Euphoria (Lily King)

Donnerstag, 09.02.2017

… dort hin, wo noch niemand war!

Immer wenn es frisch geschneit hat, so wie gestern früh, auf die Gehwegplatten, auf meinen Garten. Stehe ich am Fenster und schaue auf die makellose, unberührte, weiße Fläche und stelle mir vor, die Erste zu sein die einen Fuß darauf setzt. So müssen sich die großen Entdecker gefühlt haben, als es noch Länder und Kontinente zu entdecken gab. Die Landkarte noch nicht fertig geschrieben war. Columbus, Humboldt oder auch Wissenschaftler anderer Felder, oder so wie im Roman …

Euphoria (Lily King)
Wieder Malaria – zerschunden, entkräftet, enttäuscht, so landet Nell Stone an einem Heiligabend Anfang der 1930er Jahre in Papua Neuguinea in einem britischen Club. Das Feldbett mit den frischen, straffen, weißen Laken erscheint ihr nach Monaten im Dschungel wie eine Wolke. Umsonst die Entbehrungen, die Gewalt, der ewige Streit mit Fenwick, der seit knapp zwei Jahren ihr Ehemann und ebenfalls Ethnologe ist. Nichts verwertbares hatten sie bei “ihren” Mumbanyo festhalten können, aufgeben mussten sie vorzeitig – wegen ihres Fiebers. Wieviel härter ist da ihr Mann im Nehmen. Wenn bei ihm die Malaria zurückkommt unternimmt er Kilometer lange Fußmärsche. Jüngst war ihm ein dicker weißer Wurm unter der Haut in seinem Bein gewachsen, ihn hatte er sich selbst mit dem Federmesser raus operiert. Und sie? Obgleich sie bereits ein Buch veröffentlich hat, das in Ihrer Heimat Amerika als “Durchbruch” in der Stammesforschung gefeiert wurde, scheint sie körperlich soviel schwächer als er. Ein akut gebrochener Knöchel, zahlreiche infizierte Wunden – eine Fehlgeburt. Verwundet, aber nicht geschlagen, oder doch? Zeit zur Umkehr, zur Heimkehr?

Der Brite Andrew Bankson hat irgendwie seinen Platz in der Welt noch immer nicht gefunden. Aufgewachsen als Sohn eines herrischen Zoologie Professors, bleibt ihm bei aller Anstrengung der Erfolg als Wissenschaftler versagt. Selbstmord, daran hat er nicht nur gedacht, sondern es schon ausprobiert, selbst das ohne Erfolg. Der Zufall spielt Schicksal, so scheint es, denn Andrew trifft an eben jenem Heiligabend im gleichen Club auf die beiden einstigen Forscher-Rivalen Nell und Fen.

Als es dann beim Essen im Club Restaurant zu einer handfesten Rauferei unter den Gästen kommt, ergreift Bankson die Initiative, sieht seine Chance vom Glanz der berühmten Kollegin partizipieren zu können. Sein Lager ist nicht weit entfernt. Warum kommen die beiden, Fen und Nell, nicht mit zu dem Stamm mit dem er gerade arbeitet? Und wenn das nicht, findet sich flussauf-oder abwärts auch ein eigener Stamm für die beiden. Austauschen könne man sich, regelmäßig treffen, er kann sich doch kümmern um die Verletzungen von Nell. Eine Heimkehr mit leeren Händen ist doch keine Option!

Fenwick, ist schnell Feuer und Flamme, wollte er ja ohnehin noch nicht aufgeben. Nell fühlt sich überrannt, gibt aber dann doch nach, überhastet dann die Flucht vor den Raufern …

Lily King hat sich mit ihrer Romanfigur der Nell Stone an den realen Erlebnissen der Ethnologin Margret Mead orientiert. Von der New York Times wurde ihr “Euphoria” zu den fünf besten literarischen Büchern des Jahres 2014 gewählt. Mich hatte eine Leseunlust gepackt, als mir eine liebe Bücher-Freundin (DANKE! Monika) Lily King empfahl. Das ich mir ihren Roman über die Dreiecksbeziehung von Nell, Fen und Andrew ausgesucht habe, war ein Volltreffer. Bildgewaltig, berührend und mit langem Nachhall, läßt sich das Leseerlebnis dieses Romans am besten beschreiben. Ich würde jederzeit wieder in den Einbaum steigen und mit Nell losrudern!

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