Queenie (Candice Carty-Williams)

Liebe Queenie, echt jetzt? Du erzählst mir von Deinen Erlebnissen beim Frauenarzt? Auf DEM Stuhl? Auf der Suche nach Deiner Spirale? So fängst Du Deine Geschichte an? Weißt Du, was das erste war, das ich schon in Kapitel eins gedacht habe? Ich bin raus. Weil, ich bin halt keine fünfundzwanzig mehr, und vielleicht nicht die richtige Zielgruppe für Deine Story …

Okay, Du bist also hübsch, Deine Kurven sind üppig, Deine Haare sind lang und werden von vielen bewundert. Deine Haut ist dunkel, Deine Wurzeln sind karibisch, geboren bist Du in London, wo Du jetzt eine Wohnung suchst. Dein Humor ist trocken und mit Männern hast Du kein Glück und Du probierst viele von Ihnen aus, was mich nervt. Mindestens genauso wie die Sache beim Frauenarzt. Versteh mich nicht falsch, dass Du einen Moment lang dachtest Du könntest schwanger sein, ausgerechnet jetzt, wo Deine Beziehung zu Tom auf der Kippe steht. Das ist schon hart, aber Geschichten aus diesem Genre turnen mich eher ab …

Sie vergleichen dich mit Bridget Jones? Also ich weiß nicht recht. Sorry, aber ein liebenswerter Tolpatsch bist Du für mich nun wirklich nicht. Anstrengend ja, da gehe ich mit und, verzeih mir, ganz schön belangslos ist Dein Geplauder auch. Wo willst Du denn hin mit Dir und Deinem Leben?

Candice Carty-Williams, Autorin, geboren am 21. Juli 1989 in London, Journalistin und Kolumnistin für das Literaturressort des Guardians, legt mit Queenie ihren ersten Roman vor. In England wurde dieser zum Bestseller und vielfach nominiert für Literaturpreise, das entnehme ich dem Klappentext. Übersetzt hat Henriette Zeltner-Shane und sie hat sich auf einen Ton geeinigt, der offenbar polarisiert.

Queenie als Figur könnte mehr und Carty-Williams will auch mehr, nämlich viele Themen bedienen. Zu viele vielleicht, für mich war das zumindest so und mir wäre es lieber gewesen, sie hätte ihre Heldin im Teil eins des Romans nicht in diesem Genre angesiedelt, ihr nicht zu viele Sexszenen angedichtet und wäre relevanter geblieben, weniger oberflächlich. Mir war das alles zu plakativ, was es eigentlich überhaupt nicht gebraucht hätte. Diese ständigen, Verzeihung Schwanzvergleiche, gingen mir gewaltig auf die Nerven. Auch wenn sie hier im Kontext die männliche Dominanz verdeutlichen. Ich habe verstanden. Hätte ich auch so.

Auch das Ausziehen, also das wohnungstechnische, und das das in London kein leichtes Unterfangen ist. Weil kostspielig. Das habe ich kapiert. Du tingelst durch Wohnungen wie ein Jahrmarktsbudenbesitzer, lässt dich begutachten, von Maklern, Vermietern und Mitbewohnern. Da fühle ich schon mit Dir.

Wenn eine Beziehung zu Bruch geht, man dann auch noch die vier Wände verliert, die einem ein Schutzraum waren, mit Sack und Pack quasi auf der Straße steht, das ist nicht lustig. Nicht lustig ist auch, dass Du im Job immer noch nicht Fuß gefasst hast. Was für ein Job ist das eigentlich? Bei einer Zeitung, okay das habe ich verstanden, aber lassen Sie dich auch schreiben? Vielmehr schaffst Du es zu schreiben, über das was Dir wichtig ist? Was ist Dir eigentlich wichtig? Mensch, Queenie, jetzt krieg mal den Hintern hoch.

Kummer kann man ertränken, das stimmt, zumindest kurzzeitig, aber was dann? Wenn der Kater kommt und alles nur schlimmer macht. Deine Freundin, Darcy hat Dich in diese Datingwelt katapultiert. Aber DU lässt Dich fremdsteuern, Dir ein Profil anlegen und bist an diesem Abend viel zu besoffen um zu widersprechen. Da gehe ich ja noch mit, aber die Kerle, die Du dann tatsächlich auch triffst, von denen Du dich rumschubsen lässt, was ist denn bloß passiert mit Dir?

In dieser Dating-App nennen sie Dich Schokomädchen und Deine Kurven sind ihr Thema, nicht Du. Ich folge Deinem Chat-Ping-Pong, zunehmend angespannter. Desaster-Date, reiht sich an Desaster-Date und am Rande Deines Blickfeldes spielen sich derweil Dinge ab, über die Deine Zeitung eigentlich schreiben müsste und Du, Du nicht auch? Kurz echofierst Du Dich, dann ist aber auch schon wieder gut?

Mensch, Queenie, da hatte ich mir mehr erwartet, dass Du Stellung beziehst und Kante zeigst, nicht über diese Themen hinweg gehst um zum nächsten Mann aufzubrechen, zur nächsten detailgetreu geschilderten Bettgeschichte anale Verletzungen inklusive. 

Mensch, Queenie, und dieser Trupp Freundinnen den Du da hast. Ich komme mir vor wie bei Sex and the City, nur der Schauplatz ist ein anderer. Ausgerechnet Dein Hintern hat es jetzt den Männern angetan, fang bloß nicht an, Dich über ihn zu definieren. Es entgleitet Dir. 

Mensch, Queenie, eine wunde Kopfhaut von Dauerhaarglättungen, was tut man nicht alles um zu gefallen. Wo ist Deine Selbstachtung geblieben? Dein Selbstwertgefühl? Wann hast Du es verloren?

Eine starke schwarze Frau weint nicht, dabei hätten Du und Deine Mutter allen Grund dazu gehabt. Von Männern klein gemacht und klein gehalten, ignoriert, verletzt und geschlagen, so langsam dämmert mir hinter all den Fassaden, was Dir und Deiner Mum passiert ist. Psychotherapie als Tabuthema und Dein langer Weg an die Oberfläche liegen noch vor Dir.

Queenie, ich wollte Deine Geschichte mögen. Sehr sogar. Aber, es hat nicht geklappt mit uns beiden. Zu sehr sind mir Deine Probleme dann doch in Summe an der Oberfläche geblieben, wie bemalte Pappkameraden mit stereotyp gefüllten Sprechblasen blieben die Dich begleitenden Figuren auf dem Papier, statt zu mir überzuspringen wie ein Funke, der Beklommenheit oder Betroffenheit auslöst. Was ist da passiert mit uns zwischen all dem Chat-Geschnatter? Zu viel Drama.

So viel Demütigung, beinahe hätte ich bei all dem Brimbamborium das Trauma übersehen, das Dich festhält mit Zähnen und Klauen, was es für Dich heißt, die in Deinen Augen falsche Hautfarbe zu haben. Wie schwer es Dir fällt, weil Du in Deiner Rolle so festgelegt bist, im Beruf Fuß zu fassen, Dich selbst zu achten. Weil man Dir von klein auf beigebracht hat, das Du nur eines wert bist: ignoriert zu werden.

Diese Geschichte hatte das Potential alles zu geben. Regelrecht gehypt wird sie gerade. Stilistisch hat sie mich leider nicht erreichen können, mir war das zu schnodderig, auch wenn dieser Ton vielleicht authentisch ist und inhaltlich wäre aus meiner Sicht weniger mehr gewesen um das stille Drama, das sich in dieser Queen der jungen schwarzen Community abspielt zu tragen. 

Das Hörbuch liest Patricia Coridun, geboren 1980 in Frankfurt/Main, Schauspielerin, sie lebt in Berlin. Ihre Stimme kommt mir seltsam. Queenie lässt sie quietschen und hysterisch werden, zusammenfallen und verzagen. Eine ganze Bandbreite an Gefühlen muss sie abrufen für diese Hörbuch-Produktion und das kann sie auch. Sehr gut sogar. Einen Abzug in der B-Note vergebe ich dafür, wie stark sie für mich gefühlt ihre Sätze abbremst, das gibt ihrem Vortrag etwas abgehacktes, manchmal passt das, weil es hinter Queenies Gedanken einen Punkt setzt und/oder einen Absatz, in Summe aber nahm es mir den Fluss.

Tja, Queenie. 744 Minuten lang habe ich Dir nun mit Unterbrechungen (weil es mir zu bunt war) zugehört, und auch wenn ich mich den Jubelchören auf Deine Geschichte leider nicht anschließen kann, ich wünsche Dir alles Gute. Du scheinst mir gegen Ende auf einem guten Weg zu sein. Bleib bei Dir und gehe ihn bis zu Ende. Du bist es wert …

Mein Dank geht an Steinbach Sprechende Bücher und Saga Egmont für dieses Hörexemplar.

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