Das Buch Ana (Sue Monk Kidd)

Was liest man in der Adventszeit? Diese Frage stellt sich mir in jedem Jahr. Besinnlich, nachdenklich oder humorvoll? Was darf es diesmal sein? Eine Reise nach Mittelerde unternehme ich in jedem Jahr, das hat Tradition. Hörend wollte ich mich in diesem kuriosen Advent einer Geschichte annehmen, die sich damit beschäftigt, das man nicht jeden lieben, aber doch stets liebevoll handeln kann. Ob mir und der Autorin, die ich mir dafür ausgesucht habe das gelungen ist? Schaut weiter, wenn ihr mögt:

Das Buch Ana von Sue Monk Kidd

Sepphoris, 16 – 17. n. Chr.

Eine Schale, in der sich Gebete drehen. Aus der die Worte in den Himmel aufsteigen können. Als Anas Tante ihr diesen Gegenstand in die Hände legte, seine Bedeutung erklärte, war sie wie gebannt. Für sie, die die Gabe besaß, aus Worten Geschichten zu formen, die sich vorgenommen hatte allen Frauen, die in der heiligen Schrift vorkamen nachzuspüren, deren Geschichten zusammenzutragen, nachzuerzählen und hervorzuheben, für sie war diese Schale etwas ganz besonderes. Ihr Vater war der Oberste Schriftgelehrte und engste Berater des Herodes und er hatte dafür gesorgt, dass seine Tochter, gegen alle Konvention, das Lesen und Schreiben hatte lernen dürfen. Ana war jetzt vierzehn Jahre alt.

“Ein Gebet niederzuschreiben, das war eine ernste und heilige Angelegenheit. Der Akt des Schreibens selbst rief oft göttliche, manchmal aber auch unstete Mächte auf den Plan, die in die Buchstaben eindrangen und eine geheimnisvolle, beseelende Kraft schickten, die sich wie eine Welle durch die Sätze bewegte.”

Textzitat Sue Monk Kidd Das Buch Ana

Sie führten sie zum Markt. Hübsch herausgesputzt und hatte sie sich zu Hause noch gewundert, warum auch ihre Mutter ihr Festtagsgewand angelegt hatte, dämmerte ihr, als sie ihren Vater in ein intensives Gespräch mit einem älteren, zwergenhaften Mann vertieft sah, dass man sie hier verkaufen wollte. Verheiraten sagte man zu dieser Art des Kuhhandels, der um Verlobungsbedingungen, um die Zeit bis zur Hochzeit und um sie kreiste …

Es war unruhig in Galiläa. Man hoffte und wartete auf einen Messias, der die Vorherrschaft der Römer beenden sollte, während sie Ana Demut lehrten und ihr Streben nach Anerkennung zu unterdrücken suchten. Dieser Ana, die eine Hellsichtigkeit entwickelt, die mit banalen Vorahnungen beginnt …

Sue Monk Kidd, geboren am 12. August 1948, in Sylvester/Georgia, us-amerikanische Schriftstellerin, erschrieb sich 2002 ihren Durchbruch mit Der Bienenhüterin. Für ihren Roman die Erfindung der Flügel von 2014 sicherte sich Oprah Winfrey die Filmrechte. Ein klein wenig hatte ich die Furcht ihr Buch Ana könne blasphemisch geraten, aber das ist es nicht. Kidd erzählt die Geschichte eines Mädchens, einer jungen Frau, die mit offenem Blick und wachem Verstand aufnimmt was um sie herum geschieht und versucht dies in Worte zu fassen und niederzuschreiben. Dabei spielt die Rolle der Frau in dieser Glaubensgemeinschaft und im Galiläa jener Tage eine zentrale Rolle. So ist dieser Roman ein Plädoyer geworden dafür, dass es Frauen nicht automatisch zukommt am Rande zustehen. Das sie ein Recht auf Bildung, auf Respekt und Wertschätzung haben, und das auch Töchter als gleichwertige Familienmitglieder geachtet werden.

Kidd schreibt sehr melodisch, ihre Geschichte fließt, ist leicht konsumierbar. Sie lässt sich Zeit, stattet ihre sie mit reichlich Details aus, zeichnet szenische Wortbilder, von Gebeten und Tintenklecksen. Von Ehebünden und Scheidungsgründen. Schnell war seinerzeit der Ruf einer Frau ruiniert und man war ebenso schnell mit Steinen bei der Hand, die man nach ihr warf …

Sie schreibt sie von Schändung, Schmach und Konsequenzen, von einer Körperbeschau vor der Verlobung, inklusive der Besichtigung des “Allerheiligsten” der betroffenen Frau, was für eine Demütigung.  

Einen Sohn zu gebären erhöhte den Stand einer Frau, ein Mädchen zur Welt bringen aber setzte ihn herab. Dieses durfte dann auch in der Synagoge seine Stimme nicht erheben. Dem Rabbi als Mädchen Fragen stellen? Undenkbar.

Von Brüdern namens Judas, von Verrat und Kreuzigung. Ana wird von Kidd als Hauptfigur und Ich-Erzählerin eingesetzt, was der Geschichte gut steht, erfahren wir so aus erster Hand was ihr wichtig ist. Sie spricht uns als Leser direkt an. Erzählt von einem Streit mit dem Vater, der einen Sohn vertreibt, Von einem jungen Mädchen, von Zwangsheirat, in einer von Männern und Religion dominierten Zeit und Gesellschaft. All dies spiegelt mehr das Rollenbild der Frau in jener Zeit als das Leben an Jesu Seite, das mit einer zufälligen Begegnung beginnt. 

Bruder für Schwester und Schwester für Bruder. Von Beinahe-Steinigungen, einem Scheidungsgrund, rebellischen Herzen und Ignoranz. 

Das alles klingt nach einer Geschichte mit Potential und deshalb hatte ich sie mir auch ausgesucht. Aufgegangen ist Monk Kidds Rechnung für mich jedoch leider nicht. Ihr Roman wirkt auf mich eine Spur zu romantisch, lässt das Leben Jesu und sein Wirken, seine Botschaft beinahe links liegen, verarbeitet nur die Basics, um ihrer fiktiven Figur der Ana einen Rahmen zu geben. Ein Emanzipationsroman, der in dieser Zeit verortet ist, hätte auch ohne den biblischen Bezug funktioniert, vielleicht sogar besser. Zu verbildlichen welche Bedeutung der Ehe in dieser Zeit zukam, dafür gilt für mich das Gleiche. Ihre Idee, Jesu als Mensch darzustellen kommt für mich ebenfalls zu kurz, weil er, Jesus,, dafür im Roman schlicht und einfach zu wenig vorkommt. 

Wie die Autorin von der Leidenschaft erzählt, die ihre Ana für das Schreiben hegt, das hat was, einen Roman aber in einen religiösen Kontext zu stellen und diesen dann keinen Raum einnehmen lassen, das geht für mich nicht. Einzig im Nachwort der Autorin, das auch im Hörbuch sehr ausführlich ausgefallen ist, wird deutlich was an Rechercheaufwand für diesen Roman geleistet worden ist. Schade, das sich nur so wenig dieser Hintergründe in ihm wiederfinden. Da hatte ich mir mehr erwartet und das war mein Fallstrick.

Die mutige, eigensinnige Ana mochte ich als Figur, auch wenn sie in eine Geschichte eingebettet ist, die mir zu süßlich, zu gefühlig geraten ist, die für mich auf dem schmalen Grad zum Kitsch balanciert. Kidd ist sehr plakativ unterwegs, sie erzählt einfach alles zu Ende, lässt zu wenig zwischen den Zeilen stehen und vergibt damit für mich die Chance diesem Roman das Drama mitzugeben, das der historische Hintergrund geboten hätte. So manche Formulierung wirkte übertrieben, besonders dann, wenn sie versucht den Ton dieser Zeit einzufangen (übersetzt hat Judith Schwaab):

“Wahrlich ich sage Euch, es gibt Zeiten da sind Worte so glücklich am Leben zu sein, dass sie auf ihren Tafeln und Schriftrollen lachen und tanzen und springen, so war das auch mit den Worten die ich schrieb, sie feierten bis der Morgen graute.”

Textzitat Sue Monk Kidd Das Buch Ana

Alexandria, 28 – 30 n. Chr. Hier habe ich mich im Roman am wohlsten gefühlt. Leuchtend bunte Gewänder, Fässer mit duftendem Weihrauch, prächtige Bauwerke. Die Ägypter, wie weit sie ihrer Zeit doch voraus waren, wie besonders ihre Kultur. Es gab Schulen für Medizin, ich erfahre von Heilmethoden die sich aus einem Opiumtraum ergeben sollen, und große Bibliotheken, beeindruckende Tempel. Das fängt Monk Kidd sehr gut ein. Ihre Ana bewegt sich hier auf verbotenen Pfaden.  

Sehr ambitioniert stellt Monk Kidd ihr Roman Projekt im Nachwort vor. Wäre die westliche Welt heute eine andere, wäre Jesu verheiratet gewesen? Wäre das Verhältnis zwischen Männern und Frau ein anderes? Würde es den Zölibat dann geben? Mit diesen Kernfragen wollte sie sich beschäftigen, die Antwort auf diese Fragen hat sie mir mit ihrem Roman nicht gegeben. Kann man sie überhaupt aus diesem Zusammenhang heraus beantworten?

Tanja Fornaro, geboren am 04. Januar 1973, deutsche Schauspielerin, bekannt geworden mit der Familienserie Aus heiterem Himmel liest die ungekürzte Hörbuch-Fassung, was 17 Stunden und 13 Minuten dauert. Sie passt sich vom Tonfall her der Sprache von Monk Kidd an, klingt sehr lieblich und ich hatte sie um ehrlich zu sein auch deshalb nicht besonders gerne im Ohr. Stellenweise klang sie gar etwas schrill und sie konnte mir über die Schwächen, die diese Geschichte für mich hat leider nicht hinweg helfen, so hätte etwa eine gekürzte Lesung ihr einige Längen nehmen können.

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