Operation Rubikon (Andreas Pflüger)

Gastbeitrag von Andreas:

Wer den Satz benutzt “man überschreitet den Rubikon” meint, man lässt sich unwiderruflich ein, auf eine riskante Handlung. Alea iacta est. “Die Würfel sind gefallen” sprach Cäsar und überschritt den Rubikon, einen Fluss in Italien, der in die Adria mündet, auf seinem Weg nach Rom, während des römischen Bürgerkrieges. Ob der antike Rubikon tatsächlich das 1933 von Benito Mussolini per Dekret benannte Gewässer ist, lässt sich nicht mehr bestimmen. Fakt ist aber, alles was nach Cäsars Überquerung kam, war unumkehrbar. Er hatte sich für diesen einen Wege entschieden, unumkehrbar. Wer Leser:in der Geschichten von Asterix und Obelix ist, kennt die Metapher ebenfalls und als ich beim Stöbern diesen Roman entdeckte, war meine Neugierde geweckt.

Operation Rubikon von Andreas Pflüger …

… hat so gar nichts zu tun mit den alten Römern vor zweitausend Jahren. Auf dem Etikett steht “Thriller” und es geht auch gleich gut los, mit Mord und Totschlag. Gewalt ist aber nicht das Thema dieses Buches. Vielmehr sind es die zahlreichen handelnden Personen, die Drogenkartelle, die organisierte Kriminalität, Institutionen wie der BND, BMJ, BMI, BKA, der Generalbundesanwalt, der Präsident des Bundeskriminalamtes, die hier eine zunächst unübersichtliche Gemengelage verursachen. Mit zunehmendem Lesefortschritt werden die Zusammenhänge immer klarer, ohne aber durchschaubar zu werden.

Man erlebt Sophie Wolf, Tochter des BKA-Präsidenten, in ihrem ersten Einsatz und der geht prompt gründlich schief. Ihr Vater vermutet ein neues Drogenkartell und gründet eine geheime Spezialeinheit. Die so geheim vielleicht auch nicht ist …

Pflüger sorgt ein gutes Stück weit und etliche Seiten lang dafür, dass die Ahnungslosigkeit seiner Leser erhalten bleibt. Gekonnt inszeniert weitet sich dann der Blick. Ein exzellent geknüpftes Netz an Intrigen, Machtspielen und Staatsgewalt, gefährlich wie das einer Spinne spannt er auf.

Es ist denkbar und möglich, dass der deutsche Staat durch das organisierte Verbrechen übernommen wird, denn „Demokratie ist Macht auf ZEIT” (Buchzitat). Wie so etwas gehen kann? Pflüger erzählt es.

Ganz nebenbei erfährt man, dass das Landgericht Moabit das größte Gericht Europas ist, in dem an manchen Tagen hunderte Prozesse stattfinden. Schilderungen davon wie Kokaplantagen bekämpft werden, was die DEA mit Zertifizierung zu tun hat, welche Möglichkeiten der Geldwäsche es gibt und wieso die Einnahmen der Drogenkartelle sich auf das Zinsniveau in Deutschland auswirken, das ein paar wenige Personen den Schutz des Staates in Priorität 1 genießen und in „Panzern“ gefahren werden, welche Vorzüge welche Waffe hat, verblüffen. Diese Aufzählung ist selbstredend nicht abschließend. Es gibt noch vieles, was es Wert wäre aus dem Text hervorgehoben zu werden. Das aber würde Euch die Spannung des Buches vorwegnehmen. Mich hat sie eingesogen und meine Textmarker waren schnell vergessen.

Zu beschäftigt war ich unterwegs mit Pflüger, wo ich auf einem der höchstgelegenen Flugplätze der Welt in El Alto in Bolivien gelandet, nach New York geflogen, nach Portugal, Luxembourg und in viele Regionen in Deutschland gereist bin. Über Hamburg, Köln, nach Garmisch-Partenkirchen. Schlussendlich kommt es im kleinen Saarland zum Showdown und zu einer wilden Fahrt von Saarbrücken-Sankt Arnual Richtung Bliesransbach. Erneut komplett unerwartet und unvorhersehbar und genial!

Intrigen, Schießereien, dramatische Wendungen gepaart mit Lebensbeziehungen und eine Gruppe, die den Rubikon längst überschritten hat, auf einem Weg, an dessen Ende vielleicht die Gerechtigkeit wartet. Vielleicht. Es bleibt mitreißend bis zum Schluss. Eine wirklich packende Geschichte!

Gut zu wissen! Operation Rubikon wurde 2002 verfilmt, Regie führte Thomas Berger. Pflüger schrieb fünf Jahre an seinem Roman, der dann erstmals 2004 veröffentlicht wurde. 2006 verlegte Rowohlt die Taschenbuchausgabe, 2016 und 2020 folgte dann jeweils im Suhrkamp Verlag eine Neuauflage. Das spricht für einen Longseller. Knapp achthundert Seiten sind prall gefüllt mit Insiderwissen und auch mehr als zwanzig Jahre nach Erscheinen beweist Pflügers Text seine erschreckende Relevanz. Er ist für mich mehr als ein Ausnahmekrimi, den ich gern gelesen habe. 

Andreas

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