Was ist das gerade mit mir, dass es mich zur Zeit zu Geschichten und Buchtiteln hinzieht, die mit Häusern, unbewohnten Zimmern und Türen zu tun haben? Ein Zuhause haben, sich zu Hause fühlen, hat für mich nicht nur damit zu tun, einen sicheren Raum, einen sicheren Ort zu wissen, zudem man heimkehren kann. Zu einem Zuhause gehört mindestens ein Mensch, der auf einen wartet, Licht, das am Abend aus einem Fenster auf die Straße fällt, das dazu einlädt heimzukommen.
Eine Haustür erzähle viel über die Bewohner dahinter, habe ich unlängst irgendwo gelesen. Es gibt die mit viel Glas und die anderen, die dunkelfarbig und komplett geschlossen, manchmal wie das Tor einer Zugbrücke wirken. In einem Haus ohne Türen muss es kalt sein und zugig, wenn es in unseren Breiten steht. Es kann aber auch licht und hell und luftig sein, anderen Ortes.
In einem unserer Urlaube haben wir einmal im Regenwald in einem Restaurant gesessen, die Türen dort hatten kein Glas. Kein Holz, nichts schien das Draußen zu begrenzen. Innen fühlte sich wie Außen an. Der Regen war plätschernd zu hören, erdiger Duft erfüllte den Gastraum und die Luftfeuchtigkeit beschlug auf den Gläsern.
Mich hat das an meine Kindheit erinnert, was wollten wir gern im Freien schlafen, nur eine Zeltwand zwischen uns und der Nacht. Sterne sehen, ihre Schnuppen zählen, müde vom Grashüpfer fangen noch etwas mit der Taschenlampe lesen und nicht schlafen.
Welche Abenteuer warten wohl zwischen den Buchdeckeln der Gedichtesammlung “Haus ohne Türen” von Andreas Unterweger auf mich? In meinem Kopf hatte es schon vor dem Aufschlagen reichlich Bilder. Welche davon haben sich eingestellt? Welche neuen Türen hat er mir geöffnet?
Seine Tür offen zu halten für Begegnungen. Empfänglich zu bleiben für Gespräche, sich immer wieder einlassen, auch wenn nicht alle ein Mehr ergeben. Weil vieles flüchtig ist. So wie das Glück. Oder eine Umarmung, die richtig ist, wenn sie sich richtig anfühlt, auch wenn sie von einer oder einem Fremden kommt. Aber zur rechten Zeit. Das Glück nicht mehr bemerken, das gilt es zu verhindern.
Türen öffnen und schließen sich in unseren Leben. Mal geplant, mal unverhofft. Neugierig bleiben auf das was dahinter wartet, die Furcht vor der Veränderung besiegen, ist die Herausforderung.
Andreas Unterweger, geboren 1978 in Graz, Herausgeber der Literaturzeitschrift manuskripte, Romanautor und Dichter, zu Hause auf den unterschiedlichsten internationalen Festivals mit seinen Gedichten. Als Übersetzer hat er zwei Gedichtbände aus dem Französischen, sowie auch einzelne Gedichte übertragen, bevor er mit <Haus ohne Türen> jetzt seinen ersten eigenen Gedichtband veröffentlicht hat. Mein Dank geht an den Literaturverlag Droschl und an das Team von Kirchner Kommunikation für dieses Rezensionsexemplar.
Unterweger schickte mich mit Versen, die sich zumeist nicht reimen, aber stets maßvoll Worte versammeln, auf die Rummelsburger See zum Segeln, in die Teehäuser Kabuls, inmitten von Krieg und Not, er verarbeitet Thesen aus dem Koran, gemahnt an Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn und Walt Whitmann, analysiert Vers-Parallelen und ich gestehe, ich verstehe zumeist nichts bis wenig.
Vermissse Verse, die wärmen oder verzaubern. Die mir Türen öffnen. Diese Lyrik wirkt hart und kantig und einschüchternd auf mich und keines der Bilder aus meinem Kopf habe ich darin wiedergefunden. Habe ihn mir eher gestoßen, meinen Kopf, an diesen Sätzen. An den Anleihen, die Unterwegers Gedichte bei anderen Literaten, anderen Autor:innen machen, im Beispiel Jon Krakau oder auch mal bei einem Straßenschild für Trucker in USA.
Klingt nach einer wilden Mischung für Euch? Fand ich auch. Hört sich an, als sei das was für Eingeweihte, reichlich Fußnoten als Beleg für akribische Recherche und tiefes Wissen hat es. Was bin ich doch unbeschlagen.
Okay, Lyrik darf auch das, muss das, Betroffenheit erzeugen. Aufwühlen. Empören.
Ganz gleich womit, gleich ob mit Trollen, Meerjungfrauen, Schlangen, Großvätern oder stolpernden Liebesgedichten, wie hier. Dieser Dichtende hat Mäuse im Versgepäck, die mit Äxten erschlagen werden. Damit sie nicht leiden (das Bild werde ich nicht mehr los!). Seine Sonnenblumen sind verstrahlt und selbst sein Frühlingsgedicht blutet. Mensch, ist das schroff und irgendwie fehlte mir auch der Faden, ein roter.
Gegliedert in vier Teile, nur überschrieben mit römischen Zahlen, wurde für mich nicht abschließend deutlich, was Andreas Unterweger hier thematisch zusammenversammelt hat. Der Mix, an in dieser Sammlung enthaltenen Gedichten folgt keiner Regel.
Sorry my dear, but that’s not my cup of tea. Es hatte mir teils auch zu viele adaptive Bezüge und in mir klingelte es zu selten. Gedichte müssen halt in mir Sturm läuten, was soll ich sagen, mit weniger bin ich eben nicht zufrieden.
Apropos, Adaptieren, ich bringe noch ein Beispiel: Bei Andreas Unterweger wird aus Die Stille der Welt vor Bach von Lars Gustafsson, ein Gedicht mit dem Titel Die Stille der Welt nach Nirvana. Das hat den Selbstmord von Kurt Cobain zum Thema und wirkt, wie alle Verse dieser Sammlung sehr modern. Es muss sich nicht reimen, was mir gefällt, aber wenn Sätze geschliffen sind, gewogen und gemessen, dann ist mir das persönlich halt einfach lieber, als wenn sich aus Worten auf Papier Muster ergeben.
Ausnahmen bestätigen schlußendlich auch hier die Regel, diesen Vers, in all seiner Kürze, und auf den Punkt, mochte ich dann doch. Ihn, und den anderen, den mit dem Koffein, der danach zitiert ist auch:
L'ÉVOLUTION SENTIMENTALE
Früher schrieb ich Gedichte.
Dann schrieb ich WhatsApps.
Jetzt warte ich auf welche.
KOFFEINISMUS
Seitdem ich keinen Kaffee mehr trinke, habe ich Zitteranfille,
Genauso, wie ich ohne Alkohol eher stolpere,
ohne Tränen am bittersten weine
und weit entfernt von dir dir oft am allernächsten bin ...
So ist das eben, sagst du, jetzt --
da wir noch nicht gestorben sind,
da wir noch nicht damit begonnen haben, nicht zu leben.
Wer es also lyrisch gesehen gerne etwas experimenteller mag und wenn Themen verarbeitet sind, die Progressivität und Gegenwärtigkeit spiegeln, für den wäre Andreas Unterweger eine Empfehlung. Alle, die wie ich eher die Klassiker verehren, die Melancholie und Zartheit suchen, werden vermutlich hadern.
Weit außerhalb meiner lyrischen Komfortzone, war ich also hier unterwegs, verblüfft darüber wie man mit Silben und Wörtern zeichnen kann, über die Unbegrenztheit, mit der sich in Worte fassen lässt was bewegt.
Was mir immer bleibt, nach dem Lesen von Gedichten, ist das Wundern. Über die Formenvielfalt, in die Worte gegossen werden, von denen, die mit ihnen umzugehen wissen. Eine Arbeit, die an eine(n) Goldschmied:in erinnert, die Edelsteine erst durch eine Fassung richtig strahlen lassen. Dafür feiere ich die Lyrik, bleibe gespannt und freue mich auf weitere textuelle Abenteuer. Auch wenn der ein oder andere gesetzte Ton mich diesmal nicht getroffen hat.
Macht das auch, sucht nach einer Lieblingsdichterin, einem Lieblingsdichter und denkt an Euer tägliches Löffelchen Lyrik. Für die Seele.
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