Der Bücherdrache (Walter Moers)

*Rezensionsexemplar*

Sonntag, 21.04.2019

Meine letzte Begegnung mit einem Drachen, mit Balerion, Stecken und Stab von Aegon I., einem Geschöpf aus der Feder von George R.R. Martin in “Feuer und Blut” war irgendwie schon auch unerfreulich gewesen. Hatte er doch gerade eine ganze Festung mit Mann und Maus eingeäschert, die Burgtürme geschmolzen, die als rote Tränen am Berghang endeten. Faszinierende Wesen sind das wohl, schön und grausam gleichermaßen.

In dieser Geschichte hier,  kann man zur Abwechslung mal ein ganz ein anderes Wesen dieser Gattung kennen lernen. Das ist doch wie gemacht für mich Bücherwurm!

Das Wissen all jener Bücher in denen es sich gewälzt hat, hatte es aufgesogen. Als Orakel zog man es einst zu Rate. Sein Schuppenpanzer war über und über mit kostbaren Büchern verwachsen. Und der Legende nach lebte es in den Katakomben der Bücherstadt Buchhaim. In Zamonien, wo ich bis dato noch nie wahr.

Ein wenig bang ist mir schon gewesen, beim Abstieg hinab in die Lederne Grotte, ein bisschen muffig roch es hier auch und es ist ganz schön finster. Aber unerschrocken tastete ich mich immer weiter voran:

Der Bücherdrache (Walter Moers) alias Hildegunst von Mythenmetz

“Alles was wir sehen und schauen ist nur ein Traum in einem Traum”. (Textzitat)

Mit einer einzigen Frage fing alles an. Mit einer Frage für den Bücherdrachen. Die sollten sie sich ausdenken, die Schüler der Schulkasse um den Buchling Hildegunst Zwei.  

Und zu allererst, dass müssen wir gleich einmal klar stellen: Den Bücherdrachen gibt es wirklich.

Die sechs flüstern ihm ein, locken ihn mit der Mitgliedschaft in ihrem Geheimbund. Wie ein Schatten sein, allgegenwärtig und doch unbemerkt, nur zu gern wollte Hildegunst Zwei dazugehören, auch ein Ormling sein! Wenn er dafür eine Prüfung bestehen musste, na dann …

Immer am Bernsteinbach entlang, dann hinter den Smaragdbäumen links und über die sich anschließende Granittreppe in die Tiefe. Diese Wegbeschreibung zum Ormsumpf klang doch gar nicht so kompliziert. Man durfte sich nur nicht im Kristallglas verirren, das konnte einen so übel schneiden …

Was für eine Aufnahmeprüfung! Du meine Güte! In diesem Sumpf geht es wahrhaftig unheimlich zu! Wir waten an der Seite von Hildegunst Zwei durch ein Sumpfmeer von Büchern, das so gut auch nicht riecht. Wollen das Wesen, das sich entschieden hat hier zu hausen, je länger wir laufen, doch nicht mehr treffen. Mythos hin oder her, Orakel rauf oder runter. Mission und Ritual gut und schön, man wird es sich doch wohl auch nochmal anders überlegen dürfen? Oder? Zu spät …

Der Boden unter uns wird immer weicher, das müssen Treibsandbücher sein! Vorbei an Bäumen voll mit erhängten Büchern, vermodernden Regalen ganzer Bibliotheken. Das Wasser fluoresziert grün und Insekten hat es hier, die man sonst noch nie gesehen hat und denen ich auch nicht so wirklich begegnen wollte. Fische mit Beinen und Schlangen ohne und allerlei anderes unglaubliches Getier.

Von ausgeschütteten Herzen, Schuppensuppe und großem Mut. Von Schatzsuchern, Bücherfieber und von Plündern. Und über allem schwebt das Orm, ein umfassendes, mächtiges Wissen, von ihm wird man beseelt. Wahre Räusche kann es verursachen, die einen in die Lage versetzen, ganze Romanzyklen zu schreiben. Davon hätte ich ja auch gerne ein paar Tropfen!

Sprechende, singende Schatten. Und während wir noch überlegen, wie viele Beine dieses Ungetüm hat und wie groß es wirklich ist, beginnt es auch schon zu philosophieren und plaudert mit uns über seine wilde Jugend, gut, ein paar Jungfrauen hatte er schon auch verkostet, Angst und Schrecken verbereiten war ja schließlich auch sein Job als Drache. Nicht?

In der Folge aber lauerte man ihm auf, beschoss ihn, mit allem was zu Gebote stand, wohl wissend, dass junge Drachenhäute noch verwundbar waren. So war er schließlich unter der Erde gelandet, wer konnte ihm das auch verdenken? Das sich seine so geplante Auszeit bis zum heutigen Tage verlängert hatte, irgendwie schleichend war sie zu einem Daueraufenthalt geworden. Hier unter dem Midgardgebirge, in der Untenwelt war es ja auch keineswegs öde. Wasserfälle, Seen und Kristallwälder, alte Minen besichtigte er auf seinen Wanderungen, bis er dann im Ormsumpf irgendwie stecken blieb und bis auf, ja bis auf die Einsamkeit, war das im Grunde auch eine attraktive Sache.

“Jawohl, mein kleiner Freund: Es gibt ein Zwischenreich zwischen Schönheit und Schmerz, welches man Melancholie nennt”. (Textzitat)

Aus berufenem Munde erfahren wir von Drachenkarrieren, Dichtern, Denkern und zamonischen Wissenschaftlern, denn der Buchling Hildegunst Zwei memoriert das Gesamtwerk von Hildegunst von Mythenmetz, deshalb trägt er sogar seinen Namen und wir können ihn also fraglos als Experten betrachten. Ich bin wirklich froh, dass er es war, der mich bei meiner ersten zamonischen Reise an die Hand genommen hat. So konnte ich mich auch bei unserer Begegnung mit dem Bücherdrachen etwas im Hintergrund halten und man hörte hoffentlich nicht, wie mir die Zähne klapperten. 

Von gestohlenen Drachenschuppen und Befreiungsaktionen. Zwischen Schlammblasen werden gute Fragen gestellt, eigentlich die besten, die selbst das Orakel zögern lassen, die geheimsten Wünsche offen gelegt. Von Momenten der äußersten Entschlossenheit. Von Bücherjägern, leuchtenden Nebeln und Schwärmen von Irrlichtern. Ein wilder Ritt, ein lebensgefährliches Abenteuer, überbordend, ideenreich und fantasievoll erzählt, leidenschaftlich und lebendig vorgetragen von

Andreas Fröhlich, mit dem Deutschen Hörbuchpreis wurde er erstmal 2010 ausgezeichnet, 2018 dann erneut als Bester Interpret, ebenfalls für einen Moers Titel. Neben diesen erfolgreichen Interpretationen leiht er auch als Synchronsprecher u.a. John Cusack und Edward Norton seine Stimme. Er zischt und faucht er als Drache Nataviel, das es eine Freude ist, in dieser Geschichte, die wie gemacht ist, um vorgelesen zu werden.

Ich habe mich ja bewusst für das Hören entschieden und war dann aber schon ein bisschen traurig, weil alle immer so von den Illustrationen schwärmen, die Moers seinen Büchern schenkt. Als das Hörbuch dann bei mir eintraf war ich baff, auch hier gibt es in einem Booklet begleitend seine großartigen Zeichnungen. Man muss also nicht verzichten. Im Gegenteil, die CDs sind in einem schicken Kartonkästchen, welches rundum in das Cover gekleidet ist verpackt. Ein kleiner Schatz ist das geworden, schaut mal, eine Kostprobe habe ich zusammengebastelt:

Bildquelle und Rechte Der Hörverlag, Copyright 2019 Penguin Verlag in der Verlagsgruppe Random House.

Walter Moers, Autor und Schöpfer des Lindwurms Hildegunst von Mythenmetz, den er seine zamonischen Abenteuer schreiben läßt, hat sich in die Herzen seiner Fans mit Tinte eingeschrieben und jetzt auch in meins. Eine wirklich coole Geschichte ist sein Bücherdrache geworden! Kurzweilig, spannend und sehr unterhaltsam. Einen so humorvollen Grundton bin ich in der Fantasy gar nicht gewohnt.

Ein bisschen hatte ich mir ja Sorgen gemacht, dass es mir zu skurril werden könnte, so lange schon war ich um die Geschichten von Moers, pardon von Mythenmetz, herumgeschlichen. Unentschlossen, unsicher mit welcher ich den Anfang machen sollte. Gefunden habe ich jetzt mit seinem “Bücherdrachen” ein Märchen, eines an das man gern glauben möchte, eine Welt in die man nur zu gerne einen Kopf hineinstecken, sie entdecken möchte mit all ihren Schätzen und Wundern und all diesen Büchern, den Buchkundigen. Mit den Spezialisten unter den Buchlingen würde ich ja so wahnsinnig gerne mal fachsimpeln.

Ich werde mich also, nach diesem meinem ersten Ausflug nach Zamonien, der mir wirklich gefallen hat, da noch mal etwas genauer umschauen. Vielleicht dann auch wieder hörend, die ersten Hörbücher der Reihe hat Dirk Bach zu seinen Lebzeiten noch eingelesen. Ihn kann ich mir, neben Fröhlich, in Kombination mit Moers ebenfalls sehr gut vorstellen …

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