Hard Land (Benedict Wells)

Stand by me, das Geheimnis eines Sommers, nach einer Erzählung von Stephen King, ist bis heute einer meiner Lieblingsfilme. Im Soundtrack dazu passend ein Song von Ben E. King – und sein Stand by me ist einer meiner Lieblingssongs. In Kings Geschichte geht es um einen Sommer, einen ganz besonderen im Jahr 1959, in dem sich vier Jungs, die unterschiedlicher nicht sein könnten aufmachen, die Leiche eines Landstreichers zu finden. Freundschaft ist das zentrale Thema hier. Wie weit trägt sie uns? Wie prägt sie uns? Humor, Mutproben und eine große Wärme tragen diese Geschichte von King für mich. Benedict Wells zitierte in einem Interview genau diesen Film, seine Bedeutung für seine Buch-Idee, und wie hätte ich da bitte seinen Roman nicht lesen können wollen?

Hard Land von Benedict Wells

Grady, Missouri, Mitte der 80ziger Jahre.

Sams bester und einziger Freund ist vor einiger Zeit schon weggezogen, der Arbeitslosigkeit der Eltern wegen. Die letzten Briefe die Sam an ihn geschrieben hat, sind unbeantwortet geblieben und auch Samuels eigener Vater ist arbeitslos, was das Zusammenleben gerade nicht einfach macht. Finanziell sind sie nicht gerade auf Rosen gebettet, denn Sams Mum, eine leidenschaftliche Buchhändlerin, ist krank. Gehirntumor. Bösartig. Die Familie leidet mit ihr, seit Jahren schon, hatte zuletzt gehofft, sie habe den Krebs überwunden, aber jetzt gerade geht es ihr wieder schlechter und die Angst ist zurück, wenn sie denn jemals weg gewesen ist …

So landet Sam Turner, auf der Suche nach Anschluss und Beschäftigung, in einem heruntergekommenen Kino, nimmt hier einen Job an. Lernt eine Clique von Teenagern kennen, die alle nur eins wollen, bald raus aus diesem Kaff und deren Mittelpunkt die Tochter seines Chefs ist, Kirstie. Die etwas älter ist als Sam und mehr als ansehnlich, wie er findet und Sam, knappe sechzehn, verliebt sich, in K. und ihre Zahnspange, die eine kleine Lücke zwischen ihren Vorderzähnen schließen soll …

Benedict Wells, geboren 29. Februar 1984 in München. Der Deutsch-Schweizer war bei der Veröffentlichung seines ersten Romans 2003 mit 23 Jahren der jüngste Autor bei seinem Verlag Diogenes. Nach seiner Schulzeit, die er überwiegend in Internaten verbrachte, jobbte er u.a. als Redakteur beim Fernsehen und begann mit dem Schreiben. Sein Debüt Becks letzter Sommer wurde von der Kritik gelobt und liegt tatsächlich auch noch ungelesen auf meinem Stapel, damit hatte ich eigentlich beginnen wollen und dann hat sich diese Geschichte von ihm hier frech vorgedrängelt.

“In diesem Sommer verliebte ich mich und meine Mutter starb.”

Textzitat Benedict Wells Hard Land

Mit diesem Satz fängt Wells seinen Roman an und damit ist eigentlich alles gesagt. Darf man so viel vorweg nehmen und dann nach rückwärts erzählen? Kann man, wenn das was folgt sich echt anfühlt. Wenn die Figuren die man erschafft berühren und es vielleicht auch einen Switch hat, der die Vorhersehbarkeit umleitet. Ist das hier so? Das wird jeder für sich anders entscheiden, mir hat hier leider einiges gefehlt. 

Wells hat mit Hard Land einen Wohlfülroman geschrieben, folgt man Denis Scheck, der den jungen Autor in seiner Sendung Druckfrisch am 25. April diesen Jahres interviewt hat. Der Platz 1 der SPIEGEL Bestenliste spricht da eine eigene Sprache, eine mit der Scheck, wie wir wissen, ja häufig nicht einig geht. Soweit bin ich bei ihm, für mich war es eine Geschichte die mich unterhalten hat, mehr aber nicht. Die Figurenzeichnung fand ich etwas stereotyp und der Roman bleibt sehr an der Oberfläche. Vielleicht bin ich auch aus solchen Romanen einfach herausgewachsen.

Wells Verortung in den 80zigern hatte mich angesprochen, weil das ist auch meine Zeit gewesen. Meine Teenagerzeit. Eine Zeit, in der ich noch mühelos ohne Handy, ohne Smartphone und Netflix klar gekommen bin. Die Musik und die Buntheit dieser Jahre, lösen heute immer noch eine nostalgische Sehnsucht in mir aus. Eine “grüne Partei” zog seinerzeit erstmals in den Bundestag ein, Sonnenblumen hatten die Abgeordneten dabei, trugen Birkenstocksandalen und strickten auf ihren Plätzen während der Debatten ganz ungeniert. Heutzutage spekuliert man laut, ob diese Partei nach der nächsten Wahl die Kanzlerin stellen wird …

Die 80ziger von Wells sind aber leider nicht meine Achtziger, selbst wenn er seiner Geschichte eine Playlist mit Liedern anhängt, die er nach eigener Aussage vor und während dem Schreiben gehört hat um in diese Zeit einzutauchen, die er bestenfalls als Baby erlebt hat und ich kann bei vielen dieser Songs tatsächlich auch mitsingen. Einige davon entlocken mir auch ein Lächeln und ich sehe mich wieder auf der Tanzfläche im Blacklight. Aber es hat hier mehr Billy Idol als Ben E. King, und auch wenn es hier um Mutproben geht, um eine die noch dazu mehr als riskant ist, sind beide Geschichten für mich keineswegs gleich auf …

Wells Roman ist auch in den USA verortet und ich glaube, das war für mich irgendwie diesmal der emotionale Genickbruch. Das Setting ist so oft schon so oder so ähnlich dagewesen. Sein Sam ist ein lieber Kerl, was er erlebt ist dramatisch und sicher hat er ein Happy End verdient. Eines wie aus einem Hollywood Blockbuster. Apropos Hollywood. Viel zitiert wird von Wells auch “Zurück in die Zukunft” mit Michael J. Fox. Aber stop, schon wieder schweife ich ab, in meine 80ziger Fantasieen, kommen wir zurück zu Wells Roman Hard Land. Seine Hauptfigur Sam ist verliebt in diesem Sommer, einem Sommer, in dem sich auch seine Panikattacken zurück melden. Ein Sommer, in dem er immer wieder einen Gedichtband mit dem Titel Hard Land zur Hand nimmt und uns daraus vorliest. Diese Gedichtesammlung ist ein Kniff von Wells, die zitierten und in den Roman eingebundenen Gedichte stammen von ihm selbst, der Autor im Buch ist von ihm ersonnen. Kann man machen, muss man aber nicht, denn der Geschichte hat das aus meiner Sicht nichts weiter mitgegeben.

Benedict Wells wird von seinen Fans ja schon länger sehr gefeiert, ich bin mit diesem seinem Roman und Thema erst jetzt in sein Schaffen eingestiegen und habe mir wahrscheinlich den falschen Text von ihm dafür ausgesucht. Comming of Age, eine Geschichte vom Erwachsenwerden, eine die für mich im direkten Vergleich zu “Der grosse Sommer” von Ewald Arenz, den ich kurz zuvor beendet hatte, verliert. Für mich vor allem wie gesagt der Figurenzeichnung wegen und auch sprachlich hat Arenz für mich die Nase vorn. 

Es fehlte mir wirklich neues bei Wells, seine Story wirkt auf mich wie eine Komposition von Altbewährtem und schon auch sehr konstruiert. Zu viele Szenen hatten für mich zu dick Zuckerguß. Das “Ich-halte-deine-Hand-und-zähle-bis-zehn-dann-bist-du-in-mich-verliebt-Spiel” oder der Billy Idol Song, den Sam bei der Beerdigung seiner Mutter inklusive Orgelbegleitung durch seine Schwester zum Besten gibt und damit die Gemeinde schockiert, mal als Beispiele genommen. Wells Sprache ist zwar für mich frei von Kitsch, seine Geschichte aber ist es leider nicht. Es gibt reichlich Trinkspiele, gekotzt (Pardon!) wird danach ausgiebig, es wird über alte Filme philosophiert und Sams Schwester ist eine bekannte Fernsehserien Autorin in L.A., die aber als Frau viel zu schlecht bezahlt wird. Sams Vater hatte (klar) eine schwere Kindheit und ist deshalb wie er ist, der Diner und Treffpunkt der Jugendlichen im Ort soll verkauft werden und über all dem schwebt ein Happy End?

Das war mir eine Prise zu viel Disney, zu viel Weichspüler und Klischee. Schade. Was ich mir mitnehme, ist diese Aussage von Wells, die er in seinem Gespräch mit Scheck gemacht hat: “Wer schreibt, steht wohl immer ein wenig schief zur Welt.” Wo er recht hat, hat er recht und so verbuche ich diesen seinen Roman in der Rubrik “mit Unterhaltungswert”, der aber nicht in mir nachklingt, außer vielleicht seine Stimme:

Robert Stadlober, geboren am 3. August 1982 in Friesach/Kärnten, hat mich u.a. mit seiner Lesung von Der Stotterer von Charles Lewinsky begeistert, und ich könnte noch ein paar bleibende Eindrücke aus Hörbüchern aufzählen, die der Schauspieler und Musiker bei mir hinterlassen hat. An ihm hat es nicht gelegen, das mich diese Geschichte nicht ganz hat abholen können. Im Gegenteil, für mich hat er alles gegeben um im und mit dem Text zu wirken. Was schwierig war, weil er hier stimmlich nicht mit Höhen und Tiefen glänzen konnte, oder mit der Hintergründigkeit eines “Stotterers”. Alles ist viel zu offensichtlich, viel zu plakativ als das es da noch eine vortragende Überhöhung vertragen hätte und so nimmt sich Stadlober folgerichtig zurück. Was schade ist, denn ihn muss man von der Leine lassen dürfen …

Mein Dank geht an den Diogenes Verlag für dieses Besprechungsexemplar.

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