Meine Schwester die Serienmörderin (Oyinkan Braithwaite)

Lagos, größte Stadt Nigerias und mit über 14 Millionen Einwohnern, nach Kairo, zweitgrößte Stadt Afrikas. Mehr als 200 Millionen Menschen leben im bevölkerungsreichsten Land Afrikas, leiden hier unter Hunger, Armut, desolaten Gesundheitssystemen und Terror. Menschen verschwinden hier spurlos, im Juni des vergangenen Jahres machte der Tod einer jungen Studentin, die in einer Kirche vergewaltigt wurde Schlagzeilen.
Diese Stadt, dieser Hintergrund bildet die Kulisse für den von Yasemin Dinçer übersetzen Roman, der für den Booker Prize nominierten Autorin Oyinkan Braithwaite, der aus den Social Media Feeds zahlreicher Buchbegeisterter nicht wegzudenken war, sein giftgrün umrandetes Cover zog auch meinen Blick magisch an:

Meine Schwester die Serienmörderin

Das Messer hatte sie immer bei sich. Zu ihrem Schutz. Denn bei Männern konnte man sich nie sicher sein. Dieses Exemplar hier hatte ihr ein Gedicht geschrieben und ihr Freund sein wollen, dann hatte er sie erst wütend angeschrien und jetzt drei Messerstiche später, ausgeführt von ihrer Hand, hatte er ein Loch im Herzen. Ihre Schwester herbeizurufen, die mit Gummihandschuhen das Handeln übernahm, scheint hier Teil der Routine zu sein. Ich stutze. Gleiches gilt wohl für die Fahrt an den Fluss und die Übergabe eines Leichnams an das Wasser. Den Fluss haben sie wohl schon öfter zum Mittäter gemacht und er machte das auch gut. Verlässlich trägt  er für sie die Leichen fort. Er stellte keine Fragen und er schwieg …

Das Messer war ein Erbstück ihres Vater und dessen ganzer Stolz gewesen. 22 cm lang seine Klinge, Ein Griff wie aus Knochen geschnitzt, wie er zu ihm gekommen war, darum ranken sich Geschichten, die ihr Vater nur zu gerne zum Besten gegeben hatte. Bei jeder Gelegenheit, die ich ihm dafür bot und es schien beinahe, als träfe das Messer mittlerweile seine eigenen Entscheidungen …

Eine Krankenschwester, Korede, Typ perfekte Ehefrau, durchschnittlich ansehnlich, auf die Verlass ist. Ihre Schwester, Ayoola, Modeschöpferin, attraktiv, begehrenswert, die ganz schön krass ist, die durch, sorry, alle Betten hüpft. Eine Frau, die wenn Sie den Raum betrat, alle Blicke auf sich zog, besonders die der Männer. Eine Venusfalle scheint sie mir zu sein, und unsere Serienmörderin ist sie …

Ist das normal? Eine Schwester agiert ganz ungerührt als Tatortreinigerin hat sogar mittlerweile ihre eigene Mischung an Reinigungs- und Bleichmitteln, mit der sie todsicher Blutflecken auch aus dem Teppich eines Kofferraum herausbekommt. Hier ist nichts normal, hier wird gemordet  und das nicht zum ersten Mal. Mord geht in Serie und Frau ist hier nicht das Opfer. No way!

Schwarze Seelen und schwarzer Humor. Extreme Abgebrühtheit meets Verbitterung. Die Dynamik dieser geschwisterlichen Beziehung ist ein echter Kopfschüttler.

Einem Komapatienten kann man gut Geheimnisse anvertrauen. Ein unüberlegter Instagram post hat Folgen. Wie könnte er die auch nicht haben, wenn man darin von sich behauptet, man sei die letzte die einen Vermissten lebend gesehen hat. Ist die so doof, oder tut die nur so?

Als es für beide Schwestern dann kommt wie es kommen muss und es um den gleichen Mann geht, ziehe ich den Kopf ein, während Mum ganz happy ist über die guten Partie und Ayoola ein Spiel beginnt. Ein Spiel mit dem Feuer. Ein Spiel das die treue Seele Korede enttäuscht und verbittert.

Das Andenken ihres dominanten Vaters würde Oberschwester Korede lieber in der Hölle feiern als groß mit der Familie, aber fügsam wie sie ist fügt sich. Sie die hinter der schönen kleinen Schwester immer zurückstehen musste, der immer die Schuld zu fiel, was immer auch ihre Schwester angestellt haben mochte. Was sie jetzt aber verlangte, war doch ganz und gar unmöglich, auch wenn ein blutiger Beweis und ein Zeuge der sich meldete, beide ganz schön in die Bredouille brachten.

Manipulieren, instrumentalisieren, ausnutzen das kann sie wie keine Zweite. Ich würde sie am liebsten schütteln, bis all dieser Mist aus ihr herausfällt. Diese zuckersüße Ayoola.

“Ich fand die Ruhe in deinen Armen. Das Nichts nachdem ich suche jeden Tag. Ich bin leer und du bist voll. Bis zum Ertrinken.”

Textzitat Oyinkan Braithwaite Meine Schwester die Serienmörderin

Gedichte ihres letzten Opfers auf wildthoughts.com bringen Schwester #2 ins Zweifeln. Während Schwester #1, die Serienmörderin, ihr nächstes Opfer offenbar schon anvisiert hat …

Meine Erwartungen waren also hoch an diesen Kriminalroman, der sich so ganz anders gibt als erwartet. Als Genre-Mashup nämlich bei dem nicht der Krimi im Vordergrund steht, sondern die Beziehung dieser beiden ungleichen Schwestern ihre Familienbande, ihr Backround, die Verhältnisse in Lagos. Damit kennt sie sich bestens aus:

Oyinkan Braithwaite, lebt nach Studium in London und Kingston/ Jamaika heute wieder bei ihrer Familie in Lagos, war mit diesem Roman wie gesagt für den Booker Prize nominiert. Die Mischung von britischem Humor und “lagotischer” Lebensweise ist das, was für mich diesen Roman ausmacht, auch wenn er meinen persönlichen Geschmack nicht ganz getroffen hat, das trotz meiner Vorlieben exotische und besondere Kriminalfälle betreffend.

Was hatte ich erwartet, was sich hinter diesem Titel verbergen würde? Ich würde mal so sagen: Mehr. Geradezu euphorische Rezensionen hatten mich in diese Geschichte gelockt, und ich habe mich locken lassen, sind es doch die schrägen Typen die mir in Geschichten immer ganz besonders gefallen. Bissig darf es auch gerne zu gehen. Gerne auch sozialkritisch. So lautete auch hier das Versprechen. Braithwaites Romandebüt schaffte es auf die Longlist des Booker Prizes und wurde sogar 2019 von der Los Angeles Times zum besten Krimi des Jahres gekührt.

Ganz schön lakonisch ist dann der Ton dieser Autorin und auf den ersten Blick wirkt er seltsam, angesichts dessen was hier passiert.

Auf den zweiten Blick wird mir klar, in Lagos, wo Korruption und Gewalt regieren, passt ein solch ruch- und reueloses Verhalten vielleicht sogar ins Bild. Ich hoffe es ja nicht, fürchte aber schon.

Mir war er dann doch ein bisschen zu sehr “drüber”, bei aller Unterhaltsamkeit fehlte mir die Tiefe. Gerne hätte er für mich etwas mehr den Finger auf die nigerianischen Wunden legen dürfen, ohne dabei ins klamaukische abzurutschen. Ein bisschen mehr Spannung hätte ihm auch gut zu Gesicht gestanden. Er bediente mir stattdessen zu viele Klischees, seine Figuren waren mir insgesamt zu stereotyp, zu scherenschnittartig. Reine Geschmackssache halt. Der “Hype” und ich wir vertragen uns halt nicht immer …

Zumeist wurde der Roman sicherlich gelesen, ich habe ihn gehört und vorgelesen hat:

Sabina Godec, deutsche Schauspielerin und Synchronsprecherin und Station Voice bei 3sat. Die ungekürzte Hörbuchfassung des 240 Seiten starken Romans dauert 5 Stunden 30 Minuten und Godec löst das super. Greift die beiden “Biester” stimmlich provokant auf, von ihr fühlte ich mich gut mitgenommen. Besonders die ironischen Zwischentöne von Korede trifft sie präzise, sorgt dafür das man sie nicht überhört, was der Geschichte meinem Empfinden nach gut getan hat …

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