Samstag, 22.07.2017
Körperlich und geistig fit im Alter ankommen, finanziell sorgenfrei. Vielleicht eine große Reise wagen? Endlich Zeit haben für die geschmiedeten Pläne. Gemeinsame Zeit mit dem Partner verbringen, geteiltes Glück ist doppeltes Glück.
Für viele sieht die Realität dann anders aus. Der Partner verstirbt auf der Zielgeraden, Krankheit und/oder eine zu kleine Rente stehen dem gemeinsamen Lebensabend im Weg. Welche der Varianten auch immer auf uns wartet, sie will gemeistert werden …
Henri Delorme, angesehener Notar und Perfektionist ist tot. Sein Leben hatte er klar durch strukturiert und das seiner Frau Maguerite gleich mit. Schon zu Beginn der Ehe war er es, der klar stellte er möchte gerne beim “Sie” bleiben und seine Frau möge bitte ausschließlich Kleider und ihre Haare in einem Knoten tragen. Maguerite fügte sich, dankbar für die “gute Partie” und sie kannte ja auch von den Eltern nichts anderes.
Fünfzehntausend Mal war sie neben ihrem Mann aufgewacht und doch war sie ihm nie wirklich nah gekommen. Wie gerne hatte sie ihn beim wöchentlichen Wannenbad und angelehnter Tür beim Singen belauscht! Nie gab er sonst eine solche Gefühlsregung von sich. Als sie sich ein Herz gefaßt und ihm gestanden hatte, wie schön sie das findet, schließt er fortan die Badezimmertür ab.
Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Frederic, hatte Maguerite dann endlich eine Aufgabe. Als der Junge sechs Jahre alt wurde, gab ihn Henri Delorme ins Internat und Maguerite war in der Zweisamkeit wieder allein. Die Wochenendbesuche zu Hause gestaltete dann auch ausschließlich Henri für seinen Sohn und Maguerite wurde in ihrem eigenen Leben wieder Zuschauer.
Jetzt war sie achtundsiebzig und konnte nicht einmal alleine eine Glühbirne wechseln. Das ausgerechnet ihr Frederic genauso stocksteif und verbohrt geworden war wie ihr verstorbener Mann, war dabei nicht gerade hilfreich. Und was nutzte es, wenn ihr die Fernbedienung jetzt allein gehörte, sie aber nicht mit den vielen Knöpfen umgehen konnte?
Nachdem ihm das Meer seine Nora ertränkt hatte, konnte Marcel lange nicht mehr an eben solches reisen. Die Strandtasche mit all ihren Kleinigkeiten hatte er aufbewahrt, alles andere hatte seine Tochter aussortiert, weggeben. Fünfzig Ehejahre, ohne die Zeit, die er mit ihr, seiner Jugendliebe, schon in Algerien verbracht hatte – mit einem Schlag zu Ende. Er konnte sich nicht einmal verabschieden, war nicht dabei als der Herzinfarkt sie beim Schwimmen holte. Dieses elende Scrabble-Tunier!
Der einzige mit dem er über seine Trauer reden konnte war Hector. Schon während seiner aktiven Zeit als Tierpfleger war ihm dieses Nashorn ans Herz gewachsen. Auf der Bank vor Hectors Gehege hatte er jetzt, elf Monate lang nach Noras Tod viel Zeit verbracht. Ja gut, seine Tochter meinte es gut ihm. Sie wollte ihn zu einer Thalasso-Kur verschicken. Man stelle sich das vor! Als wenn Thalasso nichts mit Meer zu tun hätte. Unter Protest nahm er den Kur-Gutschein dann doch, tauschte ihn aber um – gegen eine Schlamm-Kur in den französichen Alpen. Nicht ahnend, das dieser Tausch seinem Leben eine entscheidende Wendung bringen würde …
Karine Lambert hat uns ein kleines, feines Buch mit viel Herz geschenkt. Augenzwinkernd beleuchtet sie den letzten Lebensabschnitt der beiden “Oldies” Maguy und Marcel. Sie aus gutem Haus, er ein einfacher Arbeiter, getreu dem Motto Gegensätze ziehen sich an. Madame Lambert wurde für ihren Debütroman 2014 in Belgien ausgezeichnet und er wurde in Frankreich schnelle zum Bestseller. Mit “Und jetzt lass uns tanzen” erscheint ihr zweiter Roman erstmals auch in Deutsch, man liest ihn weg wie nix und er wärmt wie ein guter Burgunder! Santé! Auf einen schönen Sommer!
Mein Dank geht an den Verlag für dieses Rezensions-Exemplar.
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