Der Wald (Eleanor Catton)

Eleanor Catton, geboren am 24. September 1985 in London, Provinz Ontario/ Kanada ist die bislang jüngste Gewinnerin des Booker Prizes. Die in Auckland/Neuseeland lebende Autorin, schrieb sich 2013 mit ihrem Roman <Die Gestirne> nicht nur auf das Siegertreppchen dieses renommierten Preises, sondern auch auf meine All-Time-Favourite-Liste. Ihr im Jahr 1866 verortetes Verwirrspiel um einen Goldfund in Neuseeland, sein unglaubliches Erzählkonstrukt, hatte mein Herz im Sturm erobert. Bis heute flattert es aufgeregt in meiner Brust beim Gedanken an das Gelesene. Streiche ich sanft über den Buchrücken, komme ich an meinem Regal vorbei. Gibt man bei einem Internetsuchdienst den Namen Catton ein, ist der erste Treffer genau dieser ihr Erfolgsroman. Was für sie Fluch und Segen zu gleich sein muss.

Catton, die einen durchaus kritischen Blick für den Umgang mit ihrer plötzlichen Berühmtheit und auch auf das ökologische Gewissen Neuseelands hat, legt erst jetzt, nach mehr als zehn Jahren, mit <Der Wald>, ihren nächsten Roman vor und der ist so ganz anders ist als The Luminaries, wie ihr Gewinnertitel im Original heißt. Übersetzt hat neben Melanie Walz, die auch ihren erfolgreichen Vorgängerroman für den btb Verlag ins Deutsche übertragen hat, Meredith Barth und darum geht es:

Der Wald von Eleanor Catton

Am Anfang war ein Erdbeben, ein Erdrutsch, der eine Passstraße abriegelte, einen Ort vom Rest der Welt abschnitt. Nur eine einzige Zufahrtsstraße blieb um nach Thorndike hinein und wieder hinaus zu gelangen, der Ort war immer schon eingeklemmt zwischen einem See und den Bergen des neuseeländischen Korowai Nationalparks.

Häuser und Grundstücke standen seit dem Erdrutsch zum Verkauf, ein Viadukt hatte er mitgerissen, noch immer waren nicht alle Opfer geborgen und fünf Menschen tot. Läden, Restaurants und Cafes schloßen reihum.

Wenige kamen noch her, unter ihnen die Umweltaktivistin Mira Bunting. Ihr Startup, ein Guerilla Gardening Projekt, dass sie gemeinsam mit ihrer Freundin Shelley am Laufen hielt und <Birnam Wood> genannt hatte, stand auf der Kippe. Shelley, das Organisationsgenie, wollte zu allem Überfluß auch noch das Kollektiv verlassen.

Alles ungut also, da tritt er auf den Plan: Robert Lemoine, ein amerikanischer Milliardär. Er kommt Mira wortwörtlich in die Quere, als sie sich unbefugt Zutritt zu einem Grundstück verschafft um es für eine Pflanzaktion auszuspähen und in der Folge konfrontiert er sie, statt die Polizei zu rufen, mit einem Angebot, das sie nicht abschlagen kann. Nicht abschlagen will.

Es kommt zur Abstimmung und ihre Gruppe ist eher weniger einig, fühlt sich teils korrumpiert, es gärt zwischen ihnen. Die Einen nennen es Blutgeld, andere sehen es als den Weg aus ihrer Existenzkrise. Am Ende schlagen sie ein. Für Toni, Gründungsmitglied und freier Journalist, der sich einige Jahre abgesetzt und just jetzt beschlossen hatte wieder aufzutauchen, eskaliert gar. Damit verstört er nicht nur Mira. 

Kalkstein, Granit und Kalkschiefer. Ein radiometrisches Gutachten, für jeden online einsehbar, gab nichts Besonderes preis, was bitte rechtfertigte dann ein abgesperrtes Gelände und Security im Nationalpark?

Ein Elfenbeinsittich, vom Aussterben bedroht, dient als Tarnung für ein Vorhaben, das mit Umweltschutz nichts zu tun hat, sich aber geschickt damit maskiert. Drohnen ermöglichen eine lückenlose Überwachung. Willkommen in einer schönen neuen Welt. Der Reichen und ganz schön Reichen …

Immer wieder habe ich gekiebitzt, ob es Neues von Catton gibt und mich jetzt mit Feuereifer auf ihre aktuelle Geschichte gestürzt. Es ist immer schwierig, wenn ein neuer Roman im Schatten eines großen Erfolges steht. Der Druck muss für einen Autor, eine Autorin enorm sein. Auch ich muss zugeben, meine Erwartungen waren neben dem Gespanntsein hoch. Wie würde sich Ihr Schreiben entwickelt haben? Wird ihr neuer Roman ähnlich sein, mich an Die Gestirne erinnern? Nein, so wird es nicht kommen. Beide Geschichten sind nicht vergleichbar. Weder inhaltlich noch von der zeitlichen Einordnung des Plottes her.

Leider muss ich sagen, dass ich “Der Wald” austauschbar und beinahe beliebig fand. Alles womit “Die Gestirne” mich zu überzeugen und überraschen wussten fehlt hier. Hätte mir jemand den Autor:innennamen auf diesem Buchcover zugeklebt, ich hätte nicht die Bohne an E. Catton gedacht. Daran konnte auch ihr Finale in James Bond Manier nichts ändern. Im Gegenteil, ich fand es reichlich übertrieben und für mich hat Eleanor sich damit aus jeglichem literarischen Anspruch herausgeschrieben und das sage ich in diesem Fall sowas von ungern. Heulen könnte ich. Gut unterhalten zu werden, spannend und mit sozialkritischem Einschlag wäre auch okay, aber dafür den Daumen heben geht für mich hier auch nicht uneingeschränkt. Stereotyp wirkende Figuren machten es mir schwer, jedes Klischee das sich anbietet wird bedient. Alle agieren brav in den ihnen zugewiesenen Rollen, gleich ob attraktive Aktivistin oder skrupelloser Milliardär. Klischees, wie das von der erfolgreichen Unternehmerin, der Selfmade-Frau, die alles was sie je erreichen wollte und das auch im Alleingang geschafft hat, die in der Familie die Strippen zieht, alle Kinder ganz wunderbar geraten, ermüden mich.

Irgendwie denke ich, diskutiert man hier auch lieber, generell und emotional z.B. über Intersektionalität und Polyamorie, verzettelt sich. Basisdemokratie hin, Prinzipien und Solidarität her, wissen die eigentlich was sie wollen? Also diese Flora-Guerillias. Außer einem LSD-Trip, hernach sorgt ein Toter etwa nach zwei Dritteln der Geschichte für einen unerwarteten Zwischenfall und damit endlich für etwas mehr Dynamik. 

Eine Regierung hofiert Superreiche. Ein Milliardär pfeift auf Gesetze und Vorschriften. Ein Blogger wittert die Story seines Lebens. Politische Relevanz im Jahr 2017, aber Lebensweisheiten werden aus Harry Potter zitiert. Uiii!

Diversität, kulturelle Aneignung, gefühlt soll der Roman alles abdecken. Allem voran und das fand ich im Grund gut, die Ausbeutung von Rohstoffen zu Lasten von Natur und Umwelt. Dafür scheint hier jedes Mittel recht. Allerdings wirkt die Szenerie die hierfür konstruiert wird, trotz der Lokation Nationalpark, leider genau so auf mich, konstruiert und bemüht. 

Nach und nach deckt Catton die wahre Motivation ihres Milliardärs auf. Was er bereit ist an Ablenkungsmanövern aufzufahren, deutet darauf hin, wieviel es ihm einbringen muss, wenn sein Projekt glückt. Nein, der Zweck heiligt nicht die Mittel, Geld regiert die Welt, das hätte eine kluge Frau und Figur wie Mira schon auch klar sein müssen. Ist sie so naiv, oder tut sie nur so?

Warum habe ich trotz aller Kritikpunkte durchgehalten bis zum Schluss und kam da noch was? Weil ich von Eleanor Catton mehr erwartet habe. Mehr Raffinesse, mehr Tiefe und mit jedem nächsten Satz habe ich noch auf die Wende gehofft, weil sie kann es doch. Mich verblüffen. Mein Herz zum klopfen bringen und zwar so richtig!

Kreuz und quer durch verschiedene Genre unterwegs, gerne würde ich zumindest das am Ende noch sagen können, wenn ich wüsste, welche das sein sollen. Für einen Krimi reichte mir die Spannung nicht, nahezu reines Aneinanderfügen von Details sorgt zu lange für ein Dahinplättschern der Story. Ein Showdown macht noch keinen Thriller, tatsächlich holt Eleanor gegen Ende einmal richtig aus. Umweltaspekte allein ergeben noch keinen Klimaroman. Dafür ist die Geschichte insgesamt mit zuwenig Fakten unterfüttert.

Wer mit dieser Geschichte in Eleanor Cattons Schreiben einsteigt hat es besser als ich. Sie oder er werden nicht vergleichen. Hören geht in diesem Fall auch, wie schon von den Gestirnen gibt es auch vom Wald eine Hörbuch-Fassung, die rund 15,5 Stunden umfasst und gelesen wird von der Theaterschauspielerin und Synchronsprecherin Cathlen Gawlich. Ich hoffe jetzt auf ihre nächste Idee und darauf den Zauber der Gestirne wiederfinden zu dürfen …

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