Allein (Daniel Schreiber)

Das neue Jahr ist noch jung. An seinem Anfang blickt man zurück. Auf vieles und einiges. Auf Weihnachten vielleicht, das soll das Fest der Familie sein. Was aber wenn es keine Familie hat? Oder nicht mehr?

Am 2. Weihnachtstag haben wir an einem Autobahnrastplatz gehalten. Waren auf dem Weg nach Hause und ich habe bislang noch nie darüber nachgedacht, wie sich für all die Fernfahrer, die an einem Sonn- und/oder Feiertag eine Zwangspause haben Weihnachten anfühlt. Mir scheint, als hätten nicht wenige von ihnen die Festtage alleine in einer engen Fahrerkabine auf einem solchen Parkplatz verbracht.

Einsamkeit hat viele Gesichter. Selbst in einem Raum voller Menschen kann man einsam sein und so überraschend wie erschreckend, war für mich zu lesen, dass sich in Deutschland besonders viele in der Gruppe der unter 30-Jährigen besonders häufig einsam fühlen. In den Städten hat es mittlerweile immer mehr Singlehaushalte und Alleinlebende, wo ist da die Trennschärfe zwischen Einsamkeit und dem Alleinesein? Psychologen sind sich einig, wer sich einsam fühlt, ist der Meinung, diesen Zustand nicht selbst auflösen oder beenden zu können, wohingegen alleine zu sein, beispielsweise bei einem Spaziergang, oft sogar als Luxus empfunden wird, weil man sich jederzeit danach wieder in Gesellschaft begeben kann.

Macht auch hier die Dosis das Gift? Der Essayist und Autor Daniel Schreiber hat auf sich und die Gesellschaft in der wir leben geschaut und sich einige Fragen zum Alleinsein gestellt.

Wer hätte gedacht, daß ich in seinem Buch “Allein” ausgerechnet eine Gemeinsamkeit entdecke, die für mich mit dem Alleinsein auf den ersten Blick gar nichts zu tun hat. Vielleicht hat sie aber doch auch alles damit zu tun. Die Rede ist von der Leidenschaft für das Gärtnern. Für fremde Gärten und die Sehnsucht nach einem eigenen.

Mit Schreiber teile ich uneingeschränkt die Bewunderung für die Niederländer unter den Gartenarchitekten, die es par excellence schaffen, mit der wilden Schönheit von Präriestauden und Gräsern zu spielen. Die Natur in geschützte Räume zu holen.

Gartenarbeit macht nicht nur Rückenschmerzen, sondern erdet auch. So empfinde ich das und kann gut damit und mit mir allein sein. Das Ergebnis meines Schaffens, das was dann grünt und blüht, muss ich allerdings teilen. Was seltsam ist, aber auch schön, weil es bedeutet, was alleine beginnt kann zweifelsohne auch verbinden.

Um das was Menschen verbindet geht es bei Daniel Schreiber auch. So soll ihm ein Garten, das gemeinsame Sanierungsprojekt eines solchen, die Verbindung zu einer Freundin erhalten, die mitsamt ihrer Familie beschlossen hat Berlin hinter sich zu lassen um auf’s Land zu ziehen.

“Wir verändern uns. Verändern uns die ganze Zeit und wir vergessen, vergessen, auch wenn wir es nicht wollen wer wir einmal waren. Wir brauchen Menschen, die uns genau davor bewahren.”

Textzitat Daniel Schreiber – Allein

Schreiber erzählt uns vom Glauben an die Liebe, vom Zweifel, vom Scheitern aneinander, wenn es eben nicht gelingen will, eine stabile und glückliche Partnerschaft zu führen. Viele seiner Sätze machen mich nachdenklich, werfen mich auf mich selbst, meinen Lebensentwurf, meine Entscheidungen zurück. Sätze, die auch meine Zweifel zulassen und mein kleines Glück. Ich lebe nicht allein, darf mein Leben teilen mit einem Menschen der mir wichtig ist. Zeit, genau das einmal bewusst wertzuschätzen.

Wir müssen nicht alle jeder Norm entsprechen, von der man uns erklärt, dass sie die einzig richtige ist. Aber es sollte uns gut gehen mit unserer Entscheidung wie wir leben wollen.

Was ist ein gutes Leben und warum fühlt es sich ausgerechnet und regelmäßig zum Jahresende so an, dass das Leben in dem man steckt kein solches ist? Wie gut ich Daniel Schreiber nachempfinden kann was ihn in diesen Wochen und Monaten alljährlich umtreibt.

Je mehr Kalenderblätter ich abreiße, umso mehr geht es mir wie ihm. Wie klug er da seine Gedanken in Worte zu fassen versteht, wie nahe er mir dabei kommt, wie sehr ich mich in diesen Passagen von ihm gesehen fühle!

Sind wir nur deshalb mit anderen befreundet weil wir uns in ihnen gespiegelt sehen? Wollen? Was narzisstisch klingt ist laut Schreiber eher die Regel als die Ausnahme. Dabei liegt genau im Gegenteil für kostbare und bereichernde Beziehungen und Freundschaften der Schlüssel. Ist es nicht genau die Verschiedenheit, die uns immer wieder staunen macht? 

Überhöhte Ideale, Vertrauen versus Fremdheit. Nicht nur uns sondern auch den Großen unter den Philosophen hat das sich mit der Zeit, in unserer Gesellschaft, wandelnde Bild von Freundschaften beschäftigt und deren Lösungsansätze sind so vielfältig wie die Freundschaft selbst. Die für mich In jedem Fall eines braucht: Offenheit, gegenseitiges Verständnis und Raum. Dabei kann es auch schon einmal unperfekt, ärgerlich und augenöffnend werden.

Stricken ist das neue Yoga und die Serie Friends Flucht und Ersatz für einen Alltag, den es so nicht mehr gibt.

Ein wahrer Augenöffner, in Bezug auf Solidarität und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, war die Corona Pandemie. Da konnte man Menschen und auch sich selbst ganz neu kennenlernen. Rücksichtslosigkeit erleben, ob beim Abstand halten oder bei Hamsterkäufen. Für viele war es eine Zeit des unfreiwilligen Alleinseins, auf die man sowas von nicht vorbereitet war. Haben wir aus dieser Zeit etwas mitgenommen? Ich würde ja meinen, eher einen Schaden als eine Lehre.

Daniel Schreiber hat mit und in dieser Zeit eigene Erfahrungen gemacht (wie wir alle) und hinterfragt was da mit ihm und uns passiert ist. Angst und Isolation führten zu Schweigen. Wer hier hinhört, erkennt zwangsläufig wie viel davon er selbst erlebt hat.

Schreiber mischt Recherche mit eigenem Erleben und wenn ich auch einige seiner Gedanken gerne aufgegriffen habe, bin ich nicht restlos überzeugt am Ende seines Textes. Schreiber liest seine Hörbuch-Fassung selbst ein, was ihr nicht gut getan hat. Finde ich. Stimme und Text gehen da für mich keine Verbindung ein. Auch sein Blickwinkel, der ihn aus einer doch sehr privilegierten Position heraus erzählen lässt, wirft bei bei mir immer wieder Fragen auf. Wie viele, die allein leben, haben einen solch exponierten Freundeskreis, dass man sich eben mal für mehrere Monate in ein Haus in London zurückziehen kann, das einem wer überlässt, der für ein Projekt im Ausland ist? Sein Allein und mein/unser Allein ist eben doch nicht das gleiche Allein. Was wiederum paßt. Stimmig ist für mich auch, seine Sicht auf die Abgrenzung zwischen dem Bestreben der fortwährenden Selbstoptimierung und der Gabe sich selbst zu heilen, durch eine nicht ichbezogene Selbstliebe und Selbstachtung. Nur dann ist es uns möglich auch anderen offen und mit Empathie zu begegnen.

Auch den Gedanken, das sich Freundschaften mit der Zeit verändern. Dürfen. Kann ich gut nachvollziehen. Manchmal wird man eben “pausiert”, manchmal verliert man. Den Anschluß. An Menschen die einem wichtig waren. Man rutscht in deren zweite oder dritte Beziehungsreihe. Was nachvollziehbar aber schmerzhaft ist. Daniel Schreiber bringt das ohne Bitterkeit auf den Punkt. Es ist eben wie es ist und anspruchsvoll bleibt, sich selbst in einem solchen Wandel nicht zu verlieren …

“Manchmal versteckt man sich so gut, dass man selbst nicht mehr weiß wer man ist.”

Textzitat Daniel Schreiber – Allein
Verfasst von:

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert