bitte Umgebung! (Silke Scheffel)

Nichts und niemand. Niemand und nichts berührt mich so wie Lyrik. Immer dann wenn es mir so vorkommt, als habe da jemand nur für mich geschrieben, wenn ich mich erkannt fühle, gesehen. Dann ist sie besonders gut. Im Isarufer Verlag, einem Independent Verlag aus München, ist soeben ein Gedichtband erschienen, der genau das für mich ist und ich darf mich noch dazu über ein Exemplar mit persönlicher Widmung freuen. Liebe Silke, sei bedankt!

bitte Umgebung! von Silke Scheffel

Schon das Cover sagt uns, unter welche Überschrift Silke Scheffel ihre Verse in dieser Sammlung gestellt hat. Mensch und Natur in Verbindung. Hand in Hand. Wie einen Weckruf, einen melancholisch angehauchten, habe ich ihre Gedichte gelesen. Mir gewünscht, das es möglichst vielen so geht und wir wieder zu mehr Respekt im Umgang mit dem kommen was uns alle umgibt. Mit dem, von dem wir uns wünschen, das es uns umgibt.

Silke Scheffel, geboren in Konstanz, lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in München. Sie arbeitet als Logopädin und systemische Familienberaterin und schreibt ihre Gedichte am liebsten draußen in Bewegung, lese ich auf der Seite von zartehorizontale.art/texte, die lyrischen Autor:innen eine Plattform bietet. Soziale Netzwerke sollen Menschen verbinden, die sich über gleichgelagerte Interessen finden, so habe ich Silke via Instagram entdeckt und folge ihr und ihren Versen seit einiger Zeit schon. Wenn mir der Algorhythmus einmal wieder ihre Posts unterschlägt, biege ich bewußt auf ihr Profil ab, weil ich zwischen ihren Zeilen und Gedanken, so gut zur Ruhe kommen kann. Das obwohl sie mich jedesmal so bewegen. Keine Ahnung wie sie das schafft, vielleicht weil auch ich mich über die Bewegung am besten runterfahren kann. Gleich ob mit den Händen in der Erde beim Pflanzen oder im Wald. Wie sie beobachtet und das was sie dabei empfindet in Worte fasst ist wunderschön. Immer, und ich wünsche ihr soviel mehr Sichtbarkeit. Laut vorgelesen tanzen ihre Sätze wie feine silberne Fäden in der Luft. Wie ein zartes Gespinst, das sich, wenn man es berühren möchte entzieht, um zu bleiben. Als innerer Eindruck.

Sie probiert sich mit unterschiedlichen Versmaßen, mit verschiedenen Stilen aus. Verzichtet mal ganz auf ihre Gedanken ordnende Satzzeichen, dann wieder stellt sie Schrägstriche wie Zäune zwischen ihre Worte und fordert uns zum Überspringen auf. Damit wir uns fallen lassen können in die nächste Satzhälfte. Sie hebelt die Groß- und Kleinschreibung aus, haucht ihre Versenden mit Melancholie an. Ich denke an Hesse, der so manches Gedicht wohl auch auf Wanderungen ersonnen hat. Seinen Blick in die Weite gerichtet. Höre dann damit auf. Zu vergleichen. Denn Silke verdient es, das ihre Gedichte für sich stehen dürfen. Jedes einzelne davon.

Gehäuse

die Vögel sangen Umgebung. wir bauten uns
ein Gehäuse daraus, rollten die Aufwinde am 
Abhang, schmeckten den Trost der Tannen, 
einen Eichelhäher entlang, die Bläue 
gemusterter Schwingenspitzen. 
am Lidrand, ein kleiner See. 
die Wolken verschwanden dahinter.

Füchse, Pfoten und Rehe. Der Wald und Artenporosität. Einfach Sosein, wenn möglich.

Nachtigallen, Geknister unter Sternen. Hasenherzen, Wildniswürde und Winterwald.

Weiches Fell, Haut an Haut, Federn und Atem.

Ich hänge dem nach, was Silke Scheffel mir in meine Gedanken legt. Erfreue mich an ihren Wortschöpfungen. An ihren Satzkonstrukten. An der Poesie, mit der sie die Natur einfängt, beschreibt was sie sieht, staune worauf sich ihre Wahrnehmung richtet. Selektiv, objektiv, immer sensitiv.

Lasse meinen Kirschbaum ihre Gedichte umarmen, nehme sie auf in meine Umgebung. In den Schutzraum meines Zuhauses. Vielleicht fühlen sie sich ja auch bei mir wohl. Wer weiß. Vielleicht bitten sie mich bleiben zu dürfen. Ich hoffe darauf. Lausche auf ihren Nachklang.

Eines von ihnen muss ich noch zitieren, liebe Silke, verzeih. Während ich auf die nächste Hitzewelle warte und von dem Novemberraunen träume, das Du schon gehört hast. Jetzt verstehe ich auch, was Du gemeint hast, mit dem Satz, den Du mir mit Deiner Signatur zusammen in diesem herrlichen Band hinterlassen hast:

wenn wir könnten

würden wir in die Berge schmecken
die kleinen Wälder probieren
die sich raschelnd an Felsen verankern
darüber die Wolken
sie knüpfen die weißesten Tücher
wären uns warme Decken
blickten wir liegend darunter nach Ferne
bis Himmel und See sich
ein Spiegel sind
alle Sonnen doppelt darin
streichelt der Wind
uns im Federgras
als wären wir seine
gezähmten Vögel

Danke, Silke. Dafür, dass Du diese Gedanken mit uns teilst. Dafür, dass Du so schreibst wie Du es tust!

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