Meine Jahres-Highlights 2018

Sonntag, 16.12.2018

Während sich im Fernsehen Moderatoren, Journalisten und Prominente versammeln und die Ereignisse des langsam verstreichenden Jahres kommentieren, bewerten und den entsprechenden Monaten zuordnen, blicke ich auch ich auf die Erlebnisse meines Lese- und Hörjahres zurück und ziehe meine persönliche Bilanz.

In diesem Jahr möchte ich meinen Rückblick dem Gedenken an zwei großartige Frauen widmen, deren Todesnachricht uns in diesem Jahr erreicht hat.

Aretha Franklin ist verstummt. Ihre mutige schwarze Stimme, die sich ihr Leben lang für den RESPECT ausgesprochen hat, werde ich für immer auch in meinem Herzen bewahren. Die kluge, schlagfertige und sympatische Moderatorin Stefanie Tücking ist erst kürzlich verstorben. Sie hat mich musiktechnisch durch die kompletten Achtziger gelotst und war wie eine Radio-Freundin für mich, mit der ich erwachsen geworden bin. Hörte ich ihre Stimme fühlte ich mich zu Hause. Ich werde Euch vermissen!

So manche Geschichte vermisst man auch schon, bzw. ihre Figuren, da hat man die letzte Seite noch nicht gelesen. Das sind Romane, die auf meiner inneren Topliste landen. Diese und solche mit einem langen Nachhall, die sich bis heute immer noch in mir fest halten. Welche waren 2018 so besonders, dass ich noch immer an gelesene Textstellen zurück denke? Wer hat mich sprachlich beeindrucken können?

Ich blättere durch meine Rezensionen, alle findet Ihr hier auf dem Blog, und vermerke mir sehr rasch sechs Titel, die sich von insgesamt achtzig, die ich in diesem Jahr gehört und/oder gelesenen habe, auf die vorderen Plätze geschoben haben …

Auf dem Spitzenplatz, nicht eigentlich der Geschichte wegen, sondern weil der Text auch sprachlich ein so außergewöhnlicher ist, ich ihn mit keinem anderen vergleichen kann, den ich bislang gelesen haben und weil man sich wirklich bewußt darauf einlassen muss, ist Lincoln im Bardo von George Saunders. Anfangs dachte ich noch, das wird doch jetzt nicht das ganze Buch durch so weiter gehen? Textlich und stilistisch meine ich damit. Doch, genau so geht es weiter und das ist auch gut so. Was dieser Text mit mir gemacht hat, kann ich nicht wirklich gut beschreiben, er hat an meinem innersten zu rühren vermocht und dafür liebe ich ihn. Er schlägt Töne an, von denen ich gar nicht wußte, dass sie in mir klingen können. Traurige, wehmütige, wunderbare, Tränen inclusive. Ein Todesreigen der ganz anderen Art, kitschfrei und sensationell gut aus dem Englischen für uns übersetzt.

Loyalitäten von Delphine de Vigan, war mein Überraschungsbuch in diesem Jahr. Mitnichten hätte ich von einem Buch mit einem solch geringen Seitenumfang eine derartige Wucht und Kraft erwartet. Den Boden unter den Füßen hat es mir weg gezogen, einen Sog entfaltet der mich sprachlos zurück gelassen hat. Spannend und schmerzhaft realistisch fängt de Vigan hier das Schicksal eines Scheidungskindes ein. Brilliant erzählt ist es ein Augenöffner für den Umgang untereinander, die Achtsamkeit miteinander, für das was wir, weil wir zu sehr auf uns selbst fokussiert sind um uns herum häufig verpassen. Natürlich geht es auch, wie der Titel schon verrät um Loyalität und zwar in all ihren Facetten, vielleicht auch einmal so gezeichnet, wie man sie selbst in all ihrer Notwendigkeit noch nicht betrachtet hat. Ein grandioses Buch!

Was habe ich auf einen neuen Roman von ihr gewartet und sie hat mich nicht im enttäuscht! Dörte Hansen hat mich mit ihrer Mittagsstunde komplett abgeholt. Inhaltlich, weil sie ein Heimatgefühl vermitteln kann wie keine zweite und sprachlich sowieso. Was hat sie sich vom Alten Land bis hierher weiterentwickelt, hat einen neuen Erzählton für diese Geschichte der aussterbenden Spezies Dorf gefunden. Diesmal ist die Hörbuch-Fassung in voller Länge zu haben und für mich war klar, ich möchte wieder mit der großartigen Hannelore Hoger unterwegs sein, diesmal in Brinkeböhl und es war mir ein Fest!

Die Hochhaus-Springerin von Julia von Lucadou. Dieser Roman hat mich in meinen Sommerurlaub ans Mittelmeer begleitet, mich mit einem Prolog abgeholt und mit einem Epilog begeistert, dazwischen mit einer reduzierten, ja sachlichen Sprache, die den Mensch in seiner reinen Funktion unterstreicht. Ein tolles Debüt von einer jungen Autorin, die uns hoffentlich noch viel zu erzählen hat. Eine künstliche, schöne neue Welt hat man hier vor Augen, in der es tatsächlich den Berufsstand der Hochhaus-Springer gibt. Umjubelt, gefeiert von Sponsoren auf Händen getragen, von Psychologen überwacht und bei Laune gehalten. Was aber, wenn eine von ihnen beschließt, noch dazu eine besonders erfolgreiche, sich diesem Rummel zu versagen? Von jetzt auf gleich? Diejenigen mit in eine Abwärtsspirale zieht, die sie wieder auf den rechten Weg bringen sollen? Dystopisch, beklemmend und konsequent – ein Ausnahmebuch und zurecht für den diesjährigen Schweizer Buchpreis nominiert.

Nordwasser. Puh! Was für eine Kulisse der Gute Ian McGuire hier erschaffen hat. Die Kälte kriecht einem zwischen den Buchstaben bis tief in die Knochen. Rauh, roh, brutal und spannend. Eine tollkühne Unternehmung aus dem jahr 1859, voll von Abenteuer und Gefahren unterwegs mit dem Wahlfänger Volounteer im Eismeer nach Grönland, zu einer Zeit als der Walfang bereits in den letzten Zügen liegt. Hier wird er allerdings noch nicht beerdigt, sondern wir erleben ihn noch hautnah mit, stinkend, grausam und blutig. Ein Sittengemälde, ein großartiger historischer Roman, spannend und wendungsreich. Wolfram Koch hat mir dieses Hörbuch vorgelesen und mich sehr für sich und seine Art des Vortrages eingenommen. Jederzeit gerne wieder!

Last but not least – der Kracher in diesem Jahr für mich im Hörbuch, Schwere Knochen von David Schalko, wegen des unglaublichen Vortrages von Wolf Bachofner. Gerade habe ich gesehen, dass dieser Titel auch für den diesjährigen Deutschen Hörbuchpreis nominiert wurde- Richtig so, ich drücke fest die Daumen! Stofflich weiß er zu überzeugen, weil er einmal so dermaßen unverschämt über ein Leben erzählt, und sprachlich, textlich ist David Schalko so unerhört, unerhört gut unterwegs, das ich zuerst nicht glauben konnte, dass er das die ganze Geschichte über durchhält. Er hält und er packt soviel Leben rein wie nur irgend geht. Zeichnet seinen Ferdinand Krutzler und seine Erdenberger Spedition als gespaltene Seele und fordert mich heraus, mit einem solchen Schurken auch noch Mitleid zu haben. Was für eine Grandeza das hat, mit reichlich Wiener Schmäh gewürzt! Taucht ab in die Wiener Unterwelt zur Zeit der Nazis und erlebt ein Stück Geschichte hautnah und auf die Spitze getrieben. Ein Roman der wahrhaft aus dem Rahmen fällt, schräg, ironisch, lakonisch und wer weiß, vielleicht ist es ja am Ende doch so gar nicht wirklich gewesen, ^augenzwinker^ …

Tja, nach dem Lesejahr ist vor dem Lesejahr, auf leisen Sohlen, heute sogar bei uns auf schneebedeckten Straßen, also quasi trittschallgedämpft, schleicht es sich an. Viele Vormerker und ein gehöriger Stapel ungelesener, vielversprechender Titel liegt für mich schon bereit. Ich freue mich drauf, ein jeder Titel die Verheißung auf Ausflüge in andere Zeiten, Welten oder mit dem Versprechen eine neue Perspektive einnehmen zu können. Bleibt wie immer neugierig, wir lesen voneinander!

Eure Petra

Verfasst von:

6 Kommentare

  1. Petra
    19. Dezember 2018

    Liebe Angela, da freue ich mich! Dir auch eine zauberhafte Weihnacht, komme gesund und munter im neuen Jahr an. LG von Petra

  2. Literaturgarten
    19. Dezember 2018

    Liebe Petra, ich habe Deinen sorgfältigen Artikel gerne bei Twitter reweetet ( sagt man so ? ) ,
    Ganz liebe Grüsse und eine wunderbares Weihnachten für Dich und Deine Lieben!
    Angela vom Literaturgarten

  3. Petra
    17. Dezember 2018

    Vielen Dank, für das nette Kompliment. Da freue ich mich riesig und fühle mich beflügelt weiter zu machen. Dir eine gute Zeit und noch viele spannende Lese-Entdeckungen. LG von Petra

  4. Anonymous
    16. Dezember 2018

    Hallo Petra,
    bei jedem Post von dir bin ich von deinem Stil beeindruckt und lese die Rezensionen sehr gerne. Ja, die beiden Frauen haben auch mich beeindruckt und vornehmlich Frau Tücking ist viel zu früh gestorben.

  5. Petra
    16. Dezember 2018

    Lieben Dank, Dorothee, für das nette Kompliment! Es ist mir ein Ansporn und freut mich riesig. LG aus dem heute pünktlich zum 3. Advent tief verschneiten Hunsrück von Petra

  6. Dorothee
    16. Dezember 2018

    Hallo Petra!
    Wenn ich Deine Texte lese, bin ich immer wieder fasziniert von Ausdruck und Stil Deiner Schreibe…und auch ein bisschen neidisch…😉
    Ich freu mich auf weitere Empfehlungen von Dir!
    Liebe Grüße aus Kiel

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