*Rezensionsexemplar*
Sonntag, 27.05.2018
Kalter Krieg bei den Oscars 2018? Sieht wohl so aus. Nachdem “Das Flüstern des Wassers” bereits den Hauptpreis, den “Goldenen Löwen”, der Filmfestspiele in Venedig gewonnen hatte, sahnte der Film bei der diesjährigen Oscar-Verleihung gleich vier der Goldjungs ab, darunter für den besten Film und die beste Regie. Meine Neugier war geweckt, meine Erwartungen hoch, angelockt hat mich ein wunderschön gestaltetes Cover.
Ein Film folgt anderen Regeln als das Print, erzählt, berührt, verführt mit Bildern. Kann ein Autoren-Gespann bestehend aus einem Erfolgs-Regisseur und einem Erfolgs-Autor mit Worten vergleichbares erreichen? Mein Entschluß stand fest, ich wollte zuerst lesen, dann schauen. Here we go, das Ergebnis meines jüngsten Lese-Abenteuers …
The Shape of Water (Guillermo del Toro/ Daniel Kraus)
Das Wasser des Amazonas floss kakaofarben unter dem Rumpf des Bootes dahin. Jetzt in der Trockenzeit beeilten sich seine Nebenflüsse nicht mehr ihn zu überholen, sie waren ihm treue Begleiter geworden. Strickland stand an der Reeling und hielt Ausschau. Siebzehn Monate, siebzehn verdammte Monate waren sie jetzt schon hier. Viele Männer hatten sie verloren, an Schlangenbisse, Infektionen, verirrte Kugeln, Macheten, an die Malaria und ja, auch an ihn. Noch immer hatten sie kein Ergebnis und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis General Hoyt mit ihm und seiner Mission die Geduld verlieren würde. Nach zahlreichen Kriegseinsätzen hatte er diesen Auftrag angenommen um sich eine Karriere im zivilen Leben aufzubauen, er war erschöpft, die Stimmen in seinem Kopf wurden mehr, nicht weniger, zu Hause warteten seine Frau und zwei Kinder, während er in diesem gottverdammten Dschungel ausharrte und einem Fluss-Wesen auflauerte, dass die Indianer als Gott verehrten. Wenn es dieses Geschöpf denn tatsächlich gab, halb Mensch, halb Fisch, so ging die Legende, mit heilender Kraft und viele Menschenleben alt …
Elisa war stumm und damit die ideale Reinigungskraft. In den Occam Laboren des US-Militärs in Baltimore hatte man ihr wohl auch deshalb eine Sicherheitsfreigabe erteilt, so schnell würde sie nichts verraten und man ließ sie im Nachtdienst auch im Labor F1 putzen. Als Elisa zum ersten Mal vor diesem riesigen Tank stand und in seinem inneren zwei goldene Augen schimmern sah, stockte ihr der Atem. Als das Wesen im Bottich gar auf ihre Gebärdesprache reagiert, wollte sie es zunächst nicht glauben, es kommunizierte mit ihr …
Guillermo del Toro – visonärer Geschichten-Erzähler und erfolgreicher Regisseur war von dem Film “Der Schrecken des Amazonas” aus dem Jahr 1954 so begeistert, dass er diese seine Geschichte sogar in schwarz-weiß Bildern erzählen wollte. Sein Filmstudio lehnte das ab und so schwelgt seine Version einer verhängnisvollen Beziehung jetzt in facettenreichen Blautönen.
Daniel Kraus kennt sich mit Monstern aus, im Genre Fantasy hat der Amerikaner bereits mehrfach erfolgreich veröffentlicht. Er hat gemeinsam mit del Toro in dieser Story eine Mischung aus Area 51 und Avatar erschaffen – märchenhaft romantisch und militärisch grausam gleichermaßen.
Worum geht es?
Als der Kalte Krieg in den 1960ern auf dem Höhepunkt war und die Sowjets und die Amerikaner sich ein Wettrennen in der Raumfahrt lieferten, entdeckt das amerikanische Militär bei einer Amazonas-Expedition ein Wesen, halb Mann, halb Fisch, über Kiemen atmend und verschleppt es in ein Hochsicherheits-Labor nach Baltimore. Dort will man notfalls mit dem Skalpell dem Rätsel dieser Amphibie zu Leibe rücken, seine Alterslosigkeit könnte bei einer Reise ins All ein entscheidender Vorteil sein. Krankheiten scheint dieser Körper ebenfalls nicht zu kennen, ein wahr gewordener Traum!
Das man bei militärischen Forschungen nicht zimperlich ist, wissen wir spätestens seit E.T.. In “The Shape of Water” unternehmen allerdings keine Kinder verzweifelte Rettungsaktionen, sondern ein buntes Völkchen Verbündeter.
Ein schwuler, alternder Plakatkünstler, ein fehlgeleiteter Wissenschaftler, eine farbige Reinigungskraft und Freundin im Dauer-Ehe-Streit, sowie eine stumme, junge Frau, die sich was traut, geben hier alles. Gejagt, im Wettlauf gegen die Uhr, werden sie von halb wahnsinnigen Berufssoldaten, die jegliche Bodenhaftung verloren zu haben scheinen und in deren Ohren die Schreie des Krieges gellen.
Dieses Buch zum Film will unterhalten und das tut es auch. Es startet atmosphärisch im Dschungel am Amazonas, verlagert seine Handlung dann konstrastreich in die kalte Laborumgebung einer Hochsicherheitseinrichtung des US-Militärs. Es ruft alte Feinde auf den Plan, Freunde zur Ordnung und macht eindeutig schwer verliebt.
Ohne Rückblenden erzählen die beiden Autoren, chronologisch und sehr konsumig, mit Schnitten à la Hollywood fliegen die Seiten beim Lesen da nur so dahin. Für einen Sommer-Abend auf der Terrasse, mit dem Plätschern des Brunnens im Ohr, oder auf der Strandmatte am Meer, ist es für die Romantiker unter uns eine gute Wahl. Hier darf man noch anders sein und wird trotzdem geliebt, stürmisch, leidenschaftlich und ohne Einschränkung. Auf Freunde kann man hier noch zählen, auch dann wenn die Luft ganz schön dünn wird …
Schreibe den ersten Kommentar