Der Fluss (Peter Heller)

Fünf mal härter als Stahl, fünf mal leichter als Stahl. Dieses Material ist ein Superheld. Wird im Outdoor-Sport ebenso verwendet wie für schusssichere Westen, im Flugzeugbau, für den Unterbodenschutz und für Kanus:

Kevlar, die hitzebeständige synthetische Para-Aramidfaser wurde von Stephanie Kwolek entwickelt und die beiden Helden in dieser Geschichte hätten es, keine  Frage, ohne diesen Superstoff noch einen Tacken schwerer gehabt …

Der Fluss von Peter Heller

Das Feuer kam mit dem Wind. Der  Himmel glühte am Horizont. Sie zogen ihr Kanu an Land und wussten auf der kleinen Insel würden Sie nicht sicher sein, denn dieser Waldbrand schien sich mit unersättlichem Hunger und rasender Geschwindigkeit durch das Geäst zu fressen. Bis zum nächsten Dorf, einer Siedlung der Cree und bis zur Hudson Bay waren es auf dem Fluss mindestens noch zwei Tage. Es würde ein Wettlauf gegen die Zeit werden, nicht nur für sie.

Wynn und Jack in ihrem Kanu, hatten sich auf eine Sternenschau bei Nacht gefreut. Am liebsten ruderten sie in der Dunkelheit, lauschten dem gleichmäßigen eintauchen ihrer Paddel. Genossen die Stille tagsüber beim Angeln auf einem spiegelglatten See. Sie studierten gemeinsam, hatten gemeinsam als Tour Guides gejobbt in diesem Sommer, dann spontan beschlossen, sich bis spät in den Herbst freizunehmen für einen eigenen Trip.

Ihre Uhren hatten sie abgelegt, auf moderne Kommunikationsmittel, wie etwa ein Satellitentelefon verzichtet, von einem Wasserflugzeug hatten sie sich absetzen lassen. In der Wildnis. Sie wollten sie pur erleben und dann waren da plötzlich Rauch und Flammen …

Peter Heller, *13. Februar 1959 in New York,  amerikanischer Journalist und Autor, lebt in Denver, Colorado. Seine Romane The Dog Stars (2013) und The River ( 2019) sind in deutscher Übersetzung erhältlich. Letzterer “Der Fluss” wurde von Matthias Strobel ins Deutsche übertragen.

In diesem Roman riecht und schmeckt man das Abenteuer. Spannend erzählt Heller davon was zwei Freunde in die Wildnis treibt, davon was Grenzsituationen mit uns Menschen machen. Wie Unvorhersehbar eigenes und anderer Handeln sein kann, wie verhängnisvoll eine Begegnung, wie wichtig ein Freund.

Man spürt Hellers Verbundenheit zu Mutter Natur in jedem Satz, seinen Respekt, wenn er eine seiner Figuren einen Bachsaibling in der Hand halten lässt, den ersten eines Fangs, der immer wieder in die Freiheit entlassen wird. Ein Tier zu töten geschieht nicht aus Lust an der Jagd, sondern ist eine Notwendigkeit um Überleben zu sichern.

Wie viel Schönheit selbst in der Zerstörung liegen kann, auch dafür hat Heller ein Auge, vielleicht ist es sein journalistisches, wer weiß. Die Worte die er und sein Übersetzer finden um Eindrücke zu beschreiben, könnten treffender nicht sein, nicht anmutiger.

Ein sechster  Sinn. Eine Vorahnung, Stimmen am Ufer, ein Streit. Alpträume von einem Verlust, von einem lebensverändernden Unfall.

Ein See wird zum Fluss. Raureif am Morgen. Schimmernde Schuppen am Tag. Nicht gesucht aber gefunden, hatten sie einander, waren mit ihrer Leidenschaft für Literatur und das Angeln beste Freunde geworden. Wirklich beste Freunde. Wie Brüder.

Ein Streit, eine verschwundene Frau, ein verstörter Mann, eine Lüge, eine schwere Verletzung. Gefahr im Verzug, zehn Tage bis zum nächsten Dorf.

Der Fluss nimmt und der Fluss gibt. Mal donnernd, mal plätschernd, ist er pulsierendes Leben, seine Wildwasser und Strömungen lassen die Muskeln spielen, verweisen die Menschlein auf ihren Platz.

Eine Hommage an das Fliegenfischen ist hier entstanden, eine Ode an die Wildheit, kombiniert aus ruhigen Erzählpassagen und spannenden Abschnitten. Wie die Fahrt auf einem Fluss wechseln Sie sich ab. Mal mit schwebendem, mal mit aufwühlendem Ton fängt Peter Heller dieses Abenteuer ein. Er beobachtet unfassbar genau, durch die Augen seiner Figuren nehme ich eine beeindruckende Szenerie wahr. Nordlichter tanzen am Himmel, ein knisterndes Lagerfeuer erhellt die Gesichter.

Wildwasserfahrten, Schläfer unter der Oberfläche, Knirschen und Krachen, Wasser im Boot
Rauch und Feuer, eines das eine ganz eigene Sprache spricht und wehe dem, der kentert, das Wasser ist eiskalt.

Es schnürt mir die Luft ab.

Diese Geschichte hat einen ganz eigenen Sound, sie erzeugt kribbelnde Spannung, ist gleichzeitig atmosphärisch und bildhaft und hat mir außerordentlich gut gefallen.

Rau, roh oder betörend schön. Besonders wie die Stimmung während Heller erzählt immer wieder umschlägt, fand ich fesselnd und mitreißend. Sprachlich ist er dabei sogar poetisch unterwegs, lässt seine beiden Helden naturphilosphisch fachsimpeln. Sie vertrauen einander blind. Was mehr als notwendig sein wird, das wissen sie zu Beginn ihrer Unternehmung aber noch nicht.

Ich stieß auf von Menschen gemachtes Unheil, wurde einer Naturgewalt gewahr, die Mensch und Material wie ein Streichholz zerbrechen kann. Rasend, zischelnd und brodelnd. Das Donnern eines nahen Wasserfalls weist mir den Weg, und da, ein Bär! Ich reibe mir die Augen, während meine Helden im Stehen schlafen, inmitten einer zur Dystopie gewordenen Welt aus Stümpfen, Glut und Asche.

Es regnet, verbrannte Nadeln und Äste.

Auf Kanadas Flüssen bin ich schon einmal lesend unterwegs gewesen, seinerzeit mit Brian Moore in seinem Roman “Schwarzrock” und auch da wurden die Figuren nicht geschont. Diese Landschaft muss grandios dramatisch sein. Wer sich für das Hören entscheidet und die Augen schließt, so wie ich hier szenenweise, ist ganz schnell ganz weit weg und auch mittendrin. Kein Wunder das, denn wenn er vorliest lohnt es sich immer hin zu hören.

Uve Teschner, der Hörbuchsprecher mit meiner Lieblingsgrabesstimme, der mir wie kein anderer Zafons Geschichten vom Friedhof der vergessenen Bücher mit rollendem “R” vorgeschwärmt hat, hat mich auf dieser Reise in die Wälder verschleppt. Ganz und gar, und weshalb ich diesen Text gerne allen die ihn noch nicht kennen, nicht nur ans Herz, sondern am liebsten auch in die Ohren legen möchte. Hier kann man herrlich auf seiner Stimme im Nebel treiben, mit einem mächtigen Elch zusammen anlanden, die Zeit vergessen. In Deckung gehen, Angeln auswerfen.

In dieser Geschichte, die mich sofort gekriegt, die mich bereits im Prolog neugierig gemacht und mit ihren wunderbar stimmigen Szenen aus meinem Alltag entführt hat. Ich bin getroffen. Mitten in mein Leserinnenherz und angefixt! Fortsetzung folgt. Versprochen. Denn ich lese gerade Die Lodge, Hellers neuen Roman. Bleibt neugierig!

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