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Sonntag, 12.02.2017
Was meinen wir eigentlich damit, wenn wir von Geistern sprechen? Per Begriffsdefinition wäre das ein Wesen, das wir uns als übernatürlich vorstellen und das nicht an einen Körper oder eine materielle Form gebunden ist. Wir sagen auch schon mal “von allen guten Geistern verlassen sein” und meinen damit, etwas unvernünftiges, unüberlegtes zu tun. Dann benutzen wir den Begriff Geister für Spukgestalten, denken dabei an alte Gemäuer und er schaudern …
Geister (Nathan Hill)
“Er wollte sein Leben klären. Die Gegenwart nicht mehr durch seine Wünsche verfärben. Wollte gesehen werden wie er wirklich ist.”
Samuel ist Literaturprofessor und leidenschaftlicher Gamer. Das paßt nicht zusammen? Schaut man hinter die Fassade könnte ihn nichts treffender beschreiben. Er war 11 Jahre alt, als seine Mutter ihn und den Vater verließ. Sang- und klanglos, ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen. Sein Vater, der Tiefkühlkostvertreter, versteht dies bis heute nicht, und auch Samuel fühlt eine Leere bis ins Erwachsenenalter, und dafür ist nur einer verantwortlich – seine Mutter.
Dann der Anruf einer Anwaltskanzlei. Samuel soll für seine Mutter bürgen? Ausgerechnet er? Er soll ihre Integrität bezeugen? Sie wurde verhaftet und zwar nach einem tätlichen Angriff auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten? Unglaublich, seit mehr als zwanzig Jahren hat er sie nicht gesehen. Er kennt sie überhaupt nicht! Loslassen will ihn der Anruf dann aber auch nicht, so gerne würde er endlich für sich klären wollen, warum seine Mutter ihn damals verlassen und sich nicht mehr gemeldet hat …
Die Schatten, die Geister, der Vergangenheit strecken ihre Finger nach Samuel aus und auch nach Faye, seiner Mutter. Nach Frank Ihrem Vater. Frank der Einwanderer aus Norwegen kennt auch andere Geister, nämlich die echten, die aus seiner Heimat. Die einem folgen, unversöhnlich sind und strafen, die man nur loswerden kann indem man sie wieder nach Hause bringt …
Nathan Hill unterrichtet wie seine Figur Samuel englische Literatur. Geister ist sein erster Roman mit 864 Seiten oder knapp 24 Stunden Hörzeit. Irgendwo habe ich gelesen, er hat sieben Jahre daran gearbeitet. Nachdem ich heute mit dem Hörbuch fertig geworden bin, kann ich das unbesehen glauben, denn Hill erzählt nicht nur eine Mutter-Sohn Geschichte, er erzählt viele Geschichten. Wie er die einzelnen Erzählstränge verbindet, fleißg und akribisch, dabei Satzgebilde schafft die einen stocken lassen ist meisterhaft. Seine Figuren sind glaubwürdig, der Plot ungewöhnlich aufgebaut, ahnt man bis ins letzte Drittel nicht, wie sich dieses Gebilde auflösen kann. Fast leise verabschiedet sich die Geschichte dann und ich vermisse sie jetzt schon …
Erst habe ich gezögert mir “Geister” als Hörbuch zu gönnen, als ich dann den Namen des Sprechers gesehen habe, mußte ich es hören: Uve Teschner. Zuletzt hat er mich mit “Wedora” von Markus Heitz infiziert, an jeder Silbe von ihm habe ich geklebt. Wollte jetzt unbedingt erleben, wie ein Sprecher nach so vielen eingelesenen Fantasygeschichten mit so einem Stoff umgeht. Ich fand ihn unglaublich! Schachtelsätze werden durch seine Interpunktion zu Gedichten und mal ehrlich, die Passagen über die nordischen Geister konnte wirklich nur und nur von ihm gelesen werden! Danke dafür!
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