Die großen Reden der Weltgeschichte (Martin Kaufhold)

Donnerstag, 21.03.2019

Wir haben viel diskutiert mein Mann und ich, während ich wie im Rausch parallel drei Romane gelesen und gehört habe. Über Recht und Unrecht, über Alltagsrassismus, der mich mit all seinen Facetten, aus nahezu jeder Silbe dieser Geschichten angegrinst hatte. Und über ihn, über Martin Luther King, haben wir auch gesprochen.

“I have a dream.” Mit diesen Worten berührte der Bürgerrechtler King am 28. August 1963 vor dem Washington Memorial 250.000 Menschen und die Welt. Kaum eine Rede wurde so berühmt wie diese.  Ich selbst war “minus” vier Jahre alt, als er sie ausgesprochen hat, ohne jede Polemik, ohne den sprichwörtlichen Ruf zu den Waffen, beeindruckt war er von Gandhis gewaltlosem Widerstand und in dessen Geist blieb er unterwegs. Wie viele Attentate auf sein Leben er dafür erdulden musste, so wie Lincoln vor ihm und John F. Kennedy nach ihm …

In einem unserer Gespräche hat Andreas mir dieses Sachbuch empfohlen, dass er schon vor längerer Zeit gelesen hatte und in dem er immer wieder noch Passagen nachschlägt.

Die großen Reden der Weltgeschichte (Martin Kaufhold)

Hier kann man die legendäre Ansprache Kings ebenso nachlesen, wie die Reden anderer charismatischer Frauen und Männer, die es verstanden haben, die Welt mit Worten zu bewegen und die man heute noch zitiert. Vier davon habe ich daraus für diesen Beitrag ausgewählt, weil sie im besonderen Kontext zum Thema Rassismus und zu den Geschichten stehen, die ich im Text unten noch einmal verlinkt habe. 

Treten wir zunächst einmal einen großen Schritt zurück und schauen auf das Jahr 1776. In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung findet sich folgender Satz …

“Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen worden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind, Leben, Freyheit und das Bestreben nach Glückseligkeit. (Wortlaut der deutschsprachigen Fassung).

Ist das nicht unglaublich? Im Grunde ist damit alles gesagt und geregelt und und doch pflanzte sich das Unrecht, das seinen Anfang mit der Vertreibung der nordamerikanischen Indianer durch die weißen Einwanderer nahm fort. Mit einem besonnenen, diplomatischen Mann und Denker seiner Zeit möchte ich diesen Redenreigen beginnen.

Mit dem großen Häuptling und ja, wie ich finde Staatsmann der Duwamish Indianer, Seattle (1786 – 1866). Er hat in einer Rede um das Jahr 1855 im heutigen Staate Washington, nachdem er seine Stämme schon in eine Form des Zusammenlebens mit den Weißen geführt hatte, die indianische Niederlage nach der Einwanderung der Weißen unumwunden eingestanden und versuchte durch Handreichung eine weiterführende Befriedung zu erreichen, zu verbinden, nicht zu trennen.

Häuptling Seattle wurde ein alter Mann, er überlebte den Einzug seines Stammes in die ihnen zugewiesenen Reservate um zwölf Jahre. 
Beinahe poetisch ist der Text überliefert, den es in mehr als einer Fassung gibt, und ohne eine verbürgte Originalversion gibt. Er berührt mit seinem Weitblick und seiner Demut auf eine sehr besondere Weise, macht nachdenklich, auch eingedenk dessen was sich später in der Folge des Sezessionkrieges noch ereignen sollte:

“Doch warum sollten wir klagen? Warum sollte ich über das Schicksal meines Volkes murren? Ein Stamm besteht aus einzelnen Menschen, und als Ganzes ist er auch nicht mehr als jeder Einzelne. Menschen kommen und gehen wie die Wogen des Meeres. Eine Träne, ein Tamanawus, ein Klagegesang, und für immer verschwinden sie aus unserem sehnsuchtsvollen Blick. Sogar der weiße Mann, dessen Gott ihn begleitet hat, un der mit gesprochen hat wie ein Freund, teilt dieses Schicksal aller. Vielleicht sind wir doch Brüder. Wir werden sehen”. (Textzitat S. 109)

Wie wir alle nur zu gut wissen, verstrickte sich, bedingt durch die unterschiedliche Prägung der Nord-und Südstaaten, der landwirtschaftlich geprägte, sklavenhaltende Süden mit dem sich eher industriell entwickelnden Norden in einen Bürgerkrieg. Der damals amtierende Präsident des Staatenbundes Abraham Lincoln hielt als Gastredner am 19. November 1863, bei der Einweihung eines Soldatenfriedhofs eine nur dreimütige Rede, in der er auch er, wie Seattle acht Jahre vor ihm, an die Aussage aus der Unabhängigskeits-Erklärung anknüpft.

Im Streit um die Abschaffung der Sklaverei waren zur Zeit von Lincolns Rede bereits tausende Männer gefallen und der Staatenbund, den er zusammenzuhalten versuchte drohte zu zerfallen:

‘”Es ist eher an uns, sich hier der großen Aufgabe zu widmen, die vor uns liegt – dass wir von diesen verehrten Toten eine größere Hingabe zu der Sache empfangen, für die sie das volle MAß an Hingabe erbrachten, – dass wir hier entschlossen feststellen, dass diese Nation, mit Gottes Beistand, eine neue Geburt in Freiheit erleben soll, und dass das Regieren des Volkes durch das Volk, und für das Volk nicht vom Angesicht der Erde vergehen darf. (Textzitat S. 118,)

Es würden weitere einhundert Jahre vergehen, bis zum Sommer der Unzufriedenheit und bis zur Rede von Martin Luther King, der sie direkt vor dem Monument von Lincoln hielt, mit großer Symbolkraft, denn auf dem Sockel des Memorials prangt in goldenen Lettern eben jene Passage aus der Unabhängigkeitserklärung (siehe oben).

King musste konstatieren, dass sich dieser im echten amerikanischen Alltag noch immer nicht wieder finden ließ. Die Bewegung, deren Kopf er  mittlerweile geworden war, stützte sich auf die Hoffnung, dass sich jetzt in den 1960er Jahren die Rassentrennung in Amerika endlich aufheben ließ.

Die beiden Kennedy-Brüder, die nach der Präsidentschaftswahl ins Weiße Haus eingezogen waren, schienen erstmals zuzuhören, wenn es um die Belange der Afroamerikaner ging. Die Reden von King wurden in diesem Sommer von großen Menschenmengen verfolgt, zehntausende versammelten sich im Norden und Süden. Daraus schöpfend entwickelte King seinen Traum, den Traum von der Gleichberechtigung von Schwarz und Weiß und er prägte den ‘Satz, den wir alle bis heute im Ohr haben:

“Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne ehemaliger Sklaven und die Söhne ehemaliger Sklavenhalter auf den roten Hügeln von Georgia miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können. – 

Ich habe einen Traum, dass meine vier Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sich nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach dem Wert ihres Charakters beurteilt werden. Ich habe heute einen Traum!” (Textzitat S. 210).

In jedem Menschen ist Gutes und Böses angelegt. Intelligenz und Klugheit, ebenso wie Dummheit. Die Verteilung dessen hat mit der Hautfarbe nichts zu tun. Rein die Gier nach Macht und Durchsatz ließ in der Menschheitsgeschichte Verbrechen an ganzen Ethnien entstehen, viele davon sind uns sehr präsent. Antisemitismus, die Vernichtung der nordamerikanischen Indianer, aber auch in Australien hat man die Aborigines eine Zeit lang als “Flora und Fauna” eingeordnet, das ist jetzt kein Scherz – was nicht menschlich war für die Engländer konnte ungestraft einen Umgang erfahren, den man selbst gut dünkte.

Der fanatische Wahnsinn ruht nicht. Unter der Oberfläche der Gesellschaft scheint die Glut dieses Konfliktes noch immer zu glimmen. Jederzeit scheint ein Flächenbrand durch das bloße daranhalten eines Streichholzes wieder entzündbar.

Die Reden zweier bedeutender amerikanischer Schriftsteller, die auch in diesem Buch enthalten sind, möchte ich in diesem Zusammenhang noch erwähnen. Zum einen ist dies Mark Twain, der mit Tom Sayer und Huck Finn zwei unsterbliche Romanhelden aus den Südstaaten erschaffen und in diesem Kontext eine Rede geschrieben hat, die sich ca. 1884 gegen die Tradition der Lynch-Mobs wendet, die zu dieser Zeit gang und gäbe waren. Das hat mich besonders an den Roman “Mercy Seat” erinnert, hier hat ein Klan maßgeblichen Anteil am Verlauf der Dinge.

Das der Traum von Martin Luther King noch nicht ausgeträumt ist, stellt der bedeutende amerikanische Literat William Faulkner in seiner Dankesrede bei der Literatur-Nobelpreisverleihung am 10. Dezember 1950 zu Ehren seines Gesamtwerkes eindrücklich klar. Ausgezeichnet für einen ganzen Südstaaten-Kosmos, den er mit seinen Figuren bevölkert hat und der bis heute für viele andere Autoren ein Maßstab ist, hatte er die Reise nach Stockholm zunächst gar nicht antreten wollen. Faulkner, ein starker Trinker, überlegte es sich dann doch anders und hielt seine Rede vor dem Kommitee nach einer durchzechten Nacht. 

Abschließend kurz noch ein Wort zu Martin Kaufhold, der in seinem Buch einen noch viel bunteren Rede-Strauß gebunden hat, als ich ihn hier vorstellen kann. Er läßt den eloquenten römischen Senator Cicero ebenso zu Wort kommen, wie Ernst Reuter, Willy Brandt oder auch Winston Churchill. Jede dieser Ansprachen leitet er ein mit dem historischen Hintergrund vor dem sie gehalten wurden, und erschafft so nicht nur eine reine Reden-Sammlung, sondern eine anschauliche Geschichtsstunde, die so breit und abwechslungsreich gefächert ist, dass es jetzt auch von mir, nicht nur von Andreas, für dieses Buch eine uneingeschränkte Lese-Empfehlung gibt!

Und weil der Geist von Dr. Martin Luther King durch alle diese drei Geschichten weht, jede besonders und alle lesenwert, hier wie versprochen der Absprung zu den Rezensionen in meiner Bücher-Apotheke …

 

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