etwa um wie die englischen und holländischen Händler kostbare Pelze zu erobern, sie wollten Seelen retten und einsammeln, dafür lernten sie sogar die Sprache von “les sauvages”, den Wilden, wie sie sie nannten. “Schwarzröcke” nannte man sie. Hier treffe ich also auf sie und auf die Huronen, die Irokesen und die Algonkin, die stolz sind, tapfer und auch unvorstellbar grausam. Kriegerisch, freigiebig und unabhängig, in …
Schwarzrock von Brian Moore
Es schneite, sie waren doch zu spät aufgebrochen. Er fror erbärmlich und die Wilden, sie lachten über ihn. Es gab Luchse in diesen Wäldern Stromschnellen in den Flüssen, aber kaum Wild, ein paar Elche vielleicht. Bis hierhin und nicht weiter wollten sie ihn bringen. Ihn dann aussetzen, ihn zurücklassen, so einfach war das. Ein Rat wurde abgehalten. So leicht waren sie zu täuschen, diese Schwarzröcke. Dieser hier auch. Es war also beschlossene Sache und ehe er sich versah stand er alleine am Ufer und die Kanus mit “seinen Wilden” entfernten sich rasch. Immerhin hatten sie ihm einen toten Vogel als Proviant dagelassen, ihn warf jetzt in einen Topf. Er musste bei Kräften bleiben, durfte jetzt nicht aufgeben. Einer wird schon kommen, ihn zu holen, würde ihn doch vermissen …
“Die Nacht Luft draußen war frisch wie neuer Wein. Die tiefe Stille, der unermessliche Himmel und der saubere Duft des Waldes waren köstlich nach der Enge in dem stinkenden Wigwam. Und wieder schaute über ihm der Mond zwischen Wolkenfetzen hervor wie ein dicker, geheimnisvoller Apfel und gab mit seinen kalten Strahlen dunklen Waldboden einen stählernen Glanz. Laforgue sah sich um. Er war allein.”
Textzitat Brian Moore Schwarzrock
Sie waren zurück gekommen! Sie hatten doch ein Gewissen! Keine Zeit für Freude, denn jetzt ging alles ganz schnell. Pfeile sirrten durch die Luft und trafen ihr Ziel. Den Hals einer Mutter, den Oberschenkel eines Vaters. Speerschäfte hinterließen blutige Spuren auf dem Rücken einer Tochter. Ein Häuptling und Vater wird erniedrigt, in den Staub geprügelt wie ein Hund. Seinem kleinen Sohn schneiden sie die Kehle durch, werfen seine Glieder ins Feuer, essen ihn halbgar. Die Irokesen, sind Kannibalen …
Brian Moore, geboren 1921 in Belfast, UNO-Beauftragter in Polen 1946 – 47, wanderte 1948 nach Kanada aus, verstarb 1999 in Malibu. Aus dem Nachwort von Julian Barnes erfahre ich mehr über diesen außergewöhnlichen Schriftsteller, lese das Moore 20 Romane veröffentlicht hat, 5 davon wurden verfilmt unter anderem in der Zusammenarbeit mit Alfred Hitchcock. Für die Verfilmung von Schwarzrock, die 1991 Bruce Beresford übernommen hat, schrieb Moore selbst das Drehbuch. 1985 veröffentlicht, ist Schwarzrock Moores 14. Roman. Er liest sich spannend wie ein Krimi, versteckt unter diesem Gewand aber jede Menge Vorurteile und religiösen Wahn. Dies gilt für alle Fraktionen, die hier aufeinanderprallen. Eine jede hält die jeweils andere für zurückgeblieben, ja für Ungeheuer. Wie kann es denn auch sein, das man sich nicht beim Namen nennen lassen will, das man unverbrüchlich daran glaubt das einem Träume die Zukunft weissagen, das man seine Feinde auf das Grausamste quält, weil man denkt, nur wer unter Schreien stirbt, dessen Seele kann man habhaft werden. Aufessen des Feindes danach nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern notwendig. Damit Macht und Kraft übergehen.
Von Träumen, Trommeln und Zauberern erzählt Moore. Von Missionaren und Soldaten, von Stolz und Vorurteil. Von unerschütterlichem Glauben, von Versuchung, Geißelung und Selbstkasteiung. Von Gier. Der Gier nach Fellen und Alkohol, nach Frauen, so sind sie diese skrupellosen Händler. Sie kennen keinen Gott und kein Erbarmen, besser man geht ihnen aus dem Weg. Aber sie sind harmlos im Vergleich zu den Irokesen. Brutal ist sie diese Geschichte und schonungslos.
Wasserzauber so nennen sie, die Indianer, die Taufe und sind überzeugt davon sie bringt den Tod. So fürchten und verachten sie diejenigen die ausüben, nennen diese Seelenhändler, gleich ob sie Franzose oder Normanne sind, Schwarzröcke, ihrer Kleidung wegen. Da machen sie keinen Unterschied, genauso wenig wie die Weißen hier einen machen, wenn es darum geht die Indianer zu unterscheiden, es sind Wilde, allesamt.
Weit mehr als ein Abenteuer-Roman ist dieser Klassiker aus der Feder von Moore, er ist ein Zeitzeugnis. Bedrückend, unterhaltsam, herrlich antiquiert vom Ton her und aufwühlend zugleich.
Welten prallen aufeinander, ziehen sich an stoßen sich ab. Mehr als anschaulich und präzise recherchiert zeichnet Moore seine Szenenbilder. Er bewertet nicht, ergreift keine Partei, lässt mich als Leser über richtig und falsch entscheiden. Lässt mich verstehen mit welcher Verzweiflung und in welcher Ausweglosigkeit sich die Akteure dieses Dramas bewegt haben müssen. Glaube und Überzeugungen führten sie an den Rand des Abgrunds und darüber hinaus, ließen sie schließlich aufgeben. Das Projekt Missionierung als gescheitert betrachten. Soviel Leid hatte es gebracht, für alle Beteiligten.
Moores Roman enthält eine dramaturgische Zuspitzung, die jede Netflix Serie darüber zum Kassenschlager machen würde. Ist gewaltbereit in nahezu jeder Sequenz. Kälte und Hunger sind allgegenwärtig auf dieser Mission, dieser Kanureise, deren Ende und Ergebnis im Ungewissen liegt, obwohl wir ihr Ziel genau kennen. Inhaltlich wie örtlich. Als Nachfolger eine Missionsstation zu übernehmen ist Verlockung und Abschreckung zugleich, erfordert Mut und Hingabe, besonders wenn ein/das Fieber kommt, gegen das selbst ausgebuffte Medizinmänner hier machtlos sind …
Fesselnd, faszinierend, roh, brutal und sehr authentisch schreibt Moore. Bei mir hat er damit voll ins Schwarze getroffen, hat mir weit mehr als eine Geschichte voller Abenteuer geschenkt. Eine, die ein wenig Jack London oder auch Lederstrumpf Atmosphäre verbreitet. Eine Geschichte von gestern, die mit ausgestrecktem Finger auf das Heute weist. Nichts geschieht ohne Grund und niemand ist ohne Schuld …
Mein Dank geht an den Diogenes Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
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