Wie jede Woche geht es auch diesen Freitag zum Einkaufen, und wie immer fängt es beim gesunden Obst und Gemüse an. Aprikosen, Äpfel, schnell noch wiegen. Ne, nix schnell. Eine Schlange, ne eine Traube, eine Menschentraube steht vor der Waage. Ah, jetzt ist die Waage frei, Etiketten auf die Tüten und weiter. Vorbei an Cornflakes, Marmelade und Dosenbohnen zum Einkaufshöhepunkt: DER Weinabteilung.
Was gibt es denn diese Woche zu probieren? Mmmmhh, zwei Sorten Blanc de Noir und Grauburgunder. Der Verkäufer erzählt so eindrücklich vom Wein, dass ich den Tropfen schon auf der Zunge schmecke, bevor ich das Glas erhebe. Dieser hier soll eine frische Note mit Anklängen von reifen Früchten und Rosenblättern haben. Der andere schmecke nach Apfel, Stachelbeere und passe gut zu würzigem Essen. Jetzt hält mich nix mehr. Ich probiere und was soll ich sagen …
Der Vergleich zwischen einer gut sortierten Weinabteilung und einer Bücherei drängt sich mir wieder einmal auf. In einer Buchhandlung gibt es auch viele Verführungen zu bestehen. Ich lasse mich von meiner Tageslaune, der Farbe (ich greife eher zu hellen Büchern) und den schönen Worten des Klappentextes verführen und so kommt es, wie es kommen muss. Ich kaufe etwas Helles. Dieses Mal ein Buch, das ein bestimmtes Thema plausibel und sprachlich verständlich darstellt, genau – ein Sachbuch.
Eine kurze Geschichte der Menschheit (Yuval Noah Harari)
Ich bin gespannt, ob man in 528 Seiten eine solch lange Zeit sinnvoll zusammenpressen kann. Man kann. Harari kann!
Selbstverständlich fängt alles mit den Tieren an. Wir stammen von diesen ab und führen uns auch oft so auf. Provozierend und zum Nachdenken anregend sind die Seiten gefüllt mit Text, der mich oft innehalten lässt um länger über das Gelesene nachzudenken.
Handfeste Informationen, z.B. zur Evolution des Homo Sapiens, der industriellen Revolution, zum weltweiten Wirtschaftswachstum, kommen nicht zu kurz.
Unser Gehirn, Dreh-und Angelpunkt. Wie konnte sich das Organ zu der jetzigen Größe entwickeln? Im Buch wird die Brücke geschlagen zwischen der Entdeckung des Feuers zum Kochen, der Verkürzung der Därme und Entwicklung der Gehirne. Und wieso ist der Homo Sapiens so erfolgreich gewesen in seiner Ausdehnung? Der Drang zur Friedensliebe ist es bestimmt nicht gewesen. Harari schreibt hier von der “ersten, gründlichsten ethnischen Säuberung der Geschichte”. Wie schon erwähnt, sehr provokant!
Sein Buch ist außerordentlich vielfältig in seinen aufgegriffenen Themen. Neben der Entwicklung der Sprache und dem Sozialverhalten, kommt er auch zu den Regeln, die sich Menschen gegeben haben. Wir leben in (Zitat):”erfundenen Ordnungen”, wir glauben an “erfundene Götter”, wir vertrauen dem “erfundenen Geld”. Zitat: “Geld ist keine materielle, sondern hochgradig spirituelle Angelegenheit”.
Nee, was für ein Satz!
Zu Religion und in diesem Zusammenhang auch Ideologie hat Harari auch etwas zu schreiben. Zur Ideologie des Konsumismus folgenden Satz: (Zitat): “Allein in den Vereinigten Staaten geben die Menschen jedes Jahr mehr Geld für Diäten aus als nötig wäre, um die Hungernden der Welt zu ernähren”. Natürlich ist ein aus dem Sachverhalt herausgerissener Satz kein Indiz für die Lesenswürdigkeit eines Buches. Aber eines ist sicher. Mich hat der Satz innehalten lassen …
Wie entwickelte sich die moderne Wissenschaft? Was hat diese mit Imperialismus und Kapitalismus zu tun? Was ist das Gilgamesch-Projekt und wie wird sich die Menschheit verändern? Harari greift noch viele andere Themen auf und vertieft diese gekonnt.
Der feine Sprachwitz, die Abfolge der Themen. Alles passt für mich so gut zusammen. Dieses Buch ist nicht beliebig. Es schwimmt nicht auf der dunklen Masse von unzählig beschriebenen Seiten. Ein klares “must have and must read”. Dieses Buch ist wie ein guter Wein, die Beschreibung passt genau und die Geschmacks-und Aromastoffe halten lange nach. Also – dieses Buch ist nicht für den SuB (Stapel ungelesener Bücher), es muss! auf den SgB (Stapel gelesener Bücher) …
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