Regen (Claire Beyer)

Die verheerende Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 bei der 135 Menschen ums Leben kamen. Lachende Politiker und Skandale. Der Ruf nach den Schuldigen. Die unzähligen und unermüdlichen freiwilligen Helfer aus ganz Deutschland, hatte ich sofort im Kopf, als ich diesen Titel in der Hand hielt. Auch hier bringt ein Regen die Protagonistin um Haus und Besitz, wer jetzt allerdings, so wie ich, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Thematik erwartet, der sei gewarnt und erstens kommt es anders und zweitens als man denkt …

Regen von Claire Beyer

Eine schwarze Limousine im strömenden Regen. Zwei Koffer auf einem Supermarkt-Parkplatz und ein Wagen der nicht mehr anspringt.

Eingepackt hat Elisabeth die beiden Koffer, die ein Mann einfach so abgestellt hat und dann ging alles ganz schnell. Erst Hagel. Dann noch mehr Regen, eine Straßensperre. Zu Fuß weiter zu ihrem Haus am Bach. Das nicht mehr stand, respektive nur noch die Hälfte und aus ihrem Bach war ein Strom geworden, der alles mitriss.

Alles was ihr lieb und teuer war und alles andere auch.

Eine Fahrt ins Ungewisse. Eine Fahrt in ihren Heimatort. Ein Kater, der ihr zuläuft. Ein roter. Hartnäckig bleibt er bei ihr. Krallt sich förmlich in ihr Leben. Kratzt sie schmerzhaft, hinterlässt blutige Spuren, als sie ihn aus ihrem Auto befördern will.

Geld. Jede Menge davon ist in einer der beiden Taschen. Gebrauchte Scheine der unterschiedlichsten Währungen. Sauber eingeschweißt. Christlicher Schmuck, Kelche und Kreuze in der anderen. Was jetzt?

Claire Beyer, geboren 1947, lebt und arbeitet in Markgröningen bei Ludwigsburg. Veröffentlicht hat sie bislang sechs Romane, sowie Erzähl- und Gedichtbände und es ist Elke Heidenreich, die insbesondere Beyers Romandebüt Rauken lobend erwähnt und mich in diesen hier gelockt hat. Bei aller, ich nehme es vorweg, gleich folgenden Kritik meinerseits an Regen, möchte ich mir Beyers Debüt, nach etwas Abstand, noch einmal näher anschauen.

Was war das mit mir und Claire Beyers sechstem Roman Regen? Wo verlief da meine innere Grenze, warum konnte ich diese Heldin, sowie sie gezeichnet ist, nicht? Die Fünfzig hat sie gerade überschritten und schön ist sie offenbar. In den Augen anderer.

Nachvollziehbar klang für mich anfangs noch, das sie sich quasi im Schock nach diesem Unglück, alles Hab und Gut ist verloren, ins Auto setzt und einfach nur hauen. Beyer lässt sie als Ziel bewusst den Ort wählen wo sie aufgewachsen ist, dort landet sie auch ohne Umwege. Ihrer Flucht nimmt das für mich den “Im-Affekt-Charakter” und damit verliert diese für mich an Glaubwürdigkeit. Einverstanden wäre ich gewesen, hätte ich erfahren, warum es sie dorthin zurückzieht, aber das lässt die Autorin offen. Ich bin ihrer Elisabeth dennoch gefolgt und wollte wissen, wonach sie auf der Suche ist.

Den Mann, mit dem sie verheiratet ist, will sie gerne hinter sich lassen. Fühlt sie sich von ihm doch ausgenutzt und ungeliebt. Sagen kann sie ihm das aber offenbar nicht. Sie lässt ihn einfach stehen. Auch diese Motive bleiben für mich im Dunkeln. Aber weiter im Text, in dem Wissen, dass diejenigen, denen sie ihr Diebesgut entwendet hat, auf der Suche nach ihr sind, versteckt sie sich auf einer Alpe.

Zwischen Bären, Wölfen und Muränen. Bürstet gegen Kost und Logis Käselaibe, hütet Kühe und verliebt sich sturzartig, und/oder er sich in sie. In den Forstwirt vom Dienst, der so wie sie auch verheiratet ist. Im Dorf ist man “not amused” angesichts dieser Affäre. Man spart dazu nicht mit Kommentaren, die Weibergemeinschaft hilft ihr aber trotzdem, schließlich gibt sie an, vor einem gewalttätigen Ehemann geflohen zu sein und ich wähne mich, derweil sie ihr Auto umlackieren lässt und einen Teil der Beute vergräbt, in einem Heimatroman. Es werden Blumenkränze geflochten, gemeinschaftlich wird einem Bergsturz getrotzt, die Jungen helfen den Alten, es wird gegrantelt.

Dann betreten sie die Bühne: Männer in schwarzen Anzügen mit tadellosen Manieren und handgenähten Schuhen, gewaltbereit mit Hilfe von Messern und Fäusten ihre Gesprächspartner zu überzeugen. Sie sind es, die Elisabeth auf den Fersen sind. Wir wissen warum. Sie auch. Sie wollen was ihnen gehört.

Okay, liebe Elisabeth Romanheldin, kurzweilig unterhalten tut sie deine Geschichte. Eine gewisse Spannung hat sie auch, aber … Auf mich wirkte sie irgendwie blutleer, du und deine Mitstreitenden blieben mir zu schattenrissartig. Als stereotyp hab’ ich euch empfunden und mich insgesamt nicht wirklich erwärmen können für das was euch da umtreibt. Elke Heidenreich wird auf der Schutzumschlagrückseite zitiert, es gehe bei euch um verpasste Chancen und Möglichkeiten, um unwiederbringliche Verluste und ja, darum geht es auch, aber lediglich am Rande und an der Oberfläche kratzend, die Handlung selbst wirkt auf mich seltsam verplaudert, arg konstruiert, um nicht zu sagen an den Haaren herbeigezogen.

Leichen alleine machen noch keinen Krimi, euer Roman, wäre vielleicht gerne einer geworden, dachte ich bei mir, ist aber keiner. Dafür fehlt so einiges. Zuvorderst die Spannung.

Das Wetter wird bei euch zu mehr als einem Mitspieler, wirklich klimakritisch geht ihr damit aber nicht um. Das man euch Bären und Wölfe wieder ansiedeln will, regt euch nur kurz auf und gut ist.

Den einen Zufall zu viel hatte es für mich auch. Ich bitte euch, wie wahrscheinlich ist das, dass mitten auf einem deutschen Supermarktparkplatz in der Provinz zwei Taschen mit Diebesgut abgestellt werden? Dann auch noch derart prall gefüllt? Sollte das auf Gaunerkomödie hinauslaufen? Es wird keine.

Ehemänner sind bei euch aus Amerika, angeblich Komponist und warten auf ihren Flügel. Jahrelang. Vergessen darüber, wie das geht, die Frau die sie geheiratet haben zu lieben oder haben es eher nie getan, sondern nur einen gemütlichen Unterschlupf gesucht und jemanden für’s Aushalten. Also finanziell und generell. Der dazugehörigen Frau muss es erst buchstäblich das Haus unterm Hintern wegreißen und die letzte lebende Verwandte muss Sterben, bis sie Konsequenzen folgen lässt. Liebhaber sind aus Ungarn, oder nicht und fackeln nicht lange, küssen beim Erstgespräch voll auf die Zwölf und Frau findet das gut. Ich weiß ja nicht.

Was ich weiß, eure Geschichte ist einfach nicht die meine. Was, zugegeben auch an mir und meinen Erwartungen liegen kann.

Leider holperte ich auch über mehr als einen grammatikalischen oder Setzfehler, sprachlich empfand ich den Erzählton als leicht angestaubt.

Ein Kater, der eine Kuh ins Herz schließt. Zuckersüße Trauben, Romeo-und-Julia-Balkone, Weinlaub und Efeu. Eine Ankunft in Italien. Mit Geld und Liebhaber und ohne Kater. Zoff und Zank und mehr als ein Toter. Ein Kreis schließt sich.

Elisabeth Stiller-Henleys Geschichte endet offen mit einem Hinweis der Autorin auf eine Fortsetzung. Die ich dann auslassen werde. 

Schade. Aber es ist, wie es eben ist.

Mein Dank geht an den Verlag Frankfurter Verlagsanstalt für dieses Besprechungsexemplar.

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