Die Lodge (Peter Heller)

Jack is back. Wer Peter Hellers Der Fluss mochte, wird sich wie ich nur zu gerne an ihn erinnern. Farmerssohn, naturverbundenen mit dem Herzen eines Cowboys, paddelte er mit seinem Freund Wynn, dem literarisch Begabten, im Kajak durch Hellers Vorgängerroman Richtung Hudson Bay und mitten hinein in einen Flächen-Waldbrand. Dieser Roman, den ich für seine Naturbeschreibungen besonders mochte, aber auch für seine sich leise aufbauende Dramatik bildet die Absprungbasis für diese neue Geschichte. Denn Jack hat eine Vergangenheit und die lässt sich nicht so ohne Weiteres abschütteln. Konnte Peter Heller mich auch diesmal wieder mitreißen? Mit Bildreichtum und nature writing at it’s best? Finden wir es heraus.

Meinen Koffer habe ich nach der Ankunft mit Jack schon mal gleich in die Ecke gestellt. Ohne auszupacken, so grandios ist es auch hier, soviel Gegend hat es, in diesem Luxus-Refugium am Eingang einer Schlucht. Hört ihr das Rauschen des Flusses, der ganz in der Nähe unserer Hütte vorbeifließt? Es ist August und tagsüber geht noch T-Shirt. Die Nächte aber sind schon kalt. Eiskalt. Wie das Wasser des Flusses, der sich hier durch die Felsen schneidet, in Steinwurfweite das Resort, in dem ich mit einigen gutbetuchten, teils prominenten Gästen und Jack, der hier einen Job als Angel-Guide angenommen hat, eingecheckt habe …

Die Lodge von Peter Heller

Die Kamera an der Brücke über ihm bemerkte er zufällig und aus dem Augenwinkel. Wer überwachte einen Flußabschnitt und warum, wenn er Abgeschiedenheit und Privatspähre verkaufen wollte? Nur wenige Meter flussabwärts bemerkte Jack ein zweites Objektiv. Irrititiert und auch ärgerlich kehrte er ihnen den Rücken. Die Gäste zahlten einen stolzen Preis für eine Privatheit die offenbar eine Lüge war. Wie bitte rechtfertigte man eine Überwachung genau dann, wenn Gutgläubige sich unbeobachtet glaubten?

Das würde Stress geben. Mit seinem neuen Boss. Als er den Schuss hörte, stand Jack mit heruntergelassener Wathose im Gebüsch. Er hatte dringend seine Notdurft verrichten müssen und seine Kundin nur deshalb allein gelassen. Nur für einen Moment. Die Warnschilder ihres Nachbarn waren zwar wahrlich überdeutlich, “hier wird geschossen” konnte man nicht missverstehen und doch glaubte man nicht, dass tatsächlich jemand mit angelegter Waffe darauf achtete, dass die Grenze im Fluss von arglos angelnden Gästen des benachbarten Hotels nicht überschritten wurde.

Zum Glück war niemand verletzt worden, aber die Stimmung im Resort verfinsterte sich. Nicht zuletzt auch wegen eines im nahe gelegenen Ortes gemeldeten Infektionsfalles durch ein neuartiges Virus, von dem man befürchtete, es könne sich zu einer weltweiten Pandemie auswachsen. Ab jetzt musste man mit allem rechnen. Vielleicht würden die Behörden sogar alles abriegeln und man kam nicht mehr weg, anderen Ortes war das wohl schon passiert …

Peter Heller, *13. Februar 1959 in New York, arbeitet als Journalist für das National Public Radio, für das Outside Magazine und National Geographic Adventure. Der Romanautor lebt in Denver, Colorado und besonders diese Landschaften haben es ihm als Erfinder von Geschichten angetan. Auch seine Reiseerlebnisse werden Teil seiner Storys. So ließ er sich von dem Bericht eines Mannes, der ihm auf einer seiner Touren begegnete, zu Der Fluss inspirieren.

“Sie gaben ihm ein Quartier in einer Hütte am Fluss. In einer waldigen Schlucht, Fichten und Kiefern, mit hohen Felsen und ins Wasser stürzendem Geröll.”

Textzitat Peter Heller Die Lodge

Ein Satz genügt und es ist klar wo man ist. So ist das bei Peter Heller. Man ist sofort mittendrin statt nur dabei. Dieser Satz ist sein erster in seinem aktuellen Roman Die Lodge, der im Original The Guide heißt, und den diesmal Marlene Fleissig ins Deutsche übertragen hat.

Diesen ersten Satz habe ich mehrfach gelesen und selbst wenn ich grammatikalisch daneben liege, mögen das die Lektor:innen und/oder Deutschlehrer:innen beurteilen, mir fehlt im v.g. Zitat der Klang und das Wörtchen “mit” vor den Fichten. Immer wieder hat es auch in der Folge des Textes Wörter mit einem Buchstaben zu viel oder zu wenig. Wie ärgerlich. Das lässt meine Augen immer wieder stolpern, entzaubert den Text leider für mich ebenso, wie er es nicht schafft mir diesmal Jacks Zerissenheit zu vermitteln, die sich nach seinem Erleben aus Der Fluss und drei Sommer später noch verstärkt hat. Für mein Empfinden zu plump werden hier seine Schuldgefühle geschildert, die er (Verzeihung) seit dem Unfalltod seiner Mutter kultiviert und die Tatsache, dass er den Toten, die er betrauert gerne folgen würde, wird zu sehr betont. Das kenne ich ganz anders von Peter Heller und aus seinem Vorgänger Der Fluss. Da ging es diesbezüglich glaubwürdiger zu. Auch diese Schwärmerei, die Jack diesmal nicht für Fisch und Natur, sondern für seine ach so schöne und berühmt-begabte Kundin zeigt, haben mich genervt, die zahlreichen Augenaufschläge und hormonellen Aufwallungen sind mir einfach zu kitschig geraten.

Adjektive sind gefährlich oder die Dosis macht das Gift. Okay, ja, ich bin schon wieder am Meckern, wenn ich auf einer Seite aber gleich dreimal Begriffe wie “sternenklar” oder “sternenübersät” lese, murre ich innerlich, weil ich hatte schon beim ersten Mal erfasst wie der Himmel aussieht und kann gut auf diese Art der Überbetonung verzichten. Beständige Wiederholungen in kurzem Abstand von z.B. “fast eisig“, sorgten dafür, das ich beim Weiterlesen an mir halten musste, mich nicht daran fest zu beißen, und nur noch darauf zu achten, ob sich so etwas wiederholt. Sorry, aber da bin ich echt pingelig, weil das bremst mir den Lesegenuss so richtig. Ich hatte keine Hochliteratur erwartet, aber Der Fluss hatte mir eben gerade auch sprachlich sehr gut gefallen.

Die ersten Kapitel habe ich also eher über diese verletzten Wörter holpernd und über die Wiederholungen stolpernd gelesen, wollte schon aufgeben, dachte, dieser Tage tue ich mir offenbar schwer mit den Fortsetzungen geliebter Romane, erst Charlotte McConaghy jetzt auch noch bei Heller, da fällt ein Schuss und einige Seiten später rennt eine verstörte junge Frau, oder ein Mädchen im Krankenhausnachthemd über die Straße und Jack vor den Van …

Jetzt hat er mich doch neugierig gemacht, der Herr Heller und ich bleibe also dran.

Spoilern verboten, ich weiß, aber den vergrabenen Watstiefel, der nach seiner Entdeckung durch Jack, während seiner Pinkelpause im Busch dann unauffindbar ist, erwähne ich trotzdem. Denn er ist der Stein des Anstoßes und da immer alles kommt wie es kommen muss, gehen Jack und seine Kundin jetzt ab. Ab in den Wald und auf die Suche nach dem kautzigen, schußwütigen Nachbarn. Dabei finden sie jede Menge Stacheldraht und hören des nächtens Laute, die zu einer Eulenart gehören könnten, es wohl aber nicht tun. Das Misstrauen wächst, Druck wird aufgebaut, eine Kündigung ausgesprochen. Hier ist offenbar das genaue Gegenteil des äußeren Scheins der Fall und Mann durfte seine Nase keinesfalls in etwas hineinstecken wovon andere der Überzeugung waren, es ginge einen nichts an. Warum sonst ließ der Manager bestimmte Angestellte Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben und warum steckte auch im Zimmerthermostat eine Mini-Kamera? Es tauchten Gäste beim Frühstück auf, die sahen plötzlich gar nicht mehr entspannt aus und die beiden, die gestern erst angekommen waren, wollten heute schon abreisen?

Ist es das was ich denke, oder weiß Heller mich noch zu überraschen? Nur soviel verrate ich noch, einen Fährtenleser braucht man nicht um Grund und Ursache hier auf die Spur zu kommen. Im Epilog angekommen, erwische ich mich immer noch augenrollend. Nein, für dieses Abenteuer aus der Feder von Peter Heller kann ich mich auch abschließend nicht begeistern. Schluss und Ende sind mir zu reißerisch geraten, eine Auflösung nebst Schulterklopfer musste offenbar auch noch her. Jack schießt sich seinen Weg frei und ich bin da jetzt leider auch inhaltlich raus.

Was wäre hier möglich und denkbar gewesen. Stattdessen waren Natur und Landschaft diesmal nur Statisten, nicht Hauptdarsteller wie in Der Fluss, ich glaube das habe ich final am meisten vermisst, mal abgesehen davon, das der sprachliche Zauber von Hellers Vorgängerroman für mich komplett verflogen ist. Ein etwas älterer Roman von ihm liegt noch hier, vielleicht komme ich damit stilistisch wieder besser zurecht …

Mein Dank geht an den Verlag Nagel & Kimche für das Besprechungsexemplar.

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