Deine Sonne kommt (Adrian Michael Green)

Schreib über das was Du kennst. Diesen Satz haben sicher nicht wenige Autor:innen im Laufe ihres Schreibens schon gehört. So manche(r) hat es wohl beherzigt, liegt doch autofiktionales und autobiographisches Erzählen voll im Trend.

Lyriker:innen tun noch etwas mehr. Sie finden Worte für unser Empfinden, die uns selbst nie eingefallen wären. Sie sehen uns, lesen in uns, wie in einem offenen Buch, geben unserer Seele Nahrung. Bringen mich zum Staunen, wie nah so mancher Vers mir kommt! Verse wie diese und ich möchte ihn gern einmal im Orignal zitieren. Er ist von Adrian Michael Green:

<soulflower rose.>

a flower never
needs a mirror
to know where
its petals are
or how colorful
it has bloomed.

Adrian Michael Green, internationaler Speaker, Poet und Pädagoge, hat auch geschrieben über das, was er kennt. Über seine Überzeugungen. Sein Engagement für mehr Diversität und Inklusion im amerikanischen Schulsystem. Er lebt und arbeitet in der San Francisco Bay Area. Über das was uns Menschen ausmacht. Über seine Haltung. Die er auf den Punkt bringt und die sich in den Gedichten dieser Sammlung spiegelt wie ein Berg in seinem See. Gedichte, die uns Trost und Mut zusprechen wollen und weiß Gott, wie gut wir das dieser Tage brauchen können.

Die Welt brennt an einer weiteren Lunte, wir schauen auf Israel und fragen uns wo soviel Haß und Gewalt, soviel Menschenverachtung herkommen. Würden die Beteiligten es wie Green halten und jedem Menschen zugestehen, dass er von Natur aus liebenswürdig und gut genug ist, dann wären wir einen entscheidenden Schritt weiter. Dabei ist seine Brille nicht rosarot, er sieht sie sehr wohl, die menschlichen Abgründe, die harten Kanten, die Brüche, die Verschiedenheit, die uns trennt, die uns aber auch alle ausmacht. Schon seine Widmung, die keine persönliche ist, sondern sich an alle gebenden Menschen richtet, hatte mich sofort am Haken. Nimmt man seinen Gedichtband Deine Sonne kommt in die Hand und dreht ihn um, liest man folgendes:

Bleib nah bei Menschen,
die sich nach zu Hause anfühlen.

Diese Aussage steht wie ein Fuß in der Tür zu seinem Schreiben. Er rät uns zu nicht mehr, erwartet nicht weniger von uns, als jemandes Zuhause zu sein. Manchmal ist sein Sound verknappt, dann wieder holt er aus, setzt in der Rolle des Ratgebers einen Punkteplan auf. Modern, klar und zart auch. Seine Sätze gehen tief, Manchmal erinnerten sie mich an Liedtextzeilen, vielleicht ist deshalb sie mit der deutschen Übersetzung beauftragt worden:

Valeska Steiner, geboren 1985, lebt in Zürich, ist Musikerin und Songschreiberin und mehrsprachig aufgewachsen. Sie hat für den Aki Verlag in ihrer ersten Übersetzungsarbeit Greens Gedichte aus dem Englischen übertragen, dabei ging ich mit ihrer Wort- und Entsprechungswahl nicht immer einig. Diese Ausgabe von Deine Sonne kommt ist zweisprachig. Man hat jeweils auf einer Doppelseite links den Vers in Originalsprache und rechts daneben die deutsche Übersetzung. Wann immer es mir durch solche Ausgaben möglich ist, lese ich zuerst den Originalton und dann die Übertragung ins Deutsche. Lausche auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die Schwingungen, die beide Sprachen in mir anschlagen. Klingen die Zwischentöne in beiden Sprachen gleich? Welche ist die klangvollere?

Bei Steiner fiel mir auf, das sie bisweilen Wörter wie Klippen in die Sätze stellt, wo ich bei Green im Englischen eine solche Bruchkante gar nicht wahrgenommen hatte. So übersetzt sie sein “a fool” mit “unklug, wo ich bei “ein Narr” gewesen wäre. Oder sein “broken” mit “kaputtgehen” wo ich eher “gebrochen” gewählt hätte. Der deutsche Vers erhält so manchmal eine Härte, die auf das erste Lesen für mich nicht gepasst hat. Ich blieb daher noch einen Moment bei diesen Gedichten, las sie in beiden Sprachen ein weiteres Mal. Staunte über die Vieldeutigkeit die sich mir auf diese Weise bot, weil ich selbst mit meinem eingerosteten Englisch diesmal in beiden Sprachen lesen konnte, rieb mich gerne an der ein oder anderen deutschen Entsprechung, noch lange nach dem Lesen genieße ich die Wärme die dabei in mir entstanden ist. Verstehe einmal mehr, welch große Verantwortung für einen Text Übersetzer und Übersetzerinnen übernehmen. Welche Macht Worte haben. Können. In jeder Sprache. Wie “lost” wir sind, wenn wir die Sprache verlieren und wie reich, wenn wir über die richtige Wortwahl diskutieren können.

Ungemein stimmig fand ich das in den Buchdeckel eingelassene Bildmotiv und ganz wunderbar, wie es auch der Verlag im Buchinneren erklärt. Der Künster ist Sung Hwa Kim aus Seoul, der in seinen Bildern den Mond einfängt um daran zu erinnern, das man selbst in der dunkelsten Nacht die Hoffnung nicht verlieren soll. Seine Motive greifen Blumen, Schmetterlinge und Glühwürmchen als Zeichen der Flüchtigkeit eines Augenblickes auf, er sagt, so lese ich, sie helfen ihm bescheiden zu bleiben und jeden Moment in vollen Zügen zu leben.

Soviel Hoffnung auf das was gut ist. Gut sein könnte. Verbindet ihn mit Adrian Michael Green und ich finde es ganz famos, wie unfassbar gut seine Haltung zu Greens Gedichten paßt, – erlebt und erlest es selbst. Sie sind aufgeladen mit Hoffnung, Achtsamkeit, Liebe und Verletzlichkeit, Freundlichkeit und Empathie. Sind warm und liebevoll, verschreiben Selbstachtung und Selbstwertgefühl, sind uneitel. Fordern uns auf Geduld zu haben, mit uns, mit anderen, nicht um Anerkennung zu betteln, sondern Wertschätzung und Aufmerksamkeit zu schenken.

Mich hat Green mit diesem mitten ins Herz getroffen und ich lasse auch es ausnahmsweise in Englisch hier, weil sie in seiner Sprache so wunderschön nachklingt:

<beauty has no reason to rush.>

trust your heart
listen when it feels
you'll know what to do
you always do
and if it takes some time
take that time
beauty has no reason to rush.

Startet gut in diesen Herbst, vielleicht so wie ich mit diesen leuchtenden Strophen im Gepäck. Genießt ihre positive Energie, in dieser Zeit des schwindenden Lichtes, in diesen Zeiten der Unruhe. Bleibt im Jetzt und lasst Euch beschenken, Vers um Vers mit silbenweise Glücksmomenten!

Vielen Dank an den Aki und den Schöffling Verlag für dieses Rezensionsexemplar.

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