Flusslinien (Katharina Hagena)

Eigentlich schreibe ich nicht über ein Buch das ich abbreche. Eigentlich. Weil ich das im Grunde auch selten tue. Einen Roman zur Seite legen, oder querlesen. Was ich angefangen habe bringe ich zu Ende. So ticke ich. Oft habe ich dann sogar Überraschungen erlebt, hat ein Text mich doch noch versöhnt. Aber diesmal nicht und ich denke, das Leben ist zu kurz für Geschichten, die einen nicht abholen. Relativ zügig war es mir schon egal bei dieser hier, wie die Sache ausgeht.

Weil ich mich gefühlt habe wie mitten in einem Konfettiregen. So viele Details und Themen sind da auf mich eingeprasselt. Es geht um zweite Ehen, Selbstverwirklichung, Schulabbruch kurz vor dem Abi, weil man hat den Traum Tattoo Artist zu werden und ja, da war so einiges nicht nachvollziehbar für mich. Wirkte konstruiert, auch wenn von Narben der Vergangenheit die Rede ist.

Katharina Hagena, geboren am 20.November 1967, deutsche Schriftstellering und Literaturwissenschaftlerin legt nach Der Geschmack von Apfelkernen aus dem Jahr 2008 mit diesem Titel nach. Ihre Apfelkerne waren ihr ersten Roman und hatten die Bestsellerlisten erobert, wurden 2013 verfilmt und ich habe ihn weder gelesen noch, die Verfilmung gesehen. Mea culpa und Zeit das zu ändern, dachte, als dieser Roman aus dem Hause Kiepenheuer & Witsch als Überraschung in meinem Postkasten landete. Merci dafür. Hatte ich ihn auf dem Schirm? Eher nicht. Beim in die Hand nehmen dachte ich, was für ein schöner Einband. Stimmungsvoll, einladend und nahm ihn mir vor. Worum geht es in Flusslinien? Um ein Leben an der Elbe. Das auch. Um ein langes Leben.

Es geht um den Tod, davon wie es ist in einem biblischen Alter angekommen, quasi täglich an das Sterbenmüssen erinnert zu werden. Einhundertundzwei ist Margrit und sie erzählt im Roman davon, wie es ist in einer Seniorenresidenz zu leben. Von täglichen Ausflügen in einen Garten, der noch eine Rolle spielen wird. Arthur ist dabei ihr Fahrer, der erzählt auch und Luzie, ihre Enkelin, die auch. Die Geschichte ist zeitlich verdichtet auf zwölf Tage zu Beginn eines Sommers, hüpft aber sich erinnernd im Wechsel in die Vergangenheit dieser drei Personen hin und wieder zurück.

Margrit, Mutter, Großmutter und ehemalige Stimmtherapeutin, die immer noch ein paar Tricks auf Lager hat und weiß wie man atmet, ist die zentrale Figur in Hagenas Geschichte, sie blickt zurück. Weil nach vorne bedeutet, da kommt wenig bis nichts mehr. Sie erlebt erste Küsse noch einmal, den Krieg und die Zeit danach, Gewinne und Verluste, denkt an die Ex-Schwiegertochter die heute Brisko heißt, als Künstlerin und Hippie-Dichterin einen Wasserturm saniert um dort zu leben. Denkt an ihren Sohn der jetzt in Down Under lebt. Mit neuer Frau und neuen Kindern. An ihre Enkelin Luzie, die erst beim Vater leben und studieren wollte im Ausland. Dort vergewaltigt und wurde und wieder nach Deutschland geflohen ist. Geblieben ist ihr eine Dauerwut und eine Therapie.

Willkommen bei geriatrischen Betrachtungen, einem Leben in Beige, mit Hörgeräten, Arthrose und stark verminderter Sehkraft. Es wird gelacht über Witze, die nicht zum Lachen sind und Rollator wird falsch ausgesprochen. Aber mit System. Von Arthur. Was charmant wirken könnte, wenn es denn nicht noch zig andere ähnlich humorig heimelige Einwürfe geben würde, dat war mir einfach zuviel des Guten Leut.

Apropos zuviel. Mit dieser Wut von Luzie auf schier alles und die der Oma die Pergamenthaut tätowieren will?! (warum?) kam ich nicht klar. Wie sie über “Pussys” philosophiert, respektive räsoniert, ihr wisst schon, da kommt Menstruationsblut raus, also da mochte ich dem, was sie mir zu sagen hat nicht mehr folgen. Auch nicht an der Oma dran bleiben, wenn es um ihre Mutter geht, um Gartenkunst und eine jüdischen Geliebte der Ur-Oma Johanne, die geheiratet hatte weil sie musste und um einen toten Bruder (den von Arthur), einen abgemurksten Maulwurf. Der wird irgendwie auch betrauert.

Es ist gefühlt dauernd Krötenwanderung und Arthur bei der NABU, sorgt sich um die Bestände des Schierlingswasserfenchels, der am Elbufer mehr und mehr verschwindet.

Es eilt nicht, nichts eilt mehr, aber es ist dringend. Aha. Die Dinge zu Ende fühlen, zu Ende zu erinnern, das will Margrit und deshalb ist sie seit zehn Jahren in dieser Seniorenresidenz wohnhaft. Weil ihre Mutter sich nach unglücklicher Ehe und dem frühen Tod Unfalltod des Vaters in eine lachende Frau in den Bohnen verliebt hatte und die wiederum hatte hier an der Elbe einen römischen Garten entworfen. In dem sitzt Margrit jetzt jeden Tag. Verstehe.

Entstehende Längen muss man immer mögen. Das gilt auch für den Ton einer Geschichte, der in diesem Fall an die jeweils erzählende Figur angepasst wurde, mir aber schlicht nicht gefallen hat. Ein Hauch zu bemüht und irgendwie künstlich fand ich ihn und hab ich schon erwähnt, dass Omas Fahrer Arthur eine Fantasiesprache erfindet die, ich weiß nicht mehr genau, über hundert Begriffe für Stille kennt, das er Tolkien für dessen Sprache im Herrn der Ringe verehrt, damit hätte sie mich fast schon kriegen können, die Autorin, mit dem Thema Sprache, aber Konzerte im Seniorenheim ohne Ton und Instrumente? Okay, da hab ich dann erneut vorgeblättert, lande bei Tag zwölf.
Wolken ziehen über den Fluss, das Wasser steigt.

Leider wurde es am Ende nicht besser. Gut, schlimmer geht immer, aber nein, bitte, kein in die Armesinken zum Finale … Ich bin dann mal raus. Wem der Zuckerguss auf dieser Geschichte nicht zu klebrig ist, der wird sie mögen können, keine Frage. für ich passte es nicht.

Eine Hörbuchfassung gibt es, die will ich noch erwähren, sie wird vielstimmig gelesen und ist gut gemacht. Nachdem das Lesen nicht gegriffen hat, habe ich zum Hörbuch gewechselt. Der Chor der Vorlesenden besteht aus Ruth Reinicke, Chantal Busse, Jesse Grimm und Julia Nachtmann aber auch dies Profis konnten für mich das Blatt nicht wenden. So ist das. Manchmal.

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