Das Parfüm (Patrick Süskind)

Freitag, 05.01.2018

In der Musik nennt man sie Evergreens, in der Literatur Klassiker, in der Belletristik gibt es sie auch – Geschichten ohne Alter, Kultbücher. Letztens beim Aufräumen meines Bücherregals, bin ich auf ein solches Exemplar gestoßen. Der Schutzumschlag war mir über die Jahre verloren gegangen, unscheinbar, seltsam entblößt, kommt der rote Leineneinband daher. Rot, rot wie Blut, wie Leid und Verderben … Als ich es in die Hand nahm überlief mich ein Schauer. So war es mir damals auch ergangen. Wie lange ist das letzte Mal lesen eigentlich her? Irgendwann Ende der Achtziger mußte es gewesen sein. Als ich aufbrach, in meiner Leseentwicklung, vom Teenager zur Erwachsenen. Da gab es bei mir eine echte “Horrorphase”. Alle Bücher von Stephen King habe ich förmlich inhaliert, damals lag auch “Der Exorzist” auf meinem Nachttisch und dieses Exemplar hier:

Das Parfüm (Patrick Süskind)

17. Juli 1738. Es war einer der heißesten Tage des Jahres an dem Jean-Baptiste Grenouille geboren wurde. Seine Mutter, Mitte zwanzig, hochschwanger tat ihren Dienst an einer Fischbude auf dem Markt als die Wehen einsetzten. Es war ihre fünfte Niederkunft, allesamt Totgeburten, warum also sollte es diesmal anders sein? Auch heute würde das Neugeborene unter dem Tisch bei den Fischabfällen landen und von dort aus entsorgt werden, eine bewährte Methode. Aber heute war es anders, heute fing das blutige Bündel unter dem Tisch an markerschütternd zu schreien. Die Umstehenden waren entsetzt, als sie des Fundes gewahr wurden. Die junge Frau wurde verhaftet, abgeführt. Als sie dann auch noch unumwunden zugab, dass sie sich nicht weiter um das Neugeborene hätte kümmern wollen und es auch nicht der erste “Abgang” sei, wurde ihr kurzer Hand wegen mehrfachem Kindsmord der Prozeß gemacht und sie verlor nur ein paar Wochen später bei einer öffentlichen Hinrichtung den Kopf.

Jean-Baptiste kam daraufhin zu einer Amme, aber diese Amme und auch die nächste und übernächste wollten den Säugling nicht länger als ein paar Tage behalten. Er sauge zu gierig, für die anderen Stillkinder ließe er nichts mehr übrig und es war eigentümlich, achtete man einmal genau, dieses Kind hatte irgendwie keinen Eigengeruch …

Herum gestoßen und ungeliebt wuchs Jean auf, ging als er alt genug war bei einem Gerber in die Lehre. Was für ein Gestank! Besonders für ihn. Schon früh bemerkte er, dass er mit einer besonderen Gabe ausgestattet war. Sein Geruchssinn war nicht nur bemerkenswert, sondern einzigartig. Das ihn sein weiterer Berufsweg dann nach Grasse in die Stadt der Parfümeure führte, war also nur konsequent. Dort komponierte und schuf er schon bald außergewöhnliche Düfte. Keine normalen Zutaten wollte er verarbeiten, nein, es mußte doch gehen auch Gegenständen ihren Duft zu entlocken, Metall, Glas – welches Verfahren konnte das? Die normale Destillation stieß hier an ihre Grenzen.

Dieser Abend in den Gassen von Grasse sollte sein Leben nicht prägen, nein er würde es auf den Kopf stellen. Der Duft dem er folgte war betörend und unvergleichlich. Als ihm bewußt wurde, zu wem er gehörte, hatte er sich der wunderschönen, rothaarigen jungen Frau auch schon von hinten genähert und sie erwürgt. Jetzt musste es ihm nur noch gelingen ihren Duft zu extrahieren und zu konservieren …

Patrick Süskind gilt als scheu, über die Entstehungsgeschichte seines Erfolgsromans ist daher bis heute nicht viel bekannt. “Das Parfüm” erschien 1985 wurde in 48 Sprachen übersetzt, und bis heute weltweit über 20 Millionen mal verkauft. Damit gilt der Roman als einer der größten deutschsprachigen Bucherfolge des 20. Jahrhunderts. Neun !! Jahre lang behauptete er sich auf der Spiegel-Bestsellerliste und neun Jahre dauerte es auch, bis der Diogenes Verlag erstmals eine Taschenbuch-Ausgabe verlegte. 2001 verkaufte Süskind die Filmrechte an seinen Freund Bernd Eichinger. Fünf Jahre später feierte die Verfilmung dann Premiere.

Seine Geschichte und sein Mörder sind rein fiktiv, Recherche über Destillation und Parfümherstellung jedoch sind fundiert und historisch genau recherchiert, wie auch viele andere Inhalte des Romans. Meisterhaft verwoben hat Süskind Fiktion und Fakten, so habe ich erst geglaubt Grenouille ist als Serienmörder ebenso real wie “Jack the Ripper”.

Sprachlich immer noch jung, eine eigenartige Faszination, ja Hassliebe verbindet mich mit seiner Hauptfigur. Fürwahr ein Klassiker, einer der besten Thriller, die mir je zwischen die Augen gekommen ist. Nein, eigentlich paßt diese Einordnung nicht, dieser Roman ist Sittengemälde, Krimi, Parabel, historische Erzählung und Lehrbuch gleichermaßen. Neben spannender Unterhaltung lernt man eine Menge über Parfüm, Ingredenzien, Herstellungsverfahren. Ein guter Duft ist mindestens genauso verlockend wie ein gutes Buch. Kein Wunder also, dass diese Kombination eine außergewöhnlich gute Geschichte ergab …

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