*Rezensionsexemplar*
Sonntag, 01.03.2020
Man sagt er war verwirrt zu dieser Zeit, schon nicht mehr bei sich, gefangen in einer tragischen Lebenssituation. Im Juni 1889. Als das Gemälde entstand, das heute wohl zu seinen berühmtesten zählt, verbrachte er seine Tage und Nächte in Saint-Rémy de Provence, in der Nervenheilanstalt Saint-Paul-de-Mausole, die er nur in Begleitung verlassen durfte. Nur ein Jahr später verstarb van Gogh und seine Sternennacht überließ er seinem Bruder Theo.
Kunstverständige meinen aus dem aufgewühlten Sternenhimmel, aus den Wirbeln, seine emotionalen Turbulenzen heraus lesen zu können. Sehen in seiner Farbgebung zwischen dunkelstem Blau und leuchtendem Gelb, den Widerspruch zwischen Hoffnung und Verzweiflung der in ihm getobt haben muss. Van Gogh komponierte den Himmel über Südfrankreich, sowie südländische Zypressen mit einer dörflichen Landschaft, die an seine niederländische Heimat erinnern und dies lässt den Schluss zu, dass er es wohl aus der Erinnerung heraus und nicht in der Natur gemalt hat. Nimmt man hingegen die Perspektive des Bildbetrachters ein, sieht man durch die Augen von van Gogh, den Blick den er aus dem Fenster seines Krankenzimmers im Sanatorium hatte. Einen solchen Sternenhimmel hat er in dieser Zeit häufiger gemalt, so auch ein Jahr zuvor 1888 in dem Gemälde Caféterrasse am Abend, das in Arles entstand.
Aber ist dieses Bild, das seit 1942 im Museum of Modern Art in New York City Besucher magisch anzieht auch wirklich echt? Oder ist es das Werk eines genialen Fälschers? Was wenn auch andere berühmte Gemälde, die bei Versteigerungen horrende Summen einbringen nicht echt sind? Mit dieser Idee beschäftigt sich Leif Karpe in seinem Debütroman und mit ihm,
Der Mann, der in die Bilder fiel
Was für ein Auftrag! Wie kamen sie dazu? Wie kamen sie auf ihn? Sie hatten ihn hierher gelockt, in dieses Protzgebäude nach Midtown. Seine Neugier ausgenutzt, seine alte Freundschaft mit Charlie. Sie konfrontierten ihn, mit sich selbst, mit seiner finanziellen Situation. Mit seiner nicht vorhandenen Karriere, zeigten ihm auf, was möglich wäre. Ein First-Class-Flug, New York – Paris – New York. Ein teurer Anzug, handgenähte Schuhe, ein dickes Spesenkonto, eine fremde Identität und eine Tasche voll Geld. Schweigegeld, das er überbringen sollte. Sie nannten es “Aufwandsentschädigung”. Wie konnten sie nur? Wie kamen sie dazu?
Vorsicht! Geheimtipp voraus! Abseits der Bestenlisten Titel zu entdecken, die aus dem Geschichten-Einerlei herausragen, das ist wunderbar. Findet Ihr nicht auch? In ein neues Genre einzutauchen, oder einen Genre-Mix zu erleben, der unverbraucht und ideenreich ist, Leser-Herz was willst Du mehr? Hier bitte sehr: Leif Karpe, geboren 1968 und aufgewachsen im Schwarzwald, Brasilien und dem Ruhrgebiet, arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren als Regisseur und Kameramann für Dokumentar-und Spielfilme mit dem Schwerpunkt Kunst. Und das dies sein Metier ist, merkt man in seinem ersten Roman, den er uns mit Peter Falcon garniert schenkt. überdeutlich.
Ich mag, wie Leif Karpe es versteht zu beobachten, so aufmerksam, wie detailliert er seine Wahrnehmungen wieder gibt, so szenisch. Da spürt man den erfahrenen Kameramann, der Gefühle mit Bildern einzufangen versucht, der sonst Geschichten mit Bildern erzählt.
Die Worte, die Sätze, die er in seinem Roman verwendet, lassen in mir sogleich Bilder wachsen. Sofort taucht man ein, in die Welten die er zeichnet. Humorvoll und treffsicher pointiert legt er seinem Peter Falcon Sätze in den Mund. Dieser sein Protagonist ist im Grunde seines Herzens ein sympathischer Anti-Held und ich mochte ihn sofort. Trocken und teils lakonisch sind seine Kommentare. Peter Pan sein Spitzname, weil so richtig erwachsen ist er wohl bis heute nicht. Das er pleite ist, belastet ihn nicht so wirklich, manchmal weiß er nicht, wie weit er sich vertrauen kann, sich und dem was da mit ihm, in ihm vorgeht. Feinsinnig und hellsichtig ist er, hat eine Gabe, die ihn selbst erschreckt. Kopfüber bin ich mit ihm in dieses Abenteuer gestürzt, habe es in vollen Zügen genossen. Habe ihn bei seinem Auftrag nach Paris begleitet, der ihn aus seiner persönlichen finanziellen Misere befreien soll, hin zu einem Treffpunkt, den schon die großen Impressionisten gewählt haben, damals, als man ihre Kunst noch ablehnte.
“Das Geschäft mit der Kunst und die Kunst des Geschäftes – zwei unheilvolle Schwestern im Geiste.”
Textzitat Leif Karpe Der Mann, der in die Bilder fiel
Es geht auch um die Schattenseiten des Kunstmarktes, um Fälschung, Spekulation und Erpressung. Um Hysterie und Sammlerleidenschaft. Um Geschäftemacher und Margen. Um Licht und Schatten in einer Welt, in der das Scheckheft locker sitzt, die Teppiche weich und dick sind. Um Auktionspreise, bei denen ich die Luft angehalten habe, so schwindelerregend sind die Beträge, die aufgerufen und mit dem Hammer festgeklopft werden.
Paris, die Provence! Wie hier jeder Stein, jeder Pinselstrich Geschichte atmet. Ich fühle mich zurückversetzt in der Zeit. Mein Wunsch einmal durch Monets Garten zu spazieren, an seinem Seerosenteich zu sitzen glüht wieder in mir auf. Viele Jahre sind Museumsbesuche her, die ich in Paris mit einer Freundin unternommen habe. Meine Eindrücke von damals, zwischen all den Farben und wie berauscht ich war, et voilà, das alles hat mir dieser Roman zurückgeholt. Hier konnte ich es, ich stehe tatsächlich in Giverny in seinem, Monets Garten, der Treffpunkt mit meiner Kontaktperson ist an seiner weltberühmten japanischen Brücke, nur eine Zugfahrt entfernt von meinem kleinen Hotel am Montmartre, wo ich in direkter Blickachse den Eifelturm sehen kann, liegt dieses von Libellen umschwirrte Paradies.
Jetzt weiß ich auch, wo mich am Ende diesen Jahres, wenn mir die Zeit für Ferien bleibt, hinfahren muss. Vincent ich komme, wenn auch nicht nach New York, dann nach Amsterdam …
Eine Woche lang hat mich diese Geschichte in meinen Feierabend begleitet. Jeden Tag habe ich mich gefreut nach dem Dienst in sie zurück zu kehren. Die Farben, das Licht, das Abenteuer zogen mich an wie der Honig die Biene. So muss eine gute Geschichte sein. Unterhaltsam, fesselnd und meine Sehnsucht weckend.
Karpe formuliert unangestrengt. Er dirigiert seinen Agenten im Auftrag der Kunst durch dieses Manöver, das es mir eine Freude war. Als ein verabredetes Treffen grandios scheitert ist er noch arglos. Nachdem man versucht hat ihm auf offener Straße die Geldtasche zu stehlen, wird er hellhörig und spätestens als es den ersten Toten gibt hat er Angst. Das völlig zurecht, wie sich schon bald herausstellen wird. Jetzt, wird es spannend. Der Plot schlägt Haken wie ein Hase, versucht mich in die Irre zu führen. Nein, ich gehe ihm nicht auf den Leim. Verdammt, pardon, das lag aber doch auf der Hand, oder etwa nicht? Ich liege daneben mit meiner Vermutung, wohin Karpe mich und Peter Falcon, den “Bilderflüsterer” steuert. Das mag ich! Also gut, alles zurück auf Anfang und ich überlege neu, wer hier die Strippenzieher sind.
Ich haste durch die Gänge der Pariser Oper mit ihm. Aus der Ferne wehen Orchesterklänge zu mir heran. Mir ist mulmig bis in die Knochen, doch Falcon schreitet unbeirrt weiter voran und ich muss mich eilen, um nicht verloren zu gehen. Wir folgen einer Spur, vielleicht auch dem, der sie gelegt hat, noch sind wir ahnungslos. Diesmal erwacht ein Bild von Edgar Degas zum Leben. Seine anmutigen Balletttänzerinnen, sie treten aus den Schatten hinter dem Bühnenvorhang …
“Ging es nicht darum, diesen einen Moment schneller zu sein als die Wirklichkeit? Das war doch das Wesen des Impressionismus – die ganze Idee, die dahinter stand. Die sterbende Sekunde einzufangen, ehe sie sich ihrer eigenen Vergänglichkeit gewahr wurde.”
Textzitat Leif Karpe Der Mann, der in die Bilder fiel
Schade, auch diese Geschichte endet, wie eine jede es tut. Aber wer weiß. Ein nächstes Abenteuer für Peter und mich könnte sich schon ergeben. Also ich, ich wäre gern dabei, Herr Karpe!
Mensch, Dorothee, was für eine Ehre! Ich bin ganz gerührt und freue mich sehr. Ich hoffe der ein oder andere Tipp kann Dich am Ende auch genauso begeistern wie mich. Der Austausch mit Dir, und Deine Rückmeldungen, machen mir immer eine große Freude. LG von Petra
Liebe Petra!
Ich habe jetzt auf meinem Smartphone unter “Galerie” ein Album, das sich “Petras Buchempfehlungen” nennt…
Da hinein kommt auch dieses interessante Buch!
Liebe Grüße- Dorothee