Montag, 23. März 2020
Dieses kleine, feine Buch ist ein Geschenk, und das meine ich sowohl inhaltlich, als auch wörtlich. Mir wurde es zu Weihnachten geschenkt und ich glaube heute, es hat auf meinem Lesestapel abgewartet. Es hat den richtigen Zeitpunkt abgepasst um gelesen zu werden und der ist jetzt. Weil ich Mut brauche in diesen Tagen, in denen der kalte Ostwind und ein Virus mit Namen Covid 19 die Straßen leer gefegt hat, in denen das Kinderlachen in den Gärten der Nachbarn verstummt ist.
Weil ich jetzt mehr denn je Zuversicht brauche, statt Angst und Verunsicherung. Es ist ein Geschenk, weil George Saunders all das zu geben vermag. Mit seinem Roman Lincoln im Bardo hatte er mir bereits ein Leseerlebnis beschert, das ich nie mehr vergessen werde. Mein Herz brennt immer noch, wenn ich daran denke und heute bedanke ich mich bei ihm, das ich ihm zwischen den Zeilen und seinem Fuchs 8 begegnen durfte …
George Saunders, geboren 1958 in Amarillo/Texas, studierte Geophysik, arbeitete auf den Ölfeldern Sumatras, nach seiner Rückkehr als Türsteher, Dachdecker und Schlachthausgehilfe, bevor ihn ein zweites Studium zur Literatur führte. 2013 zählte ihn das Time-Magazin zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt. Für mich ist er ein großartiger Erzähler, der mehr in mir zu bewegen vermag als nur Gedanken. Bei seinen Texten kommt in mir immer ein Gefühl auf, das ich zunächst nicht genau benennen kann wenn es mich gepackt hat und es packt mich immer. Das mag wohl daran liegen, dass es diesem Autor nicht genug ist, nur ein Gefühl in seinen Lesern zu wecken. Die Sprache die er wählt ist nie beliebig und nie gleich und seinen Übersetzern stellt er damit eine Aufgabe, die auch einen Meister erfordert.
Frank Heibert, geboren 1960 in Essen, in Berlin lebend, hat diese Herausforderung für Lincoln im Bardo und für Fuchs 8 angenommen und nicht nur gemeistert. Für mich ist ihm der Transport von Saunders Sätzen aus dem amerikanischen Englisch ins Deutsche brilliant gelungen. Das dies nicht nur mein Eindruck ist, beweisen zahlreiche Preise, die er für sein Wirken erhalten hat, zuletzt den Straelener Übersetzerpreis 2017.
Er gibt dem kleinen Fuchs, der weil er so neugierig ist, uns Menschen unsere Sprache ablauscht, sie lernt, sie rasch verstehen und sprechen kann, eine eigene, deutsche Stimme. Abend für Abend sitzt Fuchs 8 unter einem Fenster und hört einer Mutter beim Vorlesen zu, die ihre Kinder so mit einer Geschichte in die Nacht entlässt.
Der kleine Fuchs mit der Nummer 8 in seinem Rudel wendet sich dann direkt an uns. Sein “Mänschisch” ist nicht perfekt, es ist ja auch nicht einfach und er macht Fehler, verliert beim Erzählen immer wieder Buchstaben, seine Grammatik ist beileibe nicht korrekt, seine Silbentrennung eine Herausforderung, aber sie trifft mitten ins Herz. In einer Mischung aus jugendlichem Kietzdeutsch und märchenhaftem “Es-war-einmal-Stil” berichtet uns Fuchs 8 von seinem Dilemma.
Die Menschen, die er eigentlich so “kul” findet, schicken sich an seinen Lebensraum zu zerstören. Sie holzen den Wald ab in dem er mit seinen Mitfüchsen lebt. Sie finden nichts mehr zu essen, leiden Hunger und ihr “Kroser Fürer”, ihr Leitfuchs, gibt auf. Das aber ist nichts für Fuchs 8, er ist sich sicher, es muss da einen Ausweg geben und so bricht er auf, gemeinsam mit seinem besten Freund Fuks 7 um ihn zu suchen, diesen Ausweg. Getrieben von einer unstillbaren Neugier, einer Idee und befeuert von seinen Tagträumen, die ihn ermutigen nicht aufzugeben, so wie er die Seinen ermutigen will …
“Wenn einer Anks hätte, würde ich sagen: Hab keine Anks. Und ein Witz machen. Wenn einer lang sam wäre, würde ich in von hinten mit der Schnauze stupsen, zum Mut machen. Wenn einer sich, in Panik umseen würde, würde ich ruig sagen: Kon Zen Trir dich. Wenn einer alt wäre, wi unser Kroser Fürer, würde ich in oder sie auf mein Rüken tragen.”
Textzitat George Saunders Fuchs 8
Chelsea Cardinals Illustrationen rahmen diese Erzählung ein und machen dieses Büchlein auch gestalterisch zu einem echten Schätzchen. Sie, die in Brooklyn als freie Künstlerin lebt und arbeitet, wäre in ihrem nächsten Leben gerne Fuchs. Das Warum bleibt sie uns schuldig, ich hätte da so eine Ahnung …
Es ist eine Fabel, eine Mutmach-Geschichte, eine die man Kindern vorlesen, die man mit Kindern lesen kann und nichts könnte besser passen, in dieser Zeit, in dieser Krise, die uns ein Virus und jede Menge Unachtsamkeit eingebracht haben. In der wir umkehren müssen von der Unvernunft zur Solidarität, weg vom Schimpfen hin zum freundlichen Erklären, zum sachlichen Aufklären, zu Nachsicht und Umsicht, uns verabschieden müssen von Ichbezogenheit und Rücksichtslosigkeit.
Als Eure Bücher-Apothekerin empfehle ich daher gerne und von Herzen allen, die Kraft brauchen, einen Löffel Mut und eine Prise Hoffnung, lest Fuchs 8. Es hilft. Im Selbstversuch getestet von Eurer Petra und denkt immer daran, Fuks 8 würde sagen …
“Wenn ir wollt, das oire Geschichten ein Heppi Ent haben, seit einfach mal ein bisschen netter.”
Textzitat Georges Saunders Fuchs 8
❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤