Das geheime Leben der Bäume (Peter Wohlleben)

Dienstag, 03.10.2017

Wenn ich mit meinem Opa unterwegs war in den Wald, auf seiner alten schwarzen Triumph, dann war für mich als Kind Sommer. Oma erteilte den Auftrag zum Beeren sammeln für die alljährliche Marmelade. Opa lud unsere Blech-Eimerchen auf einen kleinen Anhänger und spannte seinen “Killer”, sein Motorrad an. Ich durfte dann hinter ihm sitzen und wir knatterten zu den besten Plätzen für Heidel-und Brombeeren. Mein Opa kannte sie alle, die Beeren-Geheimplätze, denn er war Waldarbeiter – und ich glaube es war seine Schuld, dass ich wenn man mich als kleines Mädchen nach meinem Berufswunsch fragte, nicht Ballerina sondern Förster sagte. An diesem Wunsch hielt ich auch fest, bis mir deutlich wurde, dass hier die Hege und das Dezimieren von Wild auch dazu gehört. Also hätte es für mich höchstens zu einer “vegetarischen” Variante einer Försterin gereicht und ich besann mich anders. Die Liebe zum Wald aber ist mir bis heute geblieben. Nur hier, kann ich ähnlich wie in einer Kathedrale begreifen und spüren, dass wir Teil eines größeren Plans sein müssen. Hier kann ich mich erden. So richtig rational erklären konnte ich mir das bislang nicht, bis jetzt. Denn jetzt habe jemanden entdeckt, der das hervorragend kann:

Das geheime Leben der ume (Peter Wohlleben)

Peter Wohlleben ist Förster. Er hat über zwanzig Jahre für die Landesforstverwaltung als Beamter gearbeitet und dann gekündigt als ihm bewußt wurde, was moderne Fortwirtschaft mit unseren Wäldern macht. Heute leitet er einen umweltfreundlichen Forst in einer kleinen Eifelgemeinde. Dort arbeitet er an der Rückkehr der Urwälder in unseren Breitengraden.

Vom “Wood-Wide-Web” hatte ich noch nie gehört. Klingt erstaunlich? Ist es auch. Wohlleben erklärt wie Bäume, insbesondere Buchen und Eichen in Gemeinschaften leben, sich über die Baumwurzeln vernetzen, sich gegenseitig versorgen und damit sogar kranken Gefährten beim Überleben helfen. Mit Hilfe von ganzen Pilz-Geschwadern und über elektrische Impulse die die Wurzenspitzen aus senden funktioniert das. Wenn er berichtet, das eine etwa vierhundert Jahre alte Buche im Laufe ihres Lebens ca. 1,8 Millionen Bucheckern produziert und am Ende nur ein einziger Baum als Nachwuchs dabei rumkommt, bleibt mir der Mund offen stehen. Blühzyklen im Wald, Abhängigkeiten die dadurch für Mensch und Tier entstehen waren mir so gar nicht bewußt.

Das Bäume Schmerz empfinden können und wissenschaftlich belegt eine eigene Sprache haben – unfassbar. Wenn er von Scham spricht, die er empfindet, wenn er zurück denkt an seine Zeit als junger Förster als er Buchen zur Bestandsdezimierung mit einem Verfahren das “Ringeln” genannt wird zum Absterben gebracht hat, schießen mir auch die Tränen in die Augen.

Von einer australischen Forscherin berichtet er, die nachweisen will das Pflanzen lernen, offenbar ein Gedächtnis haben. Sie forscht an Mimosen, denn einen ausgewachsenen Baum ins Labor holen ist halt einfach nicht drin. Wir alle kennen Mimosen. Sie schließen furchtsam bei Berührung ihre Blättchen. Was aber wenn Wasser auf sie tropft und das wiederholt? Das erstaunliche tritt ein, wir ahnen es schon, nach einigen Wiederholungen erkennt die Pflanze offenbar, dass ihr vom Wasser keine Gefahr droht und sie bleibt geöffnet. Auch noch wochenlanger Pause dieser Betropfung und einer erneuten Wiederholung hat die Pflanze sich das behalten!

Wohlleben verblüfft mit immer mehr erstaunlichen Fakten, mit Quellenangaben und Bezug auf namhafte Forscher und Wissenschaftler. Nichts was er erzählt kann man mehr einfach so als Mär abtun!

Eine ausgewachsene Buche kann am Tag bis 500 Liter Wasser durch ihre Zweige treiben. 500 Liter, ich habe schon Probleme 2 Liter am Tag zu trinken! Man stelle sich jetzt vor was eine Hitzeperiode im Sommer mit einer Regenpause von zwei Wochen für die Bäume bedeutet. Wie schaffen es diese grandiosen Gewächse, das zu überstehen? Ihr gestrenge Lehrmeisterin die Natur hat ihnen das unter Schmerzen und mit gerissener Rinde beigebracht, haushalten ist angesagt. Sich gegenseitig warnen, wenn Trockenheit droht und die vorwitzigen, maßlosen Fichten es wieder mal übertreiben mit ihrem Konsum. Geht nicht, das Warnen meint ihr, oh doch! Lest es nach, Seite 46 ff.

Was es mit der Baumschule, dem Baumknigge und dem Co2 Staubsauger auf sich hat wird geklärt, auch die Frage ob und warum die Eiche ein Weichei ist …

Peter Wohlleben, er hat mitten hinein geschaut in den grünen Teil meiner Seele und es gibt ihn. Von der ersten bis zur letzten Seite seines Buches hatte ich Non Stop Gänsehaut. Warum ich als Kind im Wald mit meinem Opa immer die Schuhe ausziehen und mit nackten Füßen über den Waldboden gehen wollte, jetzt endlich begreife ich es! Viel zu selten bin ich heute genau da draußen, viel zu wenig schenke ich dem Beachtung was in der Natur geschieht. Viel zu selten stelle ich Fragen, warum das was ich bei einem Waldspaziergang sehe genauso ist wie es ist. Wieviel ist uns verloren gegangen, uns dem “modernen” Menschen? Unsere Antennen sind verbogen, oder gar abgebrochen, wir haben unsere Verbindung zur Natur verloren.

Jetzt schiebe ich erstmal die Tastatur beiseite, ziehe Schuhe an und gehe raus, der Wald ist gar nicht weit. Vielleicht bin ich ja mal wieder so mutig wie damals, denke nicht, ziehe einfach meine Schuhe im Wald wieder aus. Warme Tage gibt es ja auch noch im Oktober. Wir sehen uns …

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