Vor Anker zwischen hohen Felsen, Luxusjachten (der Eclypse des Milliardärs Abramovich!), Flughafen Landebahnen die ins Meer ragen und gleich drei Ländern. Das alles geht hier mühelos. Die Bucht, in der wir heute angelegt haben wird begrenzt von Großbritannien, Marokko und Spanien. Eine Fähre zwischen Europa und Afrika braucht hier schlappe 35 Minuten, da fahre ich täglich fast doppelt so lange zur Arbeit.
Die Straße von Gibraltar, auf der wir noch ein Stück fahren werden, ist 14 km breit und dabei 900m tief, durchwirbelt von zwei Strömungen, eine aus dem Mittelmeer und eine zweite vom Atlantik herkommend.
Feucht warme 24 Grad gehen heute auf unser “Reisetemperaturenkonto”, am Morgen ist der Himmel sehr bedeckt, man hat den Eindruck, als wolle es gleich regnen, es fällt jedoch den ganzen Tag kein Tropfen.
Etwas ernüchtert haben wir heute früh einen Blick über die Bord-Reeling geworfen, hübsch hässlich ist es hier. Die strategisch und geografisch bedeutsame Lage der Stadt hat ihr architektonisch keine Vorteile gebracht. Gleichförmige, gesichtslose Hochhäuser drängeln sich auf 6,7 km2, durchbrochen von unzähligen Baustellen. Es lärmt. Durchzogen von Tunneln, mit einer Länge die das oberirdische Straßennetz weit übertrifft, ist der Felsen, der auch berühmt ist für seine hier wild lebenden, diebischen und zänkischen Berber-Affen. Wir haben bewußt auf einen Ausflug zu den Affen verzichtet, da wir unsere Brillen und Handys noch weiter behalten und auch nicht in einen Futter-Neid-Streit hineingezogen werden wollten.
Wir gehen für einen Spaziergang von Bord in Richtung Innenstadt, Steuer-und Shoppingparadies, die Straßen verstopft mit Autos und Touristen. Also, was soll ich sagen, mir gefällt es hier immer noch nicht. Wie eine Festung, abwehrend, ja abschreckend wirkt die Altstadt mit ihrer Stadtmauer am Kasematten-Platz auf mich, ich würde meinen diesen Hafen kann man sich ohne Schmerzen sparen, dann spart man auch – nicht nur Zoll und Steuern. Böse ich weiß …
Am Nachmittag, wir laufen erst am Abend aus, traue ich dann bei meinem Spaziergang an Deck meinen Augen nicht. Wo kam der denn jetzt her? Eine Passagiermaschine fliegt so dicht am Popo unseres Schiffes vorbei, dass ich ihr den Rumpf kraulen könnte! Ich zücke mein Handy für ein Foto, habe vor lauter Verdatterung noch den Panoramamodus aktiviert. Der Flieger ist so gleich viermal auf dem Bild in der Anflug – und Landephase. Das ist ja mal ein Ergebnis!
Es wird Abend und wir haben den Hafen-Lotsen diesmal auf unserer Seite. An steuerbord hüpft er wieder an Deck seines Bootes und pfeift uns winkend zum Abschied ein Ständchen. Ich liebe diese Manöver, wie cool ist das denn bitte!
Knapp eintausend Kilometer trennen uns jetzt noch von Barcelona. Übermorgen früh wollen wir dort noch ein letztes Mal vor der Heimreise an Land gehen.
Wehmut packt mich – nein Schluß jetzt! Das Ende der Reise ist erst am Ende der Reise …
Freitag, 21.09.2018 – unterwegs auf dem Mittelmeer, Seetag
Eine Luft wie Seide, das Wasser tiefblau, die Wellen laufen lang, sanft und gleichmäßig aus. Einatmen – Ausatmen – den ersten Kaffee in der Sonne auf unserem Balkon genießen. Alles fließt, es gibt nichts zu tun!
So geht Entschleunigung für mich, digitale Entgiftung – kein Netz, kein Handy – nur Ruhe. Momente die man am liebsten einfrieren möchte um sie bei Bedarf wieder aufzutauen. Ich fasse einen heimlichen Entschluß, ich bleibe übermorgen einfach an Bord. Wer hat denn eigentlich gesagt, dass ich wieder aussteigen muss? Da läßt sich doch sicher was machen, ich übernehme auch zur Not den ein oder anderen Dienst, zum Gemüse- oder Obstschnippeln, Betten beziehen ginge auch …
Das kleine, feine Konzert vom Vorabend noch im Ohr summe ich vor mich hin und muss über den sympatischen Hamburger Künstler, der zu Gast an Bord ist, Jon Flemming Olsen lächeln. So schlagfertig hat er sich selbst moderiert und den Titelsong seines neuen Albums so wunderschön vorgetragen mit den vier Damen des Streichquartettes hier von Bord, dass mir die Augen feucht wurden.
Was für eine Überleitung in diesen Entspannungstag an Bord. Für die Einlösung unseres Champagner-Gutscheins haben wir genau den richtigen Zeitpunkt gewählt. Wir sitzen mit nur vier anderen Gästen im Außenbereich der Bar am Heck und genießen nach einem ausgedehnten Frühstück Sonne, Wind und das Wettrennen mit einem anderen Kreuzfahrer, den wir natürlich! locker abhängen.
Macht es gut bis morgen in Barcelona. Wo wir nicht in die Stadt wollen, nicht das das nicht lohnt, im Gegenteil. Wir waren vor ein paar Jahren ausführlich hier und meine Begeisterung für das Schaffen von Antoni Gaudi ist nach wie vor ungebrochen. Wir haben uns etwas anderes vorgenommen und brechen auf nach außerhalb …
Einmal über den Dingen stehen – das ist der Plan für den letzten Reisetag und der soll uns in die Berge vor den Toren Barcelonas führen. Rund 70 km entfernt liegt der dafür perfekt geeignete Ort, das Benediktinerkloster Montserrat. Die Dan Brown Leser unter Euch erinnern sich, hier beginnt sein zuletzt erschienener Robert Langdon Roman Origin. Wir sind also wieder an einem “Tatort” Dan Browns angekommen, wie auch schon im Guggenheim im Bilbao.
Herbstlicher Dunst liegt bei unserem Aufbruch über Barcelona, kaum haben die Behörden um 8:20h das Schiff freigegeben sind wir auch schon unterwegs. Nach etwa fünfzig Minuten Fahrt erreichen wir die Talstation der 2003 in Betrieb genommenen Zahnradbahn, die uns von 12m ü.N.N. auf 720m hinauf bringen soll. Auch per Seilbahn, nix für mich und meine Höhenangst, kann man hier einschweben. Zu Fuß, mit Fahrrad, Bus oder PKW über etliche Serpentinen geht auch. Schwindelfreiheit ist aber auch hierbei von Vorteil.
Ein ganzes Netz an Wanderwegen zieht sich durch eine spektakuläre Gebirgslandschaft, im Tal schlängelt sich sein tonerdefarbiger Fluß entlang. Was für eine Kulisse! Die Aussicht aus der Bahn allein macht schon Laune.
Montserrat ist katalanisch und meint “gesägter Berg”. Im Herzen Katalaniens sind wir ja auch, das Kloster liegt unter dem östlichen Gipfel dieser wunderschönen Bergkette, die einen an amerikanische Canyons denken läßt. Der höchste der fingerförmig ausgewaschenen Berge der Sant Jeroni erhebt sich stolze 1.236m. Eine zweite Stand-Seilbahn fährt beinahe senkrecht, mit 65% Steigungswinkel, noch eine Etage höher, als das Kloster liegt. Mir wird schon bang beim Hinsehen!
Richtig viel kann man hier entdecken, z.B. die heilige Höhle erobern, in der einst die “Schwarze Madonna” gefunden wurde, die jetzt im Altarraum der Klosterkirche Ziel allen Pilgertums ist. Die Schutzheilige der Katalanen hat dort auf einem silbernen Thron aus dem 12. Jahrhundert Platz genommen. Auch Antoni Gaudi hat hier an einem großen Rosenkranz mitgewerkelt.
Schon die Römer verehrten hier auf dem Montserrat die Venus, nicht erst seit gestern ist das also ein magischer Ort. Columbus, Cervantes und Humboldt waren ebenfalls schon hier, wir wandeln demnach auf überaus prominenten Spuren. Mal schauen wem wir noch so begegnen.
Während der Franco Diktatur leistete das Kloster Widerstand. Hier sprach man unbeirrt weiter Katalanisch, zwanzig Mönche ließen in der Folge dafür ihr Leben. Ein düsteres Kapitel, das dem Kloster und seiner Gemeinschaft in Spanien bis heute eine besondere Bedeutung verleiht, diese Wacht in den Bergen steht noch immer sinnbildlich für Unabhängigkeit und gegen Unterdrückung.
Ganz klassisch findet man hier heute auch ein Museum, das Monets und Carravagios zeigt und man ist stolz auf eine Bibliothek mit über 200.000 Bänden und alten Schriften! Wahnsinn! Dorthin habe ich es heute leider nicht mehr geschafft, es gibt also mehr als einen guten Grund wiederzukommen, mit etwas mehr Zeit im Gepäck und dann ist es auch egal wenn es regnen sollte. Bücherwürmer wohnen ja bekanntlich im Trocknen …
Wer es schafft, sollte früh vor dem Haupt-Ansturm herauf kommen, den Morgendunst in dieser Jahreszeit zu erleben war grandios. Stück für Stück zeigte sich die ganze Pracht dieser riesigen Anlage und wie wenn der Herrgott einen Schleier lupft, wurde die Landschaft ringsum nach und nach preisgegeben. Ganz still wird es, entfernt man sich auf einem der vielen Wege vom Hauptplatz, beinahe meditativ ist das. Was für ein Ausflug!
Am frühen Nachmittag sind wir zurück in der Stadt und ich reibe mir wirklich die Augen! Was haben wir denn da für einen Liegeplatz ergattert! Das hatte ich in der Eile heute früh so überhaupt gar nicht wahrgenommen. Mein Blick wandert erst einmal von unserer Kabine aus auf den Montjuic, den Hausberg von Barcelona, mit seinem Castello, dem alten Friedhof neben dem botanischen Garten. Merkt Ihr was? Schon wieder sind wir mitten drin in einem Roman, diesmal in den Geschichten von Carlos Ruiz Zafon, der meine Lieblingsfigur Fermin Romero del Torres in diesem Castello einkerkerte. Der Show-Down, ich meine des dritten Teils seiner Reihe um den Friedhof der vergessenen Bücher spielt in der Seilbahn die den Montjuic mit der Stadt verbindet und auch sie haben wir bestens im Blick. Extraordinär superelegorisch oder so … finde ich das!
Wir steigen ein paar Stockwerke auf unserem Schiff hinauf, aus luftiger Höhe am Heck nehmen wir atemlos Platz und genießen die Aussicht. Tut mir leid für Euch, das wir heute nicht mehr weiter rum kommen, aber mich kriegt hier erst einmal keiner mehr weg. Lieber einen Hugo schlürfen, Yachten und Segelboote zählen, Kreuzfahrern beim Rangieren zuschauen, der alten Seilbahn von 1929 mit ihren kleinen roten Gondeln zuwinken, dem Möwenschwarm beim Schwimmen üben zusehen und ja kurz vor uns ist ein Hubschrauber Landeplatz für Rundflüge. Diese Anflugmanöver unter der Brücke durch, die in den Hafen führt, sind auch nicht von schlechten Eltern. Habe ich schon erwähnt, dass man auch die Altstadt mit dem Columbus Denkmal und ihrer Kathedrale sehen kann? Ja und das? Das sind sie doch? Eindeutig! Die Türme der noch immer unvollendeten, der Sagrada Familia. Was soll ich sagen? Das fühlt sich einfach nach einem perfekten Urlaubstag an. Einem perfekten letzten sozusagen. Das Buch, das vor mir auf dem Tisch liegt kriege ich nicht aufgeschlagen, aufsaugen und tief drin mit nach Hause nehmen will ich diese Bilder.
Es ist soweit, als der Wecker klingelt ist es nicht mehr weg zu diskutieren. Wir müssen von Bord und ab zum Flughafen. Der Sonnenaufgang in Palma de Mallorca gibt alles und macht uns den Abschied nicht gerade leichter. In der Ferne können wir tatsächlich noch einen Blick auf die Kathedrale von Palma erhaschen. Wieder ein toller Liegeplatz:
Aber nutzt nix. Ich tröste mich mit dem Gedanken, nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub und greife nach meinem Handgepäck. Ein letztes Mal die Bordkarte am Check-Out scannen und schwups ist sie ungültig. Während schon neue Gäste auf den Check-In zuströmen, weist uns eine nette Dame den Weg zu unseren Koffern, die fleissige Helfer schon von Bord gebracht haben. Das Shuttle zum Flughafen ist einstiegsbereit.
Einen wunderschönen Flug über den Mont Blanc, Genfer- und den Bodensee mit einer Traumsicht dürfen wir noch erleben. Zwölf Tage sind wir unterwegs gewesen mit Wind und Wellen, blicken jetzt auf ein Meer aus Bergen, tauchen ein in einen See aus Wolken und wieder auf in Frankfurt, in einer Welt wo Wochentage und Uhrzeiten wieder eine Rolle spielen.
Der Weg in Frankfurt am Main, Airport bis zu unserer Mietwagenstation ist dann allerdings noch mit Hindernissen gepflastert. Wir dürfen zwar zum Glück landen bevor der angekündigte Sturm im wahrsten Sinne des Wortes losbricht. Uns erwischt er mit Starkregen, Gewitter und heftigen Böen dann auf der Autobahn. Irgendwie ist das Wetter so ähnlich wie bei der Abreise in Bremerhaven. So schließt sich der Kreis. Was wollte ich gerade noch schnell erzählen? Ach ja, die Fahrt mit dem Flughafenbus vom Landeplatz bis zum Terminal dauerte bei halsbrecherischem Tempo fast länger als der Flug und mündete in einer Räumung von Terminal C, an der wir dann gleich noch teilnehmen durften. Den Puls, den ich bei dieser Alarmdurchsage hatte, möchte ich bitte nicht wieder haben. Schlecht organisiert, ist diese Räumung, Angst und Ärger der Passagiere sind groß, keinen scheint das groß zu kümmern. Ich sag mal so, gut ankommen geht anders und doch haben wir es, wenn auch mit Verspätung wohlbehalten nach Hause geschafft und das ist es, was am Ende zählt – oder?
Jetzt sitze ich hier bei einer Tasse Tee, draußen stürmt es ums Haus und tippe die letzten Buchstaben. Durfte meine Reise auf diese Art mit Euch gemeinsam noch einmal erleben und sage – “fare well, maat et juut, goodbye, au revoir” und so.
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