Samstag, 13.05.2017
Ja, diesmal habe ich es getan. Während ich wie jedes Jahr auf der Lauer liege und unseren Apfelbaum auf Blütenansätze absuche, habe ich ihm gedroht. Gedroht er komme auf den Kompost, wenn er in dieser Saison nicht wenigstens einen Apfel trage. Im letzten Jahr haben wir unseren Cox-Orange an den Krebs verloren. Unermüdlich trug er bis zuletzt schwer an der Last seiner reifen Früchte. Eigentlich als Nachfolger gedacht, die Krankheit meines Lieblings-Apfels zeichnete sich da schon ab, pflanzten wir einen James-Grieve. Diesmal ein Halbstamm, die Krone schon schön erkennbar, streckte er gut gelaunt seine Äste über mein Frauenmantel-Beet. Alles gut und schön, bis auf die Äpfel, die fehlen bislang. Gießen, düngen, schneiden, gutes Zureden – alles half nicht. Da habe ich mich jetzt auf’s Drohen verlegt – ich würde mal sagen, Fortsetzung folgt, im Herbst wissen wir mehr 😉. In einem meiner Lieblingsbücher der letzten Jahre spielen Obst-Bäume auch eine große Rolle, hier sind es die Kirsch-Bäume.
Altes Land (Dörte Hansen)
Es ist Frühling im alten Land. Ida Eckhoff, Obstbäuerin, hat 1945 kein Verständnis für das was da passiert. Aus Ostpreußen kommen immer mehr von ihnen, immer mehr Flüchtlinge. “Polacken” schimpft sie sie wütend. Als auf ihrem Hof Hildegard von Kamcke mit ihrer kleinen Tochter Vera einquartiert wird, bringt sie sie in der Knechtekammer unter. Auf gar keinen Fall dürfen die beiden auf ihrer weißen Hochzeitsbank sitzen, Verbote gibt es fortan reichlich. Verbote, die Hildegard von Kamcke kalt lassen, dass muß sie, stammt sie doch aus gutem Hause, sich nicht geben. Sie zieht weiter, allerdings ohne ihre Tochter Vera. Die läßt sie zurück bei der Eckhoff, zurück in diesem großen, kalten Haus …
Hinni Lürs ist schon ziemlich lange der Nachbar von Vera Eckhoff und er ist ein Freund, obwohl beide unterschiedlicher nicht sein könnten. Die raubeinige Zahnärztin, die Haus und Hof so gar nicht in Ordnung hält und der fast pedantische “Unkrautvernichter” Heinrich paßen im Grunde nicht zusammen. Und doch verbringen beide ganze Nächte beim Kartenspiel in Veras Küche, stehen einander bei, wenn es darauf ankommt. Auch als vor Veras Tür dann zwei “Flüchtlinge” stranden. Ihre Nichte Anne mit ihrem kleinen Sohn. Annes Mann hat sich gerade eine andere gesucht, ihren gemeinsamen Sohn kann er dabei nicht brauchen. Ja, und Flötenlehrerin, das ist auch nicht gerade Annes Traumberuf. Es scheint Zeit für einen Neuanfang, aber ausgerechnet bei der “Einsiedlerin” Vera?
Das alte Haus von Vera Eckhoff hat eine Renovierung bitter nötig. Mit Malern ist es hier längst nicht mehr getan, stellt Anne fest. Fenster, Türen, Dach alles marod, warum nur wurde hier solange nichts getan? Am fehlenden Geld kann es doch nicht liegen? Anne hat eher wenig Verständnis für die strikte Verweigerungshaltung ihrer Tante. Die behauptet steif und fest, nicht sie, das Haus sei dagegen und sie übernehme keine Garantie für das was geschieht, wenn hier einer Hand an legt …
Dörte Hansen hat mit “Altes Land” ihren ersten Roman veröffentlicht. Sie arbeitet als Autorin für den Hörfunk und hat einige Jahre für den NDR als Redakteurin gearbeitet. Das “Alte Land” wurde zum Überraschungserfolg in der gebundenen Ausgabe und stürmte die Bestseller-Liste bis auf Platz 1. Ich war da erstmal skeptisch, finde ich mich mit meinem Lesegeschmack bei vielen Titeln mit Spitzenplatzierungen dann doch am Ende nicht wieder. Hier war das anders, diese Geschichte ist auch für mich ein Volltreffer. Pointiert, der Humor nordisch trocken, die Figuren authentisch, griffig und liebenswert.
Als Hörbuch (leider gekürzt) vorgelesen von der großartigen Hannelore Hoger. Ihr Plattdeutsch ist unglaublich, es fließt so selbstverständlich ein, dass es eine Freude ist. Für mich ist hier die Symbiose zwischen Sprecher und Geschichte vollkommen. Mal knarzt ihre Stimme fast wie die Dielen in dem alten Haus, das ein Eigenleben zu haben scheint. Mal ist sie gefühlvoll bei den beiden Frauen oder bei Idas kriegsversehrtem Sohn. Mein Opa mütterlicherseits wurde nach dem Krieg aus Ostpreußen vertrieben. Wie oft hat er von seiner Marienburg erzählt. Es schien mir, als sei die verlorene Heimat für ihn wie eine offene Wunde, die nicht heilen will … Diese Geschichte hier hat mir das Schicksal der Vertriebenen wieder ins Gedächtnis gerufen. Auch die Freundschaft im Buch zwischen den Nachbarn Hinni Lürs und Vera Eckhoff hat mir besonders gefallen, zeigt sie doch, dass es auch erlaubt ist sich mal zu reiben, ohne sich gleich aufzugeben …
Kürzlich erst als Taschenbuch erschienen, bin ich mir sicher, wird das “Alte Land” seinen Siegeszug weiter fortsetzen und noch mehr Fans gewinnen! Ich gehöre immer noch dazu, uneingeschränkte Lese- und Hörempfehlung!
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