In der ARD Audiothek ist zum kostenlosen Download aktuell ein wie ich finde, eindrücklich gelesenes Hörspiel von Maike Wetzels Roman <Schwebende Brücken> verfügbar. Lesend wechseln sich dabei die Schauspielenden Anne Ratte-Polle und Manuel Harder unter der Regie von Kai Grehn ab und beide Stimmen klingen noch in mir nach. Sie sind den Sätzen von Maike Wetzel eine Stütze, dann, wenn die Trauer wie eine Brandungswelle alles überspült was ihre Protagonistin fühlt. Was sie aushalten muss. Denn sie ist jetzt eine Hinterbliebene. Die einen Schicksalsschlag erlitten. An einem ersten, noch kühlen Junitag.
Erinnerungen an unschöne, auch unnötige Auseinandersetzungen ihrer Ehe, ebenso wie schmerzhaft Schönes. Holen Sie ein. In diesem Moment des Wartens, bis zur Gewissheit und auch danach. Immer wieder.
Schwebende Brücken von Maike Wetzel
Unter einem monstergrauen Himmel liegt auf einer Wiese am Rand eines Badesees eine verlassene karierte Picknickdecke. Wir schauen auf diese Szenerie und sehen Badegäste, die ihre suchenden Blicke dem Wasser zugewandt haben und eine Frau, die zwei Kinder im Arm hält. Um sie herum summende Stimmen.
Ihr Mann, der Ehemann der Frau mit den beiden Kleinen, wird vermisst. Eben noch war er mit seinem Boot auf dem See unterwegs und sie war seinem Segel, ein Punkt am Horizont, mit dem Blick gefolgt. Jetzt kreiste ein Helikopter über dem Wasser. Auf der Suche nach ihm. Sein Faltboot. War gekentert. Wie konnte das sein, auf diesem See, auf und an dem niemand eine Rettungsweste trug. Der harmlos da lag. Auch jetzt noch. Nach diesem Unglück. Als verhöhne er sie. Alle wie sie ihn umstanden. Rettungskräfte und Schaulustige.
Der Schwager und die Schwiegermutter und der Schock. Still aber nicht ruhig. Drei Stunden lang warten sie am Steg bis jemand sagt es sei unwahrscheinlich, dass ihr Mann noch lebend gefunden würde.
Maike Wetzel, geboren am 29. September 1974, veröffentlichte diesen ihren Roman, der fraglos autobiographische Züge trägt 2023. Der Unfalltod ihres Mannes lag da bereits fünf Jahre zurück. Man mag sich das nicht vorstellen und fühlt mit ihr. Fünf Jahre, in denen ihr die Verzweiflung ihrer Söhne über den Verlust des Vaters große Angst gemacht hat, wie sie in einem Interview erzählt. Wie auch nicht? Miterleben zu müssen wie ein geliebter Mensch leidet, steht stets über dem eigenen Kummer.
Die Zeit vergeht. Zeit, in der sie ihr eigenes Erleben verarbeitet hat, um es literarisch in anderen Schicksalen neu zu fassen und eigentlich Unsagbares zu formulieren. Davon zu erzählen, wie es ist, sich das Lachen wieder zu erlauben. Ohne schlechtes Gewissen. Trotzdem oder genau deshalb in liebevoller Erinnerung zu verbleiben. Es endlich zu können. In Dankbarkeit auch.
Einfühlsam poetisch und berührend formuliert Wetzel. Faßt die Gefühle einer Frau in Worte, die ihren Mann ohne Vorwarnung verloren hat. Den Halt, ihren Boden, unter den Füßen.
Parallelen zu Orpheus und Eurydike flckern auf, die Wetzels Protagonistin nicht helfen, weil Trauer mit Kindern etwas für den Feierabend ist, der nie kommt ( Zitat).
Traurig, nachdenklich und sanft ist dieser Text. Der von der Frage nach dem Warum erzählt, nach der Verbindung zwischen losen Fäden, der danach sucht, wohin eine Seele flieht, wenn sie verschwindet.
Zuversicht ist Pflicht, der Kinder wegen und die entscheidende Eigenschaft des Wassers ist nicht die Schwerelosigkeit, die es uns verleiht, sondern seine Kraft, schreibt Maike Wetzel und löst in mir mit ihren Gedanken eine Flut an eigenen aus.
In der Kürze liegt die Würze, das Hörspiel umfasst 1 Stunde 25 Minuten, der Roman aus dem Verlag Schöffing & Co. 208 Seiten. Seine Autorin versteht es meisterlich zu verdichten. Ihr Text wirkt wie ein emotionales Hochkonzentrat in mir und ich möchte jetzt gerne mehr von ihr kennenlernen. Hört vorbei, es lohnt sich sehr.
Schreibe den ersten Kommentar