Die rätselhaften Honjin-Morde (Seishi Yokomizo)

This is a Locked-Room-Murder-Mystery. Ein Mord, geschehen in einem von innen verschlossenen Raum, will enträtselt werden. Der oder die Täter konnten besagtes Zimmer weder betreten noch verlassen haben. Das ist so perfide wie brutal und wir wissen, dass das im Grunde auch nicht geht. In der Kriminalliteratur versuchen sich Autor:innen immer wieder und mit den unterschiedlichsten Lösungsansätzen an solchen Fällen. Wenn es gut gelingt, darf man als Lesender von Anfang an miträtseln. So auch hier. Wo zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, ein Brautpaar, erstochen aufgefunden werden. Die Mordwaffe liegt im Schnee. Keinerlei Spuren führen zu ihr hin oder von ihr fort. Ein Schrei und der Klang eines ganz bestimmten Instrumentes, der einer Koto, einer mit dreizehn Saiten bespannten Wellbrettzitter, ca. 1,80m lang, in Japan hat sie ihren Ursprung in der höfischen Musik, wecken einer geisterhaften Klangerscheinung gleich, die Angehörigen in der Mordnacht und in der Folge wird der Klang einer Koto noch öfter zu hören sein. Zumeist Ungemach andeutend …

Die rätselhaften Honjin-Morde von Seihi Yokomizu

Alles beginnt mit einer Eheschließung, die wenig Zustimmung bei der Familie des Bräutigams und noch in der Hochzeitsnacht wie bereits gesagt, ihr Ende findet. Genauer, am 25. November 1937.

Kenzo, ältester Sohn, der Erbe eines Honjin, der Ruf, Ehre und Tradition der Familie Ichiyanagi zu bewahren hat, durfte keine Frau wählen, deren Abstammung in Zweifel zu ziehen war und doch hatte er es getan. Die Hochzeitsvorbereitungen finden in feindseliger Atmosphäre statt, ohne jedoch offen zutage tretenden Streit und als ein Fremder am Vorabend der Hochzeit in Okamura auftaucht und Fragen stellt, über die Ichiyanagis, wird es geheimnisvoll.

Noch dazu weil dieser Mann mehr als auffällig ist, mit nur drei Fingern an einer Hand, einer großen Narbe im Gesicht, das er hinter einer Maske zu verbergen versucht. Als Gast ist er mehr ungebeten und als das Undenkbare geschehen ist, ist man sich sicher: Dieser Mann war nicht nur verdächtig, er musste der Täter sein. Also, zumindest einer hielt das für sicher, Kommissar Tsunjiro Isokawa, leitender Ermittler der Präfektur Okayama. Der allerdings recht bald schon feststeckt. Ihm zur Seite springt dann er:

Kosuke Kindaichi, der kurz nach dem Mord, am 27. November, die Handlungsbühne betritt. Der aus Tokio stammende junge Mann wirkte rein äußerlich wenig vertrauenerweckend und vernachlässigt irgendwie, allerdings sagte man ihm nach, dass es ihm gelungen sei, einen als aussichtslos geltenden Fall quasi im Alleingang aufgeklärt zu haben. Im Roman wird er herbeigerufen, geschlüpft ist er aus seiner Feder:

Seishi Yokomizo, geboren am 24. Mai 1902 in Kobe, Präfektur Hyōgo, verstorben am 28. Dezember 1981. Vier Bände, rund um seinen Detektiv Kindaichi wurden stimmig und modern von Ursula Gräfe ins Deutsche übersetzt. Die ersten beiden hat die Frankfurter Büchergilde illustrieren lassen und wie wunderschön ist bitte diese Buchausgabe? Was für ein Fest, dass ich mich entschieden habe Band zwei nach Erscheinen gleich mitzubestellen. In der Art einer Graphic Novel, nur ohne Sprechblasen, ganz in Schwarz-Weiß gehalten, wurden Bildtafeln in und zwischen den Text gelegt.

Gezeichnet hat sie Ann-Kathrin Peuthen und alleine diese Illustration lässt sich für sich lesen wie ein Kunst-Bilderbuch. Eine für mich ganz neue Erfahrung, noch dazu im Genre Krimi, und ja ich weiß viele von euch lesen gar keine, also Krimis, dabei kann man da mitunter sein literarisches Wunder erleben.

Als Japan- und Fan von Agatha Christie und Patricia Highsmith konnte ich hingegen die Krimis von Yokomizo nicht dauerhaft ignorieren. Auch lasse ich mich ja nur zu gerne an exotische Schauplätze und in eine andere Zeit entführen. Ihr wisst das und wenn sich beides kombinieren lässt, geht vorbeilesen an einer solchen Geschichte nicht.

Sprachlich eher schlicht, bedacht und sehr klassisch, so habe ich Yokomizos Erzählen erlebt und eine Figur kennengelernt, der ihr Erfinder Eigenschaften von Sherlock Holmes zuschreibt ohne allerdings zu kopieren.

Dieser erste Fall seines Ermittlers Kosuke Kindaichi, die Honjin Morde, erschienen bereits im Jahr 1946, gilt bis heute als einer der besten Kriminalromane Japans. In fünfundsiebzig weiteren Romanen ließ Yokomizo seinen Held danach noch als beratender Detektiv auftreten, zahlreiche Film- und Theateradaptionen wurden aus seinen Fällen gestrickt. Eine Bronzestatue im Aussengelände des Historischen Museum von Mabi in Kurashiki/Japan spiegelt ebenfalls die Popularität dieses Romanhelden, der mit einem messerscharfen Verstand und einer ausgeprägten logischen Kombinationsgabe zu verblüffen versteht.

Ein Briefgeständnis, eine Graböffnung und die Yakuza. Orts- und Nachnamen werden einem Polizeibericht ähnlich mit den Anfangsbuchstaben abgekürzt. Spannend spitzt der Autor die Lage zu und entführt uns in ein Honjin, wie man zur Zeit der Shogune und Samurais ein gehobenes Gasthaus nannte.

Nicht nur das lässt sich in dieser Geschichte über Japans Traditionen lernen, was diese Krimi-Reihe mit einer Alleinstellung versieht, Yokomizo hat es auch geschafft seine Geschichte so zu erzählen, das sie wirkt, als sei sie aus der Zeit gefallen.

Standesdünkel, Scham und lodernder Zorn. Ein Briefgeständnis. Ein ausgefeilter Plan. Falsche Fährten. Prächtige Kimonos, eine tote Katze und ein geheimes Kästchen. Ein weiterer Anschlag auf ein Leben, dem der belesene Bruder des Ermordeten zum Opfer fällt. Wieder waren alle Fenster und Türen des Raums, in dem der sich zur Tat befand, von innen verschlossen …

Knifflig ist das und wie das bei Agatha Christie und den Ihren bisweilen ist, diese privaten Spürnasen lassen den zuständigen Kommissar nicht selten ziemlich alt aussehen. Durchaus auf eine augenzwinkernde Art und Weise, diese Hürde überspringt Yokomizo ebenfalls mühelos.

Was mir besonders gefallen hat, ist neben der Szenerie des traditionellen Japans als Handlungsrahmen die Tatsache, dass man mit Kosouke als Lesende stets auf der Höhe der Information ist. Man klaubt mit ihm alle Hinweise auf, die sich finden lassen, blickt nicht durch, braucht seine Deutung um zu verstehen. Andeutungen lassen mich neugierig bleiben. Bis zum Schluss. Das macht einen guten Krimi für mich aus, das und seine Figuren, die Ecken und Kanten haben, ihre Geheimnisse und eine Handlung, die Haken schlägt wie ein Hase. Auch das versteht Seishi Yokomizo meisterlich. Das Blatt zu wenden. Ich für meinen Teil freue mich hiernach auf Band zwei und wenn ihr jetzt neugierig geworden seid, dann hüpft gerne auch mal rüber auf das Instagram -Profil meiner Bücher-Apotheke, dort habe ich ein Filmchen mit Innenansichten dieser Buchperle abgelegt, eine kleine Kostprobe folgt auch gleich an dieser Stelle. Viel Spaß Euch beim Entdecken. So schön, oder?

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